Nein, Lutz Hausstein macht nicht dasselbe wie die offiziellen Regelsatz-Berechner. Er macht es richtig. Muss nachbessern, was die amtlichen Rechengenies verpfuschen. Was sie verhunzen müssen von Dienst wegen. Aus diesem Grund rechnen sie ja eigentlich nur. Um zu sagen, dass das Leben eigentlich billig sei. Der Regelsatz daher genau richtig. Aber Hausstein zeigt auf, dass billig nur die Tricks und die Schlichen sind, mit denen diese Rechenkünstler die Lebenshaltungskosten kleinrechnen.
Wer länger im Bezug von Hartz IV steckt, den merkt man es gemeinhin an. Die abgerissenen Gestalten, die in schaurigen Buden hocken und ab und an mal auf die Gassen kommen, gab es im viktorianischen London - und die gibt es in der heutigen Bundesrepublik immer öfter. In einem der wohlständigsten Ländern der Welt wohlgemerkt. Wer verstehen will, warum viele Leistungsberechtigte in zerschlissenen Jeans und in ausgewaschenen Hemden zum Penny schlurfen und wieso ihre Wohnungen »in die Jahre gekommen« und abgewohnt wirken, der muss nur mal einen Blick auf die Zusammensetzung des Regelsatzes werfen. Ein bisschen mehr als 30 Euro im Monat sind demnach für »Strom, Warmwasseraufbereitung und Wohninstandhaltung« gedacht sein. Mit einem solchen Betrag hält man nichts in Schuss. Wandfarbe kostet mehr. Für die Abdeckplane könnte es reichen. In Zeiten von KiK und Primark klingt derselbe Betrag monatlich für Klamotten (inklusive Reinigung, Waschen und Reparatur) natürlich ganz ordentlich. Aber wer billig kauft, der kauft doppelt. Bei der Ware aus diesen Häusern merkt man das explizit. Und so trägt der Arbeitslose auf, was er an ursprünglich besseren Sachen so im Schrank hatte. Er altert modisch, trägt die Abnutzung am Leib.
Das sind nur zwei Posten der Regelsatz-Zusammenstellung, die per Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz (RBEG) errechnet wurde. In dem wird erläutert, wie das Prozedere der Beitragsbemessung funktioniert. Sage noch einer, es gäbe keine Transparenz. Die gibt es. Man muss aber halt auch genau hinsehen. Es hilft ja nichts, wenn einer auf die Polizeiwache kommt und ganz transparent seine letzten Diebstähle beichtet, wenn die Beamten mit Ohropax hinterm Schalter hocken. Gemeinhin hält sich diese Gesellschaft aber die Ohren zu, wenn man ihr erzählt, mit welchen Kniffen man die Armen kleinrechnet. Oh, nach Gesetz rechnen die Regelsatz-Festleger ja durchaus richtig. Aber das Gesetz ist ja auch nicht für Objektivität gemacht. Es soll den Anschein wahren. Und so rechnet man bestimmte Faktoren als »nicht regelbedarfsrelevant« heraus. Alkohol und Tabak. Das sind bekannte Beispiele. Man will den Arbeitslosen halt zu einem anständigen Leben anhalten. Dass Hundefutter zum Beispiel auch nicht relevant ist, wissen weitaus weniger Menschen. Das ist besonders verwerflich, denn viele Langzeitarbeitslose sind alleinstehend und einsam. Ein Hund täte ihnen gut. Er dürfte halt nur nichts fressen. Vielleicht züchtet einer ja mal eine solch sparsame Rasse.
Ich halte ja gemeinhin wenig von Privatisierungen. Meist zieht die Allgemeinheit den Kürzeren. Wenn aber staatliche Institutionen versagen, braucht es manchmal einen couragierten Privatmann, der macht, was staatlicherseits verpasst wird oder einfach nur nicht gemacht werden will. Daher bin ich für die Privatisierung der Regelsatzermittlung. Aber sie kostet dem Ermittler auch Geld. Und das ist der Grund, warum Lutz Hausstein crowdfundet. Das Projekt ist mit Kosten verbunden. Er rechnet wieder. Nicht nur Regelsätze. Auch auf die rege Mithilfe jenes Teils der Öffentlichkeit, der in Sachen Hartz IV sensibilisiert genug ist, um zu verstehen, wie wichtig seine Arbeit ist. Schließlich will man wissen, ob die offizielle Berechnung dazu dient, die Bedarfsgrenze zu errechnen oder ob es nur darum geht, den Sozialstaat zu einem Schnäppchenpreis zu verschleudern. Insofern wirkt Hausstein auch als Korrektiv. Wenn vielleicht auch nur als moralisches. Aber Moral ist in diesen Tagen ja auch nichts, was wir uns zu verachten leisten könnten.
Seine Studie wird dann kostenfrei veröffentlicht. Und hoffentlich Einschlag finden in vielen Medien. Es wäre ihm und uns und vielen Erwerbslosen zu wünschen, dass es klappt. Nicht, dass ich glaube, plötzlich würden ein Umdenken stattfinden und Nahles bricht jäh in Tränen aus und verfügt eine empathische Anpassung des Regelsatzniveaus. Wir kennen die Frau ja mittlerweile. Aber wenigstens haben wir dann einen dicken Wälzer voller Argumente und Belege, den wir ihr um die Ohren hauen können. Hoffentlich kriegt er ausreichend Geld zusammen, damit das Ding auch ordentlich schwer wird. So haut es sich beglückender. Es liegt ganz an seinen Gönnern.
