Der Mann steht zurzeit im Dauereinsatz. Kaum eine Ausgabe der Tagesschau, in der Horst-Michael Prasser nicht mit ernstem Blick die Lage im AKW Fukushima analysiert. Als Experte ist der ETH-Professor und Leiter des Laboratoriums für Kernenergiesysteme der Mann der Stunde. Und solange es in Fukushima qualmt und strahlt, ist er offensichtlich ein Gesprächspartner, um den man nicht herumkommt.
Was dabei weder erwähnt noch thematisiert wird: Bei aller Fachkompetenz ist Horst-Michael Prasser weit davon entfernt, unabhängig zu sein. Prassers Lehrstuhl an der ETH wird von Swissnuclear finanziert, der Vereinigung der Schweizer AKW-Betreiber, die damit sicherstellen wollen, dass ihnen das qualifizierte Personal nicht ausgeht. Prasser macht aus seiner atomfreundlichen Haltung denn auch keinen Hehl: «Ich war Befürworter der Kernenergie, lange bevor ich von einer akademischen Auswahlkommission an die ETH Zürich berufen wurde», erklärte er noch im November gegenüber dem «Rheintaler».
Ein Spezialist für Kernenergiesysteme als Atombefürworter? Zugegeben: Da hält sich die Überraschung doch in engen Grenzen. Interessant ist jedoch, wie es der in diesen Tagen Vielzitierte mit den Medien hält. Prasser ist nämlich nicht nur Lehrstuhlinhaber und Katastrophenexperte, sondern auch Leserbriefschreiber – und Kursleiter für Leserbriefschreiber. Am Herbstseminar der Schweizerischen Gesellschaft der Kernfachleute (SGK) hielt Prasser am 11. November 2008 ein Referat zum Thema «Medien und Kommunikation». Die Powerpoint-Präsentation dazu, die jetzt im Internet kursiert, zerstreut die letzten allfälligen Zweifel an der Haltung des Professors zur Atomenergie.
«Nicht andere Kernenergieanwender schlecht machen», rät denn etwa Prasser, oder auch «Vorsicht beim „Hochpowern“ neuer Kerntechnologien». Denn das würde ein «indirektes Schlechtmachen bewährter technischer Lösungen» – gemeint ist damit die heutige Atomtechnologie – bedeuten.
In der Präsentationen, auf der das offizielle Logo der ETH prangt, erfährt man denn auch Müsterchen und Preziosen aus der Vergangenheit des passionierten Leserbriefschreibers Prasser. Als es 1999 in Deutschland um die Gesamtlaufzeit für AKW ging, schrieb er etwa in der «taz»:
Und wehe, die Medien zitieren als Informationsquelle für einmal nur die eine – atomkritische – Seite. Ein Artikel in der «Welt» über Castor-Transporte, in dem eine Website von Greenpeace angegeben ist, verleitet Professor Prasser in seiner Präsentation zu geradezu kriegerischen Tönen:
Prassers damaliger Ratschlag an die Redaktion: Man soll doch bitte auch die Website von des französischen Atomunternehmens Cogema (heute: Areva) aufführen.
Da kann man sich natürlich überlegen, ob das auch andersrum gilt. Ob beispielsweise «Tagesschau» und «10 vor 10» vielleicht einmal einen anderen Experten zu Wort kommen lassen sollten. Einen Experten etwa, der sein Salär nicht von der Atomindustrie bezieht. Greenpeace würde mit Sicherheit jemanden finden.