Primitivo – der Wein Apuliens (2/2)

Von Fhizban

„Im Süden Italiens, in Apulien, genauer gesagt im Herzen der Provinz Tarent existiert für diese alte Rebsorte eine eigene DOC (Appellation höchster und garantierter Herkunft) mit dem Namen „Primitivo di Manduria“. Auch im Gebiet Gioia del Colle ist er die Hauptrebsorte der DOC „Gioia del Colle Rosso“ und in der Gegend um Brindisi wird der Primitivo oft sortenrein ausgebaut.“

Das Weingut Vetrere
Im italienischen Weindepot finden Sie Primitivo Weine verschiedener Weingüter, wir möchten in diesem Artikel jedoch ganz besonders die Produkte der Azienda Agricola Vetere besprechen. Das 37 Hektar grosse Familien-Weingut zählt zu den kleineren Betrieben der Region und ist ganz auf die Produktion von Qualitätswein und hochwertigem Olivenöl spezialisiert. Anders als viele der Kolosse aus Süditalien, beträgt die Produktion von Vetrere lediglich 150.000 Flaschen im Jahr. Auf internationale Rebsorten wird zugunsten der einheimischen Gewächse fast gänzlich verzichtet. Der Landwirtschaftsbetrieb liegt inmitten des wohl fruchtbarsten Gebietes des Mittelmeerraumes und kultiviert die autochthonen Rebsorten Negroamaro, Primitivo, Verdeca und Fiano Minutolo. Im Keller werden die beiden Schwestern Annamaria und Francesca Bruni tatkräftig von den Önologen Giuseppe Caragnulo und Vincenzo Laera unterstützt. Bei allen Produkten von Vetrere handelt es sich um typisch regionale Weine von absoluter Wertschätzung.

Vetrere bei www.gerardo.de

Verrückt nur dem Namen nach
Die Trauben für diesen herausragenden Primitivo Wein stammen aus einem cirka 2 Hektar großen Weinberg bei Manduria. Die beiden Schwestern haben diesen Weinberg gepachtet, um ihn zu retten und zu erhalten. Denn der Besitzer war der vielen Arbeit leid und wollte die Reben ausreissen, dabei bot ihm die Stilllegungsprämie der EU einen zusätzlichen Anreiz – laut der Meinung Brüssels gibt es ohnehin zuviele Rebflächen. Die beiden Schwestern wollten aber nicht aufgeben und stellten ihr Können und Geschick unter Beweis. Heute bringen die raren, über 60 Jahre alten Reben des Weinbergs das wertvolle Traubenmaterial für den Barone Pazzo hervor. Dieser Wein liefert den Beweis, dass Primitivo zu den wichtigsten Rebsorten Apuliens gehört. Zu dem kuriosen Namen des Weines (pazzo = verrückt) gibt es im übrigen noch eine kleine Geschichte, erzählt von Annamaria Bruni:

„Als Kinder waren meine Schwester und ich fasziniert von einer alten Festungsruine, die sich auf unserem Land befand. Sie war die reine Wildnis. Zwischen den Mauern nisteten Raubvögel. Es war gefährlich, sich ihnen zu nähern. Als wir die Bauern aus der Nachbarschaft fragten, wer der Besitzer des Gemäuers sei, das uns wie eine Burg erschien, sagten sie: ‚der Barone Pazzo‘. Damit wollten sie uns von dem Ort fernhalten.“

Ein Grosser Primitivo
Ideal für den Barone Pazzo ist ein sehr bauchiges Glas mit verjüngter Öffnung. Der Wein verfügt über viele Aromen, welche sich erst durch Luftkontakt vollständig entfalten. Die schmälere Öffnung konzentriert das Bouquet und leitet es gezielt zur Nase. Einmal eingeschenkt, ist das großartige, fast schon undurchdringliche Rubinrot mti seinen violetten Reflexen eine Augenweide. Es folgt es volles und sehr breit gefächertes Aromabukett das zuerst an Sauerkirschen und Waldfrüchte erinnert. Daraufhin gesellen sich mildwürzige Noten von Kakao und Minze hinzu. Im Finale nimmt man neuerlich Noten von Sauerkirsche wahr. Dieser Eindruck der frischen Minzearomen setzt sich auch am Gaumen fort, wo die vegetabilen Noten noch deutlicher zur Geltung kommen. Der Wein gefällt insbesondere durch seine große Harmonie, seine Weichheit sowie durch seinen langen Nachhall. Sicherlich, auch ein gut gemachter Qualitäts-Zinfadel könnte diesem Wein ähneln wie ein Wassertropfen dem anderen. Jedoch ist der Barone Pazzo aufgrund seiner Geschichte und Machart, derjenige mit mehr Charisma. Der ungewöhnliche Name unterstreicht die Persönlichkeit dieses Weines noch, der garantiert nicht in der Masse an Etiketten untergeht.