Bundesarbeitsgemeinschaft
Kritischer
Polizistinnen und Polizisten
(Hamburger Signal) e.V.
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Samstag, 23. Oktober 2010
QUELLE: j9uwizulfh1g88p3z2vplnlu3.pdf
P R E S S E M I T T E I L U N G, Nummer 3
Zu dem um das Bahnprojekt „Stuttgart 21“ durch staatliche Organe mit rechtswidrigem Handeln, Täuschen, Tricksen und Tarnen eskalierten Konflikt werden in massiver Weise Fakten unterdrückt. Unstreitig werden erkennbar Lügen aus der Polizei Stuttgart/Baden-Württembergs (Ba-Wü) wie auch der Landesregierung von Ba-Wü mit der Zielsetzung in die Welt gesetzt, die
Durchsetzung des Projektes mit auch unrechtmäßigen Mitteln zu erreichen. Die erste größere Falschbehauptung aus Polizeipräsidium und Innenministerium, wonach am 30.09.2010 Pflastersteine geflogen seien, musste schein-souverän zurückgenommen werden. Zu unseren Pressemitteilungen (PM) vom 2. und 19. Oktober 2010 möchten wir noch folgende Ergänzungen und Darlegungen hinzufügen:„“Helden“ der inneren Sicherheit + Ordnung“
oder:
„Polizeibeamte sind nicht nur die bemitleidenswerten Vollstrecker politischer Fehlplanungen.“
(Das war schon im Anti-AKW-Widerstand, bei der Startbahn West und anderswo der Fall)
I. Ein wahrer „Held“ der inneren Sicherheit und Ordnung
Auf dem Video, das von der Homepage des Polizeipräsidiums in Stuttgart (:http://org.polizei-bwl.de/ppstuttgart/Seiten/Stuttgart21Video.aspx mit dem Titel „Gewalt gegen Polizeibeamte“ angeklickt, geöffnet und angesehen werden kann, geht nicht die ganze Wahrheit hervor. Dort ist nach einer Minute und 3 Sekunden bis zu 1:11 zu sehen, wie sich aus den Reihen der DemonstrantInnen plötzlich eine vermummte Person auf die PolizeibeamtInnen – perfekt für die Aufnahmen durch die Polizeikamera, also wie „gestellt“ – zubewegt und diese unvermittelt mit Pfefferspray (?) attackiert. Diese Person taucht sofort wieder ab. – Dort endet die Sequenz, die die Stuttgarter Polizei unter anderem den Parlamentariern zeigte, um den Titel des Videos „Gewalt gegen Polizeibeamte“ zu belegen.
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Es gibt glücklicherweise Filmaufnahmen von VersammlungsteilnehmerInnen, die die Abläufe nach Ende des offiziellen Videos darstellen. Sie zeigen deutlich, wie der „Pfeffer“Sprayer nach seinem Angriff auf die PolizeibeamtInnen und nach Abtauchen von anderen Vermummten an den Weg geleitet wird. Und wohin wird der Täter gebracht? Richtig: Zu PolizeibeamtInnen. Mitten in die Reihen der Polizei hinein. War dies gar eine durchgeführte Festnahme? Natürlich nicht. Diese Vorgehensweise dient lediglich der Sicherung des Täters. Er wurde von seinen KollegInnen zu seinem Schutz in einen Schutzraum geleitet, weil er nur
so tat, als würde er den Widerstand gegen „Stuttgart 21“ unterstützen wollen. In Wahrheit handelt es sich um einen von Steuergeldern finanzierten Agent Provocateur, der sogar noch selbst zum Täter geworden ist, aber straffrei bleiben „muss“.
