Einsparungen der Krankenkassen resultieren aus der Demontage der medizinischen Versorgung.
Die Überschüsse bei den Krankenkassen kommen nicht als Ergebnis eines gesunden Gesundheitssystems oder aus einem besonders wirtschaftlichen Betrieb der Krankenkassen daher und sind auch keine Folge einer gesünderen Bevölkerung. Es vielmehr verschiedene Bäche, aus denen sich dieser unerwartete „Reichtum-See“ der Krankenkassen speist.
– Krankenkassen sind verantwortlich für nicht auskömmlichen Budgets der Krankenhäuser
– Vor allem finanzieren sie nicht die Personalkosten im vollen Umfang, sie finanzieren eine Tarifsteigerung von 1,9%, den Rest müssen die Krankenhäuser durch Personaleinsparungen einspielen
– FOLGE: Mangel an qualifizierten Mitarbeitern in den Krankenhäusern mit der Aussicht, dass sich dieser Mangel vergrößern wird
– Die Organisation und Bezahlung in dem ambulanten Sektor (Niedergelassene Ärzte) ist immer noch dermaßen überreglementiert und weiter ohne eine reformierte Gebührenordnung für Ärzte unterwegs, dass wir auch im ambulanten Sektor immer weniger Interessenten erleben werden, die diese verantwortungsvolle und anstrengende Arbeit werden machen wollen. Schon heute müssen die Ärzte in die Praxissitze mit besonderen Anreizen motiviert werden, damit die Grundversorgung überhaupt flächendeckend für den Patienten erreichbar gewährleistet werden kann.
– Die Einsparungen der Krankenkassen resultieren aus der Demontage in diesen Bereichen, Krankenhaus und Arztpraxis.
Die Praxisgebühr ist ein anderes Thema und auch ein Bach, aus dem sich die Überschüsse speisen. Völlig ohne Not und ohne ordentliche Überlegung zu Abzocke der Patienten und zur Missbrauch der die Kassengebühr eintreibenden Ärzte eingeführt. Es ist eine Gebühr, die beide Seiten, Patienten und Kassenärzte dominieren, versklaven soll – in der Hoffnung, damit würden weniger Praxisbesuche anfallen.
Logischerweise ist die Menge an Praxisbesuchen gleich geblieben. Wenn wir alleine die chronisch kranken Menschen nehmen, die mindestens 30% der Klientel in der Praxis ausmachen, dann stellen wir fest, dass diese Patienten für jedes Rezept einer laufenden Behandlung in die Praxis kommen müssen. Anstatt wie in Schweden z. B. bei Dauerbehandlungen auch Dauerrezepte zu verschreiben, mit denen sich der Patient seine Medikamente immer wieder in der Apotheke holen kann.
Bei den Nervenärzten/Psychiatern sind die Abrechnungsmöglichkeiten dermaßen weit weg von der Realität einer vernünftigen Behandlung, so dass es hier in den meisten Fällen ohnehin nur zu 1-2 maligen Besuch/Quartal kommt. Völlig unzureichende finanzielle Organisation der nervenärztlich-psychiatrischen Versorgung.
Die Selbstbeteiligung der Patienten wird langsam unüberschaubar an allen möglichen Ecken betrieben. Krankenhausgebühr, Rezeptgebühr, Selbstbeteiligung an Hilfsmitteln und eben Praxisgebühr.
Auf der anderen Seite leben aus dem Etat des Gesundheitswesens immer mehr neue Berufsgruppen und Berufszweige, die mit der Behandlung des Patienten gar nichts zu tun haben. Diese neuen Kostenverursacher sind in Folge der Gesundheitsreformen entstanden und nicht Folge des medizinischen Fortschritts. Es sind Qualitätsmanager, Codier-Kräfte, Case-Manager, Bettenmanager, Marketing, Gutachter, usw., Coaching-Institute für bessere Nerven, um die erfolglosen Reformen aushalten zu können, aber vor allem, um gefügig gehorsam mit der Mangelverwaltung noch Überschüsse für fehlende Investitionskosten zu erwirtschaften.
Auch hier ist die Folge, dass die auf Pauschale reduzierte Medizin zwar medizinische Qualität und Fortschritt noch liefert, aber auf Kosten der Arzt-Patienten, Pflege-Patienten-Beziehung – die Behandlung wird durch die Pauschale zu Fließbandarbeit degradiert und das Fließband durch behandlungsunkundige Berufsgruppen optimiert.
Damit wird es den behandelnden Berufsgruppen unmöglich gemacht, in Ruhe eine Teamarbeit zu entwickeln – eine Arbeitsweise, die am besten geeignet wäre, effektive Fehlerkultur durch Risikomanagement im Team auch im Gesundheitswesen entstehen zu lassen. Daran sind aber weder die Regierungen noch die Kostenträger interessiert, denn dann hätten sie es wieder mit selbstbewussten und sozial kompetenten Ärzten und Krankenpflege zu tun – etwas, was sie gerade mit den Gesundheitsreformen erfolgreich beseitigt haben.
Die Gesundheitsreformen haben nur Probleme, Fragmentierungen, Fließbänder und Demotivation geschaffen. Die Ersparnisse sind Augenwischerei und wie man sieht, wecken sie gleich Begehrlichkeiten auf allen Seiten: die Pharmaindustrie schreit hier, der Bundesfinanzminister zweigt gleich paar Milliarden für die maroden Banken ab, usw.
Gerechtigkeit und Vernunft ist anders. Auf jeden Fall ist die Praxisgebühr eine Perversion des Systems und zeigt an, wie weit die Unfähigkeit vorangeschritten ist, Gesundheitsprozesse in Deutschland wirtschaftlich zu begleiten.
Die Praxisgebühr ist ein untaugliches Lenkungsmittel und hat das Ziel völlig verfehlt. Die Praxisgebühr muss als Mittel zur Gängelung der Patienten und der Ärzte am besten im Konsens aller Parteien abgeschafft werden, denn sie haben sie alle auf den Weg gebracht. Die FDP hat für die Gesundheit am aller wenigsten getan, also kann sie sich mehr dahinter klemmen, dass wenigstens dieser Hilflosigkeitsrelikt abgeschafft wird. Damit wird die FDP in der Wählergunst keinen Sprung erreichen, aber wenigstens einen neoliberalen Betrug an den Patienten und Ärzten helfen zu beseitigen.
Es wird also interessant sein, wer für eine freie und gerechte medizinische Versorgung eintreten wird. Drei Wahlen stehen vor der Tür und in jedem der Bundesländer ist Gesundheitswesen ein Problem für das Bundesland.