“Prince Avalanche” von David Gordon Green

Emile Hirsch (links) und Paul Rudd (rechts) wollen eine Lawine erleben.

Emile Hirsch (links) und Paul Rudd (rechts) wollen eine Lawine erleben.

„Willst du bei unserer Lawine mitmachen?“. So schallt es durch die niedergebrannten texanischen Wälder, eine Folge des Bastrop County Feuers, das im September und Oktober des Jahres 2011 fast 140 Quadratkilometer Landfläche zerstörte, einen Schaden von 325 Millionen US Dollar anrichtete. So viel Geld hat nicht einmal der Film gekostet (725.000 $), der nun unter der Regie von David Gordon Green in dieser Umwelt spielt. In Prince Avalanche geht es keinesfalls um Lawinen der Wirklichkeit, vielmehr hat Protagonist Alvin, charmant von Paul Rudd gespielt, bei seinen Deutsch-Lernkursen die Worte Avalanche (Lawine) und Adventure (Abenteuer) verwechselt. Zu einem solchen Abenteuer bricht Alvin gemeinsam mit dem Bruder seiner Freundin Lance (Emile Hirsch) auf. Ihr Ziel ist dabei eine lokale Miss-Wahl. Diese steht aber erst am Ende von Prince Avalanche, einem naturverbundenen Roadtrip, bei dem zwei Männer mal so richtig Unmännlich sein dürfen.

Während Paul Rudds Alvin eine ruhige und ernste Seele ist, bekommt dieser mit dem albernden und lebensunsicheren Lance ein zuerst lästiges Anhängsel zugeschoben. Lance soll mit einem Besuch Alvins mal die Stadt hinter sich lassen, den Sommer damit verbringen, seinen Geldbeutel aufzubessern, indem er Alvin dabei hilft den Straßenstrich in der Mitte einer Landstraße zu erneuern, die durch das feuergeschundene Gebiet von Bastrop County führt. Bei dieser geradezu meditativ wirkenden Arbeit, umgeben von purer Natur, erfahren die beiden Männer mehr voneinander und von sich selbst, als sie es jemals für nötig gehalten hätten. Aber genau aus diesem gemeinsamen einsamen Miteinander entwickelt sich eine wertvolle Männerfreundschaft aus Ehrlichkeit, Bewunderung und Anerkennung.

Emile Hirsch ist gar nicht von der Arbeit begeistert.

Emile Hirsch ist gar nicht von der Arbeit begeistert.

Der lose auf der isländischen Komödie Á annan veg von Regisseur Hafsteinn Gunnar Sigurðsson basierende Prince Avalanche ruft schnell Erinnerungen an Charlie Sheen und Emilio Estevez in dem 90er Jahre Men at Work hervor. Zwei Männer finden nicht nur zu sich selbst, sondern freundschaftlich auch zueinander, während sie guter Dinge ihren Job verrichten. Aus den Müllmännern in Men at Work werden hier nun Straßenarbeiter, fast als Äquivalente zu betrachten, die scheinbar grenzenlos und ohne Ende in Sicht ihr Ziel verfolgen. Es ist auch ein Roadmovie durch die Emotionswelten dieser beider Männer, die so unterschiedlich sie auch sein mögen, immer mehr aufeinander zu gehen. Zwischen der menschlichen Abgebrühtheit (Alvin) und der totalen Unerfahrenheit (Lance) findet sich ein Mittelweg, wie die mittleren Straßenstreifen, die von den beiden Männern in akribischer Kleinarbeit neu auf den Weg gepinselt werden. So erscheint es fast so, als zeichneten sie sich ihren eigenen Mittelweg vor, der sich kilometerweit vor ihnen erstreckt, den sie aber erst nach einer enorm lang zurückgelegten Strecke auch wirklich erkennen.

Vor allem Darsteller Paul Rudd weiß in dieser Umgebung überraschend zu überzeugen. Von Wanderlust bis Immer Ärger mit 40 darf Rudd zwar selbst im schlimmsten Klamauk als heimlicher Garant für amüsante Schauspielkünste angesehen werden, doch so nuanciert wie hier hat man ihn bisher nicht agieren sehen. Paul Rudd als pflichtbewusster Großstädter in der Einöde, dem seine eigene Einsamkeit zuerst nicht einmal bewusst ist. Insgeheim sucht er dennoch die Flucht vor diesem Leben. Das Erlernen der deutschen Sprache ist nur ein unterschwelliger Punkt, der aufzeigt, dass Alvin gerne einen langfristigen Abstecher in die Ferne unternehmen würde um damit die Flucht vor Langeweile und einem abenteuerlosen Leben zu begehen. Aber noch klammert er sich an sein tristes Leben, wie er sich an seine belanglose Arbeit klammert.

Die Straße erscheint endlos.

Die Straße erscheint endlos.

Hier spiegeln sich die Leben Alvins und Lances in der Arbeit wieder die sie verrichten. Das endlos-belanglose Striche ziehen, ohne zu wissen für wen sie das alles eigentlich machen, in einer verbrannten Ecke des Landes, die noch mehr traurige Abgeschiedenheit in die Situation einfließen lässt. Durch das stimmige Zusammenwirken von Rudd und Hirsch entwickelt sich ein Roadmovie mit nachdenklich, ruhigen Momenten, immer versehen mit einem Spritzer Humor. Am Ende einer Szene wird man sich jedoch immer wieder fragen, ob man nun Lachen oder Mitleid empfinden soll.

Bei Prince Avalanche schaut man gerne zu, weil die Figuren so real erscheinen. Sie bewegen sich nicht vor der Kamera, sondern in der Natur. Die Landschaft bietet eine Isolation, die nicht nur die Menschen über ihr Leben nachdenken lässt, sondern auch eine willkommene Abkehr von technischen Spielereien der Moderne darstellt. Hierdurch wird der Film zu einer Art Kammerspiel, bei dem die Räumlichkeit zwar die Natur selbst ist, die Handlung aber dennoch ganz nah an den Menschen bleibt, die in ihr agieren. Unterlegt mit der Musik der amerikanischen Postrock-Band Explosions in the Sky, ist Prince Avalanche ein Roadmovie, ein Naturfilm, ein Kammerspiel, eine bisher nicht gesehene Leistung von Paul Rudd, eine Filmempfehlung, eine Lawine.

 


Prince Avalanche_Filmplakat

“Prince Avalanche“

Originaltitel: Prince Avalanche
Altersfreigabe: ab 6 Jahren
Produktionsland, Jahr: USA, 2013
Länge: ca. 93 Minuten
Regie: David Gordon Green
Darsteller: Paul Rudd, Emile Hirsch

Heimmedienstart: 26. September 2013
Im Netz: princeavalanche-film.de



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