Lutz Hausstein
Im Jahr 2010 legte Lutz Hausstein erstmals seine Studie »Was der Mensch braucht« vor. In ihr errechnete er einen realistischen Regelsatz, gemessen an den wirklichen Kosten, die ein Mensch in seinem Leben in Deutschland so hat. Und die er eben nicht nur hat, wenn er stolzer Besitzer eines Lohnarbeitsplatzes ist, sondern auch, wenn er in (Langzeit-)Arbeitslosigkeit verharrt. Denn ob man es glaubt oder nicht, die Kosten des Alltags minimieren sich ja nicht, nur weil man aussortiert wurde. Selbst wenn sich das soziale Leben mehr und mehr einstellen sollte - und das gelingt Hartz IV von ganz alleine nach einer gewissen Zeit -, bleiben da Kosten. Ja, das Leben kostet sogar, wenn man es quasi nur zwischen Wohnzimmer und Diele verbringt.Wer länger im Bezug von Hartz IV steckt, den merkt man es gemeinhin an. Die abgerissenen Gestalten, die in schaurigen Buden hocken und ab und an mal auf die Gassen kommen, gab es im viktorianischen London - und die gibt es in der heutigen Bundesrepublik immer öfter. In einem der wohlständigsten Ländern der Welt wohlgemerkt. Wer verstehen will, warum viele Leistungsberechtigte in zerschlissenen Jeans und in ausgewaschenen Hemden zum Penny schlurfen und wieso ihre Wohnungen »in die Jahre gekommen« und abgewohnt wirken, der muss nur mal einen Blick auf die Zusammensetzung des Regelsatzes werfen. Ein bisschen mehr als 30 Euro im Monat sind demnach für »Strom, Warmwasseraufbereitung und Wohninstandhaltung« gedacht sein. Mit einem solchen Betrag hält man nichts in Schuss. Wandfarbe kostet mehr. Für die Abdeckplane könnte es reichen. In Zeiten von KiK und Primark klingt derselbe Betrag monatlich für Klamotten (inklusive Reinigung, Waschen und Reparatur) natürlich ganz ordentlich. Aber wer billig kauft, der kauft doppelt. Bei der Ware aus diesen Häusern merkt man das explizit. Und so trägt der Arbeitslose auf, was er an ursprünglich besseren Sachen so im Schrank hatte. Er altert modisch, trägt die Abnutzung am Leib.
Das sind nur zwei Posten der Regelsatz-Zusammenstellung, die per Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz (RBEG) errechnet wurde. In dem wird erläutert, wie das Prozedere der Beitragsbemessung funktioniert. Sage noch einer, es gäbe keine Transparenz. Die gibt es. Man muss aber halt auch genau hinsehen. Es hilft ja nichts, wenn einer auf die Polizeiwache kommt und ganz transparent seine letzten Diebstähle beichtet, wenn die Beamten mit Ohropax hinterm Schalter hocken. Gemeinhin hält sich diese Gesellschaft aber die Ohren zu, wenn man ihr erzählt, mit welchen Kniffen man die Armen kleinrechnet. Oh, nach Gesetz rechnen die Regelsatz-Festleger ja durchaus richtig. Aber das Gesetz ist ja auch nicht für Objektivität gemacht. Es soll den Anschein wahren. Und so rechnet man bestimmte Faktoren als »nicht regelbedarfsrelevant« heraus. Alkohol und Tabak. Das sind bekannte Beispiele. Man will den Arbeitslosen halt zu einem anständigen Leben anhalten. Dass Hundefutter zum Beispiel auch nicht relevant ist, wissen weitaus weniger Menschen. Das ist besonders verwerflich, denn viele Langzeitarbeitslose sind alleinstehend und einsam. Ein Hund täte ihnen gut. Er dürfte halt nur nichts fressen. Vielleicht züchtet einer ja mal eine solch sparsame Rasse.
Ich halte ja gemeinhin wenig von Privatisierungen. Meist zieht die Allgemeinheit den Kürzeren. Wenn aber staatliche Institutionen versagen, braucht es manchmal einen couragierten Privatmann, der macht, was staatlicherseits verpasst wird oder einfach nur nicht gemacht werden will. Daher bin ich für die Privatisierung der Regelsatzermittlung. Aber sie kostet dem Ermittler auch Geld. Und das ist der Grund, warum Lutz Hausstein crowdfundet. Das Projekt ist mit Kosten verbunden. Er rechnet wieder. Nicht nur Regelsätze. Auch auf die rege Mithilfe jenes Teils der Öffentlichkeit, der in Sachen Hartz IV sensibilisiert genug ist, um zu verstehen, wie wichtig seine Arbeit ist. Schließlich will man wissen, ob die offizielle Berechnung dazu dient, die Bedarfsgrenze zu errechnen oder ob es nur darum geht, den Sozialstaat zu einem Schnäppchenpreis zu verschleudern. Insofern wirkt Hausstein auch als Korrektiv. Wenn vielleicht auch nur als moralisches. Aber Moral ist in diesen Tagen ja auch nichts, was wir uns zu verachten leisten könnten.
Seine Studie wird dann kostenfrei veröffentlicht. Und hoffentlich Einschlag finden in vielen Medien. Es wäre ihm und uns und vielen Erwerbslosen zu wünschen, dass es klappt. Nicht, dass ich glaube, plötzlich würden ein Umdenken stattfinden und Nahles bricht jäh in Tränen aus und verfügt eine empathische Anpassung des Regelsatzniveaus. Wir kennen die Frau ja mittlerweile. Aber wenigstens haben wir dann einen dicken Wälzer voller Argumente und Belege, den wir ihr um die Ohren hauen können. Hoffentlich kriegt er ausreichend Geld zusammen, damit das Ding auch ordentlich schwer wird. So haut es sich beglückender. Es liegt ganz an seinen Gönnern.