Rot oder Grün? Wowereit oder Künast? Wer meint, das sei doch keine Wahl, ist noch niemals in der Stadt der Preußen gewesen, die heute die Stadt der andauernden Integration, die Stadt der Staatsverwaltung und die Stadt der Hartz4-Bezieher ist. Berlin muss nicht, weil Berlin hat, so wie ein Baby nicht arbeiten muss, weil Mutter ihm gibt, was es will, weil es sonst schreit. Die Suche nach einem neuen Regierenden Bürgermeister gleicht so auch weniger der Suche nach einer Figur, die der Spreemetropole neue Perspektiven öffnet, als der nach einer Mutter, die verspricht, gerecht zu verteilen, was den Menschen zusteht.
"Wahlprogramme zählen nicht, es kommt drauf an, dass man sympathisch rüberkommt", sagt Martin Sonneborn von der "Partei", die als einzige politische Kraft in Berlin ganz und gar dazu steht, "Inhalte überwinden" zu wollen. Mauer wieder aufbauen, ein Atommüllendlager im Prenzlauer Berg, keine Zusammenarbeit mit der FDP, weil Die Partei Spaßparteien prinzipiell ablehne. Sonneborn sagt das und guckt dabei so ernsthaft, dass selbst Renate Künast, ein Frau gewordenes Kampfmesser, dagegen wirkt wie eine Vertreterin der Rebel Clown Army.
Selten zuvor zeigte sich im deutschen Politzirkus jemand so prinzipienfest und gelenkig, so tatkräftig und einfallsreich wie Sonneborn, der Humoriker mit der sympathischen Stirnglatze. Warum er die Maueropfer mit der Ankündigung beleidige, die Berliner Mauern wieder aufbauen zu wollen, fragt ein empörter Mann aus dem RBB-Zuschauerraum. Ob er denn nicht glaube, dass das die Maueropfer erstens beleidige und sie zweitens davon abhalte, die Partei zu wählen?
Ja, natürlich, antwortet Sonneborn. Aber die Wahl werde ja aber zum Glück nicht von den Maueropfern entschieden, sondern von den Ostberlinern. "Und die werden dankbar sein, wenn wir die Mauer wieder errichten."