Priorisieren mit Doris

Priorisieren mit DorisHallo, Frau Leuthard, haben wir da richtig gehört? «Die Sicherheit hat oberste Priorität», haben Sie am Sonntag in der «Tagesschau» gleich mehrmals betont – und dabei tatsächlich über die Schweizer AKWs geredet. Schliesslich habe die Schweiz «vom Gesetz her eine ganz strenge Aufsicht».

Nun, für Sie als Magistratin, ehemalige Verwaltungsrätin der Axpo-Tochter EGL und bis vor kurzem Mitglied der Lobbyorganisation Nuklearforum sind solche Worte angesichts der Atomkatastrophe in Japan wohl angebracht. Dumm nur, dass es noch vor ein paar Monaten etwas anders getönt hat. Gefragt nach den zahlreichen Pendenzen, welche die Schweizer AKW-Betreiber immer noch abarbeiten sollten, sagten Sie in der Fragestunde des Nationalrats vom 13. Dezember 2010 den folgenden Satz: «Es hängt nicht zuletzt auch davon ab, was und wie schnell investiert werden kann.» Das tönte, mit Verlaub, deutlich so, als ob die Finanzen noch einen Tick die höhere Prioriät hätten als die Sicherheit.

Überhaupt, diese Pendenzen, Frau Bundesrätin. Die Liste, was denn in Schweizer AKWs investiert und erledigt werden sollte, wird vom Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorat (Ensi), dem Sie Ihr volles Vertrauen aussprechen, gehütet wie ein Staatsgeheimnis – oder jedenfalls auf der Website so gut versteckt, dass sie für durchschnittlich begabte Internetnutzer nicht zu finden ist (Leserinnen und Leser von angelisansichten.ch finden die Pendenzenliste hier). Und die Pendenzen, und das sind nicht wenige, sind zumeist «in Bearbeitung» – zum Teil seit Jahren.

Und wie war das doch gleich mit all den Zwischenfällen und Sicherheitsmängeln der vergangenen Monate und Jahre, Frau Bundesrätin? Mit den stetig wachsenden Rissen im AKW Mühleberg etwa, von denen das Publikum nichts erfahren sollte? Mit der real existierenden Überflutungsgefahr, welche die BKW aktiv zu verschleiern versuchte? Oder mit all Zwischenfällen in Leibstadt oder Beznau in den vergangenen Jahren? Hatte (und hat) da die Sicherheit auch «oberste Priorität» und wird einfach ein klein wenig zu wenig beachtet?

Zugegeben, Frau Bundesrätin, gegenüber den Ereignissen in Japan sind das alles Peanuts. Aber wenn man nun hört und liest, wie hoch die japanische Sicherheitskultur in Sachen Atomkraft sein soll (und dass nur gelegentlich ein wenig Berichte gefälscht und Zwischenfälle verschleiert werden), dann fragt man sich halt schon, wie hoch oben die «oberste Priorität» in der Schweiz wohl angesiedelt ist. Und ob sie ausreicht. Oder ob Sie, Frau Bundesrätin, dem Volk nicht bloss Sand in die Augen streuen.


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