Privatisierung von Straßen wird teuer

In Deutschland wird seit Jahren zu wenig in Straßen, Brücken und Autobahnen investiert. Zuerst sollte eine Maut eingeführt werden, aber als festgestellt wurde, dass sie nicht genug Geld in die leeren Kassen spülen wird, hat sich die Bundesregierung neuen Geldquellen zugewandt. Jetzt sollen Öffentlich-Private Partnerschaften (ÖPP) die notwendigen Finanzmittel erschließen.Jedes Jahr werden nach einem Bericht der Zeitung Die Zeit zusätzliche sieben Milliarden Euro benötigt, um die Verkehrswege in Deutschland sanieren zu können. In den Haushaltsplanungen der Regierungskoalition seien aber für die gesamte Legislaturperiode nur fünf Milliarden Euro eingeplant. Mehr gehe nicht, weil Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen möchte.Aus diesem Grund plant die Bundesregierung verstärkt privates Kapital für den Ausbau der Verkehrswege zu mobilisieren. Dafür lässt Schäuble seine Beamten durchrechnen, was es kosten würde, Autobahnen privat zu betreiben. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hat eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, die ausloten soll, wie sich die Investitionen stärken lassen.Unter Leitung des Präsidenten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, treffen sich ranghohe Vertreter der Finanz- und Versicherungsbranche, um Vorschläge zu erarbeiten, wie privates Kapital für Infrastrukturprojekte mobilisiert werden kann. Dieser Arbeits-gruppe gehören u.a. an: Deutsche-Bank-Chef Jürgen Fitschen, der Präsident des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft Alexander Erdland, Ergo-Chef Torsten Oletzky und die Allianz-Top-Managerin Helga Jung.„Die relativ schwache Investitionsentwicklung in Deutschland erfordert neue wirtschaftspolitische Antworten“, hatte Gabriel zum Auftakt der Arbeitsgruppe gesagt. Angesichts einer alternden Bevölkerung brauche es mehr Dynamik bei privaten Investitionen. „Das gilt vor allem für die öffentliche Infrastruktur, etwa leistungsfähige Verkehrswege und kommunale Infrastruktureinrichtungen.“Wie sich das private Kapital lockermachen lässt und wie eine solche Investition genügend Rendite erbringt, sollen Fratzscher und die Vertreter der Finanzbranche nun herausfinden. Die Arbeitsgruppe diskutiert dabei verschiedene Modelle. So könnten beispielsweise die strengen Vorschriften der Versicherer für Kapitalanlagen gelockert werden, damit es ihnen erlaubt wird, Kundengelder leichter in die gewünschten Projekte zu investieren. Im Zentrum der Überlegungen stehen aber ÖPPs, bei denen der Bau von Straßen und Brücken an Unternehmen ausgelagert werden. Diese würden dann die Anlagen für einen Zeitraum von 30 oder mehr Jahren betreiben und dafür Gebühren einstreichen.Das Bundesverkehrsministerium experimentiert bereits seit mehreren Jahren mit ÖPPs. Private Baufirmen bauen und erweitern dabei Autobahnen und werden aus den dortigen Maut-Einnahmen bezahlt oder erhalten Geld für den reibungslosen Betrieb der Strecken. Der Nutzen für die öffentliche Hand und den Steuerzahler sind dabei allerdings fraglich.Der Bundesrechnungshof hatte fünf von sechs realisierten ÖPP-Projekten untersucht und dabei festgestellt, dass sie um fast zwei Milliarden Euro teurer waren als wenn sie vom Staat selbst finanziert worden wären. So wurde beispielsweise bei der ÖPP-Variante beim Ausbau der A1 von Bremen nach Buchholz festgestellt, sie sei nicht um 40 Prozent günstiger gewesen, wie vom Bundesverkehrsministerium veranschlagt. Stattdessen kam sie dem Staat sogar 28 Prozent teurer. Beim Ausbau der A4 von Hessen nach Thüringen wurde anfangs ein Kostenvorteil von 32 Prozent ermittelt. Am Ende war das Projekt um 12,4 Prozent teurer.Den Grund für die Mehrkosten sehen die Prüfer in der Finanzierung der Privaten. Sie müssten in der Regel am Kapitalmarkt höhere Zinsen für Kredite zahlen als der deutsche Staat. Außerdem hätten sie noch Risikoaufschläge zu erdulden.Doch die Bundesregierung beharrt auf ihrer Position. Sie sieht eine höhere Effizienz bei privat finanzierten Projekten. Im Bundesverkehrsministerium heißt es, der Straßenbau gehe so schneller vonstatten. „Je schneller eine Strecke ausgebaut ist, desto größer ist der volkswirtschaftliche Nutzen“, sagt Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU). Auch Gabriels Arbeitsgruppe geht davon aus, dass die Privatwirtschaft sparsamer mit dem Geld umgeht als die öffentliche Hand.Doch der Bericht des Bundesrechnungshofes widerlegt auf 40 Seiten die neoliberalen Dogmen. So listet der Bericht auf, was bei den fünf untersuchten Projekten alles schiefgelaufen ist: Die beauftragten Unternehmen hätten die vertraglich vorgegebenen Qualitätswerte oftmals nicht eingehalten und es habe sich auch die Hoffnung nicht erfüllt, dass am Bau „innovative technische Lösungen“ zur Anwendung kommen.Eine länderübergreifende Studie bestätigt den Befund des Bundesrechnungshofes. So stellt das Internationale Transportforum der Organisation der Industrieländer OECD in einem Diskussionspapier fest, es sei „kostspieliger, den privaten Sektor dazwischenzuschalten“.Kritiker sehen in den Plänen der Bundesregierung ein Milliardengeschenk für die Finanzindustrie. So meint Fabian Lindner, Leiter des Referats für Wirtschaftspolitik beim gewerkschaftsnahen Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung, dass Banken ihr Geld nur hergeben würden, wenn sie entsprechend Zinsen bekommen würden. Die Renditeerwartungen der Investoren lägen aber häufig „über den Finanzierungskonditionen der öffentlichen Hand“, gibt Norbert Barthle, haushaltspolitischer Sprecher der Union, zu bedenken. „Billiger wird die Infrastruktur damit nicht.“Zuerst veröffentlicht: Unsere Zeit, Nr. 41/2014

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