Wir hatten bereits am 19. Oktober ausgeführt, dass sich Teile der eingesetzten Polizeikräfte wie organisierte Banden verhielten. Dieser Fall ist ein – wirklich bloß ein – Beispiel für diese äußerst unangenehme wertende Beschreibung. PolizeibeamtInnen als Bande? Nein, noch schlimmer, denn im Grunde handelt es sich um organisierte Kriminalität (OK) im Sinne der etwas diffusen offiziellen Beschreibungsformel für OK: Hier handelten mehr als zwei Personen dauerhaft mit kriminellen Mitteln, um Einfluss auf
Politik, Verwaltung und auch die Öffentlichkeit zu nehmen…
Typisch für dieses Fallbeispiel ist auch, dass – ähnlich wie bei der Demo „Freiheit statt Angst“ im September 2009 in Berlin – BürgerInnen ermitteln und Beweise sichern bzw. diese liefern müssen. Die dazu berufenen staatlichen Personen weigern sich ihrer Pflicht nachzukommen. Uns kann niemand erzählen, dass die Videotrupps der Einsatzkräfte den weiteren Handlungsablauf nicht dokumentiert hätten. Die Beweise werden, wie so oft, wenn es für die Polizeien peinlich wird, unterschlagen. Glücklicherweise gibt es auch noch Aussagen von ZeugInnen, wie dieser Knecht (der angebliche Pfeffersprayer von „Stuttgart 21“-GegnerInnen) zwischen den Reihen ungehindert hin- und herswitcht:
- Wie viele KollegInnen der eingesetzten PolizeibeamtInnen machen bei einem solch Staats – und Demokratiezersetzenden Verhalten noch mit?!
- Wie viele (und welche!) Ministerialschranzen im Polizeipräsidium Stuttgart, dem Innenministerium Ba-Wü´s, der Staatsanwaltschaft plus Justizministerium und der Staatskanzlei wussten und wissen davon? Was noch ein Problem der Sonderklasse darstellt: Gegen Träger von Staatsämtern und halt auch gegen sogenannte kleine PolizeibeamtInnen verschwinden immer wieder belastende Beweise. Mal ist „plötzlich“ etwas gelöscht (Tonaufnahmen, Videos, Festplatteninhalte), ein anderes Mal ist etwas auf dem Postweg verloren gegangen usw. usf. Die Pressesprecherin der Stuttgarter Staatsanwaltschaft (StA) ließ auf Anfrage zu diesem Geschehen verlauten, dass man gegen diesen unbekannten Täter kein Ermittlungsverfahren eingeleitet hätte. Das muss mehr als verwundern, denn der Verdacht einer Straftat liegt vor und Verfahren gegen „Unbekannt“ sind Standard. Außerdem: Bei Straftaten gegen PolizeibeamtInnen werden alle Register gezogen. Normalerweise.
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Alleine dieses Vorgehen der StA Stuttgart lässt unsere Vermutung zu einer realistischen Hypothese aufsteigen, dass die StA in dieses perfide gemeinwohlschädliche und zersetzende Vorgehen eingeweiht ist. Und zu dem was von der zuständigen Staatsanwaltschaft, die hier selbst involviert ist, zu erwarten sein wird, haben wir in unserer PM vom 19.10.10 bereits
ausführlich Stellung genommen. Ganz anders wird selbstverständlich bei sogar dem einzigen absoluten Strafantragsdelikt, dass
im StGB vorhanden ist, vorgegangen, wenn es um „Stuttgart 21“-GegnerInnen geht. Nicht bloß bei der symbolischen Besetzung des Bahnhofsgebäudes am vergangenen Samstag…
II. Noch ein „wahrer“ Held der inneren Sicherheit und Ordnung
Wir wurden seit der Presse-Veröffentlichung vom 19. Oktober 2010 wieder vielfach – gerade aus KollegInnenkreisen – angeschrieben, warum wir den POK Rene Marek mit bürgerlichem Namen outen, dass dieser (und seine Familie) nun Gefahr liefe, belästigt zu werden, und warum wir es bei ihm mit dem Datenschutz nicht ernst nähmen. Dazu erklären wir bei dieser Gelegenheit, dass nach unserer festen Überzeugung viel häufiger so gearbeitet werden müsste, solange die Polizeien, die Parlamente und Regierungen – dort im besonderen Innen- und Justizministerien – mit heuchlerischen Scheinbegründungen dafür
Sorge tragen, dass gerade bei Versammlungen solche PolizeibeamtInnen, die im Verdacht stehen, Straftaten begangen zu haben und viel zu häufig auch tatsächlich welche begehen, nicht identifiziert werden können. In diesem Zusammenhang können wir schlichtweg nicht mehr an die Häufung von Zufällen glauben.
