Praktischerweise gedenken wir am besten der Toten

Von Medicus58

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GTL | 22.11.2013 | Kommentare (0)

Praktischerweise gedenken wir am besten der Toten

Die Stadt Wien hat kürzlich mit der Jüdischen Kultusgemeinde eine Unterstützung von 860.000 Euro für die Instandsetzung der jüdischen Friedhöfe in Wien zugesagt  (wien.orf.at/news/stories/2605811/).
Nahezu gleichzeitig vermeldete man einen "Sensationsfund" auf dem Jüdischen Friedhof in Alsergrund und sprach von einer neuen Touristenattraktion (wien.orf.at/news/stories/2592255/).
Bekanntlich verbietet der jüdische Glaube die Auflösung von Gräbern, da die Toten nur so ungestört auf die Ankunft des Erlösers warten können und erwartet von den Nachgeborenen die Erhaltung der Friedhöfe.
Im christlichen Glauben sieht man das weniger eng, auch wenn man sich z.B. mehrheitlich gegen eine Feuerbestattung aussprach. Ein Blick auf christliche Friedhöfe zeigt aber, dass - abgesehen von den Grüften und Mausoleen Prominenter - das durchschnittliche Grab nicht viel länger als 150 Jahre zu existierten scheint.
Trptzdem wäre es unpassend über unsere moralische Verpflichtung zu diskutieren, die jüdischen Gräber und Friedhöfe zu erhalten nachdem diejenigen jüdischen Generationen, die sich um die Erhaltung der Gräber kümmern hätten können erschlagen, vergast oder zumindest vertrieben wurden.
Weshalb ich überhaupt das Thema anspreche, ist das eigenartige Gefühl, dass mich auch schon in Krakau oder Prag befallen hat, wo - im Gegensatz zu Wien - schon länger das jüdische Erbe der Städte aggressiv touristisch vermarktet wird.
Hier besteht doch ein erklärungsbedürftiges Mißverhältnis:
In all diesen Städten wurden die Juden, als sie noch in großer Zahl die Straßen bevölkerten, von diesen in eigene Ghettos vertrieben. Das erste, noch nicht so genannte, wurde im 11. Jahrhundert in Speyer errichtet, angeblich zum Schutz der Insassen . In Venedig befanden sich ursprünglich Gießerein im Stadtteil Cannaregio und die Abschottung des Gettore diente dem Brandschutz 1516 beschloss die Republik dort alle jüdische Gemeinden hinzuverfrachten. Dass diese dort vor allfälligen Bränden nicht geschützt waren, schien man billigend in Kauf zu nehmen. Nachdem Papst Paul der IV. auch in Rom ein Ghetto errichtete folgten immer mehr Städte seinem christlichen Vorbild.
Wenn wir zu den beiden touristisch erfolgreichen jüdischen Friedhöfen in Krakau (Kazimierz) und Prag (Josefov)  zurückkehren, dann fällt auf, dass die Städte heute praktisch "judenfrei" sind.
Lebten vor dem 2. Weltkrieg in Krakau ca 70.000 Juden so hat die jüdische Gemeinde heute nur mehr rund 120 Mitglieder. Kraukau hatte 2013 übrigens 758.940 Einwohner!
Ähnliches Kann man von Prag sagen: Unter insgesamt 1.246.780 Pragern, bekennen sich derzeit 1600 zum jüdischen Glauben.
Es würde zu weit führen hier noch über die in Chile errichteten Denkmäler für die indianischen Ureinwohner zu berichten, die ebenfalls weitgehend ausgerottet wurden, ...
Jedenfalls scheint es leichter sich anderer Gruppen zu erinnern, wenn diese bereits außer Reichweite sind. In diesem Sinne sollte die touristische Nutzung jüdischer Friedhöfe sehr krritisch gesehen werde.
 

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