Primitive Parlamentskultur: Peinlich pöbelnder Pofalla

Erstellt am 2. Oktober 2011 von Jacobjungblog

02.10.2011 – Die jüngsten Ausfälle von Kanzleramtsminister Ronald Pofalla haben sicher keine staatstragende Bedeutung. Allerdings zeichnen sie ein deutliches Bild der politischen Kultur in Berlin, des Zustands von Union und Koalition und des starken Druck, unter dem Angela Merkels Schattenmann angesichts der ESFS Abstimmung wohl gestanden haben muss.

Anders sind seine Attacken gegen Wolfang Bosbach kaum zu erklären, den Pofalla Medienberichten zufolge am vergangenen Montag vor anderen Parlamentariern beleidigt und beschimpft hat. Das Vergehen des Vorsitzenden des Innenausschusses des Bundestags: Er hatte sich öffentlich dazu bekannt, dem Antrag der Regierung auf eine Ausweitung des ESFS am 29. September 2011 aus Gewissensgründen nicht zustimmen zu können.

Merkel hat ihre Kanzlermehrheit trotzdem erreicht. Pofalla war sich dessen scheinbar im Vorfeld nicht sicher und übte daher massiven Druck auf Abweichler in den eigenen Reihen aus.

„Ich kann Deine Fresse nicht mehr sehen“

So tönte Pofalla am vergangenen Montag gegenüber Bosbach. Als dieser in freundlicher Form auf seine im Grundgesetz garantierte Entscheidungsfreiheit aufmerksam machte, legte der Kanzleramtsminister nach: „Ich kann den Scheiß nicht mehr hören. Du machst mit Deiner Scheiße alle Leute verrückt.“

Der Vorfall hatte sich nach einem Treffen der NRW-Landesgruppe ereignet. Anwesende Politiker hatten verschiedenen Zeitungen hierüber berichtet.

Mittlerweile hat man sich besonnen und öffentlich bekannt gegeben, der Konflikt sei beigelegt. Angeblich hat sich Pofalla bei Bosbach per SMS entschuldigt. Auch von einem Telefonat war die Rede, ebenso wie von einem anstehenden Vieraugengespräch im Kanzleramt.

In den Reihen von Union und FDP zeigt man sich über Pofallas Attacke empört. CSU-Chef Seehofer nahm Bosbach in Schutz und betonte: „Er ist bestimmt kein Querulant“. CDU-Abgeordnete Erika Steinbach sprach von „Mobbing“ und Ervin Lotter von der FDP-Fraktion im Bundestag sagte: “Mit seinen Ausrastern vergiftet Herr Pofalla nicht nur das politische Klima in seiner eigenen Fraktion, sondern in der gesamten schwarz-gelben Koalition.”

Das Lotter in diesem Zusammenhang von „Ausrastern“ spricht legt die Vermutung nahe, dass Pofalla nicht zum ersten Mal mit unpassenden Ausbrüchen aufgefallen ist.

Ronald Pofalla: Agent im Auftrag Ihrer Majestät

Bei der Beurteilung der Affäre darf man nicht vergessen, dass Ronald Pofalla in seiner Funktion als Kanzleramtsminister den Schattenmann von Angela Merkel gibt. Wenn er es für nötig hielt, die Kanzlermehrheit in Sachen EFSF zu forcieren, dann geschah dies im Auftrag und auf Verantwortung seiner Herrin. Und die sieht sich jetzt bereits den ersten Forderungen ausgesetzt, Ronald Pofalla zu entlassen, um einen weiteren Imageschaden abzuwenden.

Für den Kanzleramtsminister könnte es dabei durchaus schwierig werden, ein Anschluss-Engagement zu erhalten. Wenn immer er sich in der Vergangenheit versuchte in die Öffentlichkeit zu spielen, gingen seine Offensiven gründlich daneben.

So setzte Pofalla im Sommer 2007 Linke und NPD gleich, bezeichnete beide Parteien als radikal und warnte die SPD vor Koalitionen mit der Linkspartei in den Bundesländern. 2008 machte er zudem mit der Äußerung „Kernkraft ist für die CDU Öko-Energie“ auf sich aufmerksam.

Seine jüngsten Ausbrüche gegenüber Wolfgang Bosbach bestätigen das Bild eines unbeherrschten Politikers mit schlechten Manieren und wenig Gesprächskultur, der in den vorderen Reihen der Politik nicht zu gebrauchen ist.

Für Angela Merkel kommt die Affäre um ihren Adlatus zur Unzeit. Die Kanzlerin hatte vor der Abstimmung über den ESFS immer wieder betont, es ginge hierbei weder um parteipolitisches Kalkül noch um ihre Person sondern ausschließlich um die Sache. Stellt sich jetzt heraus, dass sie selber die Anweisung zur massiven Einschüchterung von Abweichlern gegeben hat, dann gerät die Kanzlerin in Erklärungsnot.

Der Rückhalt der Bevölkerung in Bezug auf die Euro- und Schuldenpolitik der Bundesregierung ist ohnehin gering.  Bundestagspräsident Norbert Lammert wurde seitens seiner Fraktion dafür angefeindet, dass er sich dafür eingesetzt hatte, dass im Bundestag auch zwei ESFS-Abweichler zur Wort kamen.

Das Verhalten von Ronald Pofalla vervollständigt jetzt das Bild einer Regierung, die anstelle eines demokratischen Diskurses auf Zwangsmaßnahmen, Druck und Einschüchterung setzt, um ihre politischen Ziele durchzusetzen. Dies dürfte nicht nur die Vorstellungen der Mitglieder und Wähler enttäuschen, die in der heutigen CDU den christlichen Charakter vermissen.