Wir nehmen Bezug auf unsere Stellungnahme für den Landtag in Schleswig-Holstein (s. a.:
http://www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl17/umdrucke/0700/umdruck-17-0759.pdf bzw. das gulli.com-Interview aus dem Februar 2009, Teil 2: http://www.gulli.com/news/kritische-polizisten-ber-willk-r-polizeigewalt-2010-01-25,
über Beweisunterdrückung, der Mauer des Schweigens und Kennzeichnungspflicht).
Im Grunde genommen müsste dieser Polizeibeamte bei jeder/m BürgerIn, die er in dem betreffenden Foto mit Pfefferspray eindeckt, gleich noch seine Visitenkarte mit hinterlassen, weil er ja so ein „Held“ ist. Und die bereits beschriebene Tatsache, dass kein – nicht einer (!)
– Kollege in seinem unmittelbaren Umfeld, interveniert, belegt eben auch, was wir Kritische PolizeibeamtInnen aus vielfältigen Konstellationen selbst erlebt haben bzw. wissen: Dieser Typus von Polizeibeamten gilt in gewissen KollegInnenkreisen als „Held“, das sind die Heroen und schlechten Vorbilder. So lange also die Instanzen, die in unserer repräsentativen Demokratie mit ihrem Anspruch, das staatliche Gewaltmonopol anzuwenden, so jämmerlich versagen, weil sie vor den nachgeordneten Interessen der drei großen Polizeigewerkschaften einknicken, und keine Prävention (Polizeibeauftragte und Kennzeichnung) gegen Polizeigewalt bzw. eine effektive Repression möglich machen, so lange sollten Organisationen wie unser Berufsverband, die Ermittlungs-ausschüsse und Initiativen, wie „Bürger beobachten, die Polizei bei ihrer Arbeit“ derartige Veröffentlichungen vornehmen.
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Wenn alle anderen Instanzen versagen, muss man selbst für Öffentlichkeit sorgen, es geht leider nicht anders. Und da der Kollege Marek bereits vielfältig in dem Stuttgarter Innenstadtrevier auffiel, viele BürgerInnen unter anderem durch die gegen ihn eingereichten Strafanzeigen natürlich auch seinen Klarnamen erfuhren, er aber gleichwohl trotz seines „engagierten“ Dienstverständnisses noch keinen Unannehmlichkeiten ausgesetzt war, so stellt dieses Personenbeispiel auch ein treffendes Beispiel für die zweckverfremdende Polizeilyrik gegen die Kennzeichnungspflicht dar. Im übrigen bestätigt auch dieser Einzelfall die empirisch belegte These, dass jeder Polizeiskandal nahezu immer auch ein Skandal der zuständigen Staatsanwaltschaft darstellt. Denn auch bei dem Kollegen Marek wurde immer wie folgt verfahren: eingestellt, eingestellt, eingestellt… – Dieses Muster ist bundesweit typisch.
Die Empathie, die Fürsorge und Unterstützung, die seitens der KollegInnen gegen Beamte aufgebracht wird, ist erst dann glaubhaft und wirkt nur dann seriös, wenn Ähnliches für wirklich alle Opfer polizeilichen Handelns stattfände.
Mit freundlichen Grüßen Thomas Wüppesahl, für den Vorstand
(Bei elektronischem Versand ohne Unterschrift)