Preis für sozialen Menschenrechte für den Mieterprotest Kosmosviertel

Von Andrejholm

Das Bündnis Mieterprotest Kosmosviertel wurde gestern von der Eberhardt-Schultz-Stiftung mit dem Sonderpreis für soziale Menschrechte 2018 geehrt. Zurecht, denn die Initiative setzt sich seit Jahren für die Durchsetzung von Mieterinteressen im Kosmosviertel ein und stellt sich mit ihrem Engagement für das Recht auf Wohnen gegen die privaten Gewinnabsichten eines privaten Unternehmens.

In der rbb-Abendschau gab es einen kurzen Bericht anlässslich der Preisverleihung.

Ich durfte die Laudatio zu Sonderpreis halten. Den Text gibt es auch hier zu lesen:

Laudatio zum Sonderpreis „Soziale Menschenrechte“

Der Sonderpreis für „Soziale Menschenrechte“ im Jahr 2018 wird dem „Bündnis Mieterprotest Kosmosviertel“ verliehen.

Stellvertretend für viele Mieterinitiativen in Berlin und anderen Städten steht das „Bündnis Mieterprotest Kosmosviertel“ für den unermüdlichen Einsatz von engagierten Mietergruppen auch in Zeiten von Immobilienspekulation und steigenden Mieten das Recht auf Wohnen zu verteidigen.

Die Geschichte des Kosmosviertels in Alt-Glienicke am Stadtrand von Berlin zeigt exemplarisch, wie die Mieterrechte unter die Räder geraten, wenn Wohnen vorrangig als Immobilie und nicht als zu Hause gesehen wird.

1990 als vermutlich letzte fertiggestellte Neubausiedlung des DDR-Wohnungsbauprogramms besteht das Kosmosviertel aus etwa 50 größeren Wohnblöcken mit insgesamt 2.500 Wohnungen. Wie üblich in vielen DDR-Siedlungen wurden die Wohnungen in städtischer und genossenschaftlicher Trägerschaft errichtet. Der größte Teil der kommunalen Wohnungsbestände wurde nach der Wiedervereinigung der landeseigenen Wohnungsbau-gesellschaft Stadt und Land zugeordnet. Mit dem Beginn der Privatisierungsaktivitäten wurden 1996 wurden drei Viertel der Bestände im Kosmosviertel an einen privaten Investor aus München verkauft und werden seither von einer privaten GmbH verwaltet.

Während die Stadt und Land und die Altglienicker Wohnungsgenossenschaft AWG ihre Wohnungen seit Ende der 1990er Jahren Stück für Stück modernisiert und die Fassaden neugestaltet haben – tat sich in den privat verwalteten Häusern nichts. Die Schönefeld Wohnen GmbH setzte auf die Strategie von niedrigen Mieten und noch geringeren Ausgaben. Bis 2016 wurden die Häuser ohne jede Investition dem baulichen Verschleiß preisgegeben.  Kaputte Fenster, Schäden an den Fassaden, Wasserschäden, Ausfall von Heizungsanlagen, defekte Fahrstühle sind das Ergebnis von 20 Jahren Desinvestition. Die Rechnung der Eigentümer ging dennoch auf, denn viele Haushalte mit geringen Einkommen waren auf die günstigen Mieten im Kosmosviertel angewiesen. Wo das Einkommen nicht reichte, konnte sich das Unternehmen auf die staatlichen Zahlungen der Kosten der Unterkunft verlassen – Hartz IV wurde hier zum Geschäftsmodell.  Das Kosmosviertel gehört inzwischen zu den ärmsten Stadtteilen Berlins. 50 Prozent der Haushalte sind Alleinerziehende, knapp ein Viertel bezieht staatliche Transferleistungen und die Kinderarmut liegt bei weit über 50 Prozent.  In den Wohnblöcken der Schönefeld Wohnen dürften all diese Zahlen noch deutlicher ausfallen.

