Nachdem das Interesse an den Szeneläden in Prenzlauer Berg ja überraschend lebhaft war, habe ich noch einige Fotos mit markanten Fassaden herausgesucht. Diese zeigen eine Entwicklung, wie sie nicht nur für Prenzlauer Berg typisch ist, sondern mittlerweile für so ziemlich alle Berliner Innenstadtbezirke. Ich würde aber schon sagen, dass der Vorher-Nachher-Effekt gerade in Prenzlauer Berg extrem ist.
So sah es in den 90er Jahren noch überall aus: Unsarnierter Altbau in Prenzlauer Berg
Und so sieht es gegenüber aus: Zeitgenössischer Neubau.
Insbesondere die Bezirke, die direkt an die Mauer grenzten, wurden jahrzehntelang besonders vernachlässigt, während in den Außenbezirken neue Plattensiedlungen mit standardisierten Komfortwohnungen wucherten – was in Ost- und Westberlin gleichermaßen der Fall war. Allerdings hatten die Westberliner auf ihrer kapitalistischen Insel im sozialistischen Umland weniger Platz. Hier bildete sich schon mehr als ein Jahrzehnt vor der sogenannten Wende eine Hausbesetzer-Szene, die sich vor allem aus jungen Menschen rekrutierte, die auf der Suche nach bezahlbaren Wohnraum waren und gleichzeitig irgendwie anders als ihre Spießer-Eltern leben wollten. Klar gab es auch ein paar Alt-Hippies, die endlich ihre alternativen Ideen von Besitz und Gemeinschaft ausleben wollten.
Natürlich waren die Hausbesetzer nicht überall hochwillkommen, aber es gab eine ganze Reihe von Projekten, bei denen die Hausbesetzungen durch günstige Kauf- oder Mietverträge legalisiert werden und die Besetzer sowohl ihre Vorstellung von Gestaltung und Ausstattung ihres Wohnraums als auch günstige Mieten durchsetzen konnten. Auf diese Weise wurde einiges an Altbaubestand vor der damals üblichen Abriss-Sanierung ganzer Viertel gerettet.
Noch ein typischer Prenzlauer-Berg-Altbau. Viele gibt es davon allerdings nicht mehr.
Und noch ein typischer Prenzlauer-Berg-Neubau.
Nach dem Fall der Mauer war der bisher verschnarchte Prenzlauer Berg plötzlich attraktiv, weil es hier in zentraler Lage massenweise herunter gekommene und deshalb günstige Wohnungen gab – in den Westbezirken waren die Pfründe ja längst verteilt. Dazu kommt, dass Prenzlauer Berg vergleichsweise großzügig angelegt wurde – die Straßen sind oft deutlich breiter als in anderen zentralen Bezirken wie Kreuzberg, Friedrichshain, Schöneberg oder Wedding und die Bebauung wirkt nicht ganz so dicht, obwohl sie fast flächendeckend aus massiven, meist fünfgeschossigen Gründerzeithäusern besteht. Es gab zahlreiche Brauereien, deren prächtige Ziegelbauten noch immer beeindrucken und dann liegt der Bezirk, wie der Name schon nahelegt, tatsächlich auf einer Anhöhe, auf der zu früheren Zeiten Windmühlen standen.
Blick vom großen Wasserspeicher entlang der Straßburger Straße Richtung Mitte.
All das trägt dazu bei, dass Prenzlauer Berg an vielen Stellen nicht ganz so eng und trist wirkt wie andere Gegenden in Berlin. Die Reichshauptstadt hatte Anfang des 20. Jahrhunderts nicht umsonst den Ruf, Europas Mietskaserne zu sein. Genau genommen ist Berlin das ja noch immer, auch wenn sich die Berliner Regierenden bemühen, die deutsche Hauptstadt auch als politisches Zentrum, als Partyhauptstadt oder als Kulturstandort zu etablieren. Derzeit ist Berlin dank Banken-Skandal, S-Bahn-Chaos und BER-Absturz allerdings eher als geldverschlingende Pannenhauptstadt berüchtigt.
Kollwitzstraße Ecke Belforter Straße. Man beachte: Beide Eckhäuser sind Neubauten. Zum Teil wurden ganze Blocks in Altbau-Optik neu hochgezogen.
Wie auch immer: Die Entwicklung vom tristen Arbeiterbezirk zu einem Qualitätswohnviertel für das zahlungskräftige Bürgertum ist in Prenzlauer Berg besonders rasant verlaufen. Deshalb ist dieser Bezirk ein ideals es Vorzeigebeispiel sowohl für Stadtendwickler als auch für Gentrifizierungskritiker.
Frisch sanierte Altbaufassaden in der Straßburger Straße.
Typische Straße in Prenzlauer Berg: Alte Brauereigebäude, breiter Bürgersteig mit Bäumen, frisch gemachte Fassaden.