Privateigentum Wasser - Nestlé Waters und die Nachhaltigkeit


Kaum ein Nahrungsmittel ist so wichtig und zugleich so profitabel wie Wasser. Der fortschreitenden Privatisierung und Monopolisierung von Quellen und anderen Wasservorkommen durch Nahrungsmittelkonzerne hat ein Großteil der Betroffenen dabei nur wenig entgegenzusetzen. Nestlé Waters schreitet als Branchenführer mit großen Schritten voran, Umweltschäden und Abhängigkeit weiter Bevölkerungsschichten, besonders in Entwicklungs- und Schwellenländern, sind die Folge.

Privateigentum Wasser - Nestlé Waters und die NachhaltigkeitDer Internetauftritt von Nestlé Waters wirkt seiner Rolle als Trinkwasserversorger angemessen, offen bekennt sich das Unternehmen zum sorgsamen Umgang mit der wertvollen Ressource Wasser. Das entspricht dem Konzept der Nachhaltigkeit, das die langfristig schonende Nutzung wirtschaftlicher Ressourcen aus ökologischer, sozialer und auch ökonomischer Sicht vorsieht.

Alles klar also im Märchenland Nestlé Waters? Nicht so ganz. Ein genauerer Blick auf die Unternehmenstätigkeit ergibt ein ganz anderes Bild, weit weniger altruistisch und sehr viel profitorientierter. Denn dass der Konzern um den Wert seines Rohstoffes weiß, offenbart sich viel direkter als es die Marketingstrategen mit ihren Formulierungen für die Homepage wohl vorsahen. Nestlé Waters ist Branchenführer im Markt der Flaschenwasser-Hersteller, und dieser Markt ist riesig. Allein im Jahr 2005 wurden weltweit rund 164 Mrd. Liter Wasser in Flaschen abgefüllt und verkauft. Im vergangenen Jahrzehnt hat sich der Absatz der Hersteller fast verdoppelt - dabei sind die Margen hoch, da sich die Kosten der Herstellung naturgegeben in Grenzen halten. Da wird aus dem Element schnell ein lukratives Produkt. Der Zugang zu Wasser wird zur erfolgskritischen Variable im Herstellungsprozess.

In dem Bemühen, sich künftige Ressourcenzugänge zu sichern überschreitet Nestlé Waters immer wieder die Regeln des guten Anstandes, verrät seine selbstauferlegte Ausrichtung an nachhaltigem Wirtschaften und verstößt nicht zuletzt gegen geltendes Recht. Fast höhnisch wirkt da der Verweis des Unternehmens auf das Wissen um die Knappheit der Ressource, deren Ungleichverteilung in der Welt und die Tatsache, dass es in Zukunft kaum für alle reichen wird.
Nutzungsrechte an Wasservorkommen zu Spottpreisen zu erwerben, die lokale Bevölkerung vom direkten Bezug der Ressource auszuschließen um ihnen dann dasselbe Wasser in Flaschen abgefüllt teuer zu verkaufen ist unredlich. Das Ganze mit Vertragslaufzeiten von bis zu 100 Jahren abzusichern muss angesichts der Annahme, dass bereits 2025 bis zu drei Milliarden Menschen unter Wassermangel leiden werden, fast schon als zynisch betrachtet werden. Die Angabe stammt aus dem Informationskatalog, den das Unternehmen veröffentlicht.

Die unverantwortliche Übernutzung der Wasserreservoirs sorgt dafür, dass die Brunnen der Umgebung trocken fallen, Flussläufe und Seenpegel unwiederbringlich geändert werden. Grund ist häufig die Tatsache, dass sich das Unternehmen nicht mit der Menge Wasser zufrieden gibt, die die Quelle auf natürliche Weise fördert. Darum wird das Wasser zusätzlich aus der Quelle herausgepumpt. Die Schäden sind gravierend und zumeist unumkehrbar. Am Lake Michigan beispielsweise erwarb der Konzern für 75 US-Dollar das Recht jährlich Hunderte Millionen Liter Seewasser abzupumpen und verkaufte es als "Ice Mountain Water". Der Lake Michigan gehört zu einem der größten Wasserreservoirs in der Welt, nur ca. 1% erneuert sich auf natürliche Art und Weise. Ein Absenken des Grundwasserspiegels, Dürren und irreparable Schäden an Umwelt und Bevölkerung wurden nachgewiesen.

Privateigentum Wasser - Nestlé Waters und die NachhaltigkeitNestlé Waters wies eine Schuld jedoch entschieden von sich, es gebe "keine wissenschaftlichen Beweise" für Schäden, die Quelle befände sich in Privatbesitz, und überhaupt sei das Wasser in Flaschen abgefüllt nicht mehr länger eine Ressource, sondern ein Produkt. Erst organisierter Widerstand der lokalen Bevölkerung, ein internationales Bündnis aus Bürgerinitiativen, Umwelt- und Wasserschutzverbänden sowie mehrere gerichtliche Entscheide zwangen das Unternehmen in der Folge zu einer Einschränkung der Abfüllmenge. Ähnliche „Water wars" spielten sich in Maine und Nord-Kalifornien ab und gipfelten in langjährigen Gerichtsverfahren.

Es lassen sich eine Vielzahl vergleichbarer Fälle aufzählen, in den USA, in Brasilien und Pakistan, sogar in der Schweiz, der Heimat des Mutterkonzerns. Und das sind lediglich gut dokumentierte Vorgänge in entwickelten Staaten. Man traut sich kaum auszumahlen, welche Praktiken sich das Unternehmen in weniger gut beobachteten Gegenden leistet oder gegenüber Gemeinschaften, die sich aufgrund fehlender Vernetzung, mangelhafter Infrastruktur oder Bildung als nur eingeschränkt wehrhaft erweisen.

Doch langsam findet ein Umdenken beim Verbraucher statt, im Jahre 2008 verzeichnete Nestlé Waters erstmals rückläufige Wachstumsraten für das Gesamtgeschäft, mehrfach erhielt der Konzern in jüngster Vergangenheit Negativ-Auszeichnungen anlässlich seines fragwürdigen Geschäftsgebarens. Wenn Wort und Tat zu stark voneinander abweichen, wird im Zweifel beides abgelehnt.


Die Autorin: Luisa von Goertzke studiert an der Universität in Mainz Betriebswirtschaftslehre und Publizistik.


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