In der internationalen Stadtforschung werden Vermieter, die darauf setzen, mit niedrigen Mieten in vernachlässigten Beständen Gewinne zu generieren, als „Slumlords“ bezeichnet.   Bekannt ist auch, dass solche Desinvestitionsstrategien in der Regel das Ziel haben, später mit aufwendigen Investitionen erhebliche Mietsprünge durchzusetzen. Dieser Punkt scheint jetzt im Kosmosviertel erreicht. Mit angekündigten und begonnenen Modernisierungsarbeiten versucht die Schönefeld Wohnen GmbH über die gesetzlich zulässigen Modernisierungsumlagen Mieterhöhungen durchzusetzen. Das perfide an den energetischen Sanierungen, die zurzeit durchgeführt werden sollen: Sie beschränken sich im Wesentlichen auf die Fassaden – eine Verbesserung von Steigleitungen, Fahrstühlen und vergammelten Installationen ist gar nicht vorgesehen. Für viele Mieterinnen und Mieter bedeutet das: die Miete wird steigen, ohne dass es eine wirkliche Verbesserung der Wohnqualität gibt. Wie in einem Potemkin’schen Dorf sollen nur die Fassade und der Mietpreis den Anschein des modernen Wohnens machen. Angesichts der sozialen Lage müssten viele Mieterinnen und Mieter ihre Wohnung und das Kosmosviertel verlassen – und das in einer Situation, in der überall in Berlin die Mieten steigen. Hier werden gerade jene verdrängt, die schon bisher keine günstigere Wohnung in der Stadt finden konnten.

Das Bündnis Mieterprotest Kosmosviertel mobilisiert seit 2017 gegen die ungewünschten Fassadenmodernisierungen und die unzumutbaren Mieterhöhungen. Mit Flugblättern, Protestaufrufen und Mieterversammlungen ist es der Initiative gelungen nicht nur die Nachbarinnen und Nachbarn zusammenzubringen und mit mietrechtlichen Informationen zu wappnen, sondern auch, die lokale Politik im Bezirk auf die Situation im Kosmosviertel aufmerksam zu machen. Doch trotz Gesprächen mit der Lokalpolitik, Offenen Briefen und Anträgen in der Bezirksverordnetenversammlung ist es bisher nicht gelungen, die Modernsierungen und Mietsteigerungen abzuwenden. Selbst Anzeigen von Baumängeln beim Bauamt verliefen sich ins Leere, so dass die Initiative nun selbst die Einreichung einer Sammel-Feststellungsklage vorbereitet.

Das Beispiel Kosmosviertel zeigt, dass sich Mieterinnen und Mieter nicht auf die Politik verlassen können, wenn es um das elementare Recht auf Wohnen geht. Der Mieterprotest Kosmosviertel steht aber auch für die Ausdauer, die Energie und das Selbstbewusstsein, sich selbst für die Interessen einzusetzen.

Dass sich die Mieterinnen und Mieter im Kosmosviertel von der Politik alleingelassen fühlen, ist keine Ausnahme. Viel zu oft noch wird den Investoren der rote Teppich bereitet und das soziale Wohnen einer privaten Gewinnmaximierung geopfert. Dass das Menschenrecht auf Wohnen immer über privaten Geschäftsinteressen stehen sollte, ist leider keine Selbstverständlichkeit. Der völkerrechtlich verbindliche UN-Sozialpakt von 1966 umfasst im Zusatzprotokoll auch die Versorgung mit angemessenem Wohnraum zu erschwinglichen Preisen – eine Ratifizierung und Unterschrift durch die Bundesregierung steht bis heute aus. Die Eberhard-Schultz-Stiftung für soziale Menschenrechte und Partizipation fordert zusammen mit vielen anderen Institutionen und gesellschaftlichen Gruppen seit Jahren die Umsetzung des Zusatzprotokolls, um soziale Menschenrechte auch in Deutschland gerichtlich einklagbar zu machen.

Die Entwicklungen im Kosmosviertel zeigen, wie notwendig eine solches politisches Bekenntnis wäre. Angesichts der politischen Ignoranz gegenüber den sozialen Menschenrechte, bleibt es die Aufgabe den Initiativen, wie dem Mieterprotest Kosmosviertel, das Menschenrecht auf Wohnen aktiv durchzusetzen. Für dieses Engagement wird dem Bündnis Mieterprotest Kosmosviertel heute der Sonderpreis Soziale Menschenrechte 2018 verliehen.

Herzlichen Glückwunsch und vor allem viel Kraft und eine möglichst große Unterstützung für eure künftigen Aktivitäten! Es geht nicht nur um die Miete, es geht um das Menschenrecht auf Wo