PP: Der Schleifer mit dem “guten Schmäh”

Max vom deutschen Fußball-Blog “ABENTEUER FUSSBALL” brachte am 4. Mai dieses Interview mit dem RAPIDHAMMER. Fast zur gleichen Zeit wurde Peter Pacult offiziell als neuer Cheftrainer von Rasenballsport Leipzig präsentiert. Hier das Interview von “ABENTEUER FUSSBALL”, zugleich ein “Farewell” an Peter Pacult


Peter PacultSpätestens seit dem Debakel der Leipziger Bullen gegen Holstein Kiel Mitte Februar war auch dem letzten Optimisten in der Messestadt klar, dass es auf der Trainerposition eine Veränderung geben müsse. Trotz großzügiger Mittel war es Trainer Tomas Oral nicht gelungen, in der Mannschaft ein Feuer zu entfachen, der Aufstieg in die 3. Liga wurde verpasst. Damit geriet das Projekt RB bereits im zweiten Jahr mächtig ins Stocken. Doch wer sollte diese schwierige Aufgabe übernehmen, bei der man als Coach die Pflicht (Aufstieg) erfüllen muss und ansonsten eigentlich nur verlieren kann?

Im April kam dann Bewegung in die Sache: Zunächst wurde bekannt, dass Peter Pacult (Bild links) – früher bei 1860 München und Dynamo Dresden der Übungsleiter – in Gesprächen mit Red Bull über ein Engagement in Leipzig ist. Dies wurde von Pacults ehemaligem Arbeitgeber Rapid Wien jedoch schnell dementiert, doch nur zwei Tage nach der Meldung war Pacult dann plötzlich entlassen. Vertrauensbruch war der Vorwurf. Vergangene Woche dann verkündete zunächst Tomas Oral seinen definitiven Rücktritt zum Saisonende, letztes Wochenende meldeten diverse Medien, Pacult sei fix in Leipzig und plane schon für die neue Saison. Alleine die offizielle Bestätigung von Seiten des Vereins stand bis Mittwoch Nachmittag noch aus.

Wolfgang, im Netz bekannt durch seinen Blog Rapidhammer, ist seit langen Jahren Fan des SK Rapid Wien, hat die Ära Pacult hautnah miterlebt und hat “ABENTEUER FUSSBALL” einige Fragen zum neuen RBL-Trainer beantwortet – mit interessanten, neuen Einblicken darauf, wie die Trennung in Wien abgelaufen ist. Außerdem kennt Wolfgang auch die andere, freundliche Seite des Peter Pacult und berichtet über dessen Trainingsmethoden.

Abenteuer Fussball: Am 9. April brachte die LVZ exklusiv die Meldung, dass Peter Pacult zur neuen Saison in Leipzig das Traineramt bei den Rasenballsportlern übernehmen wird. Schnell folgte ein Dementi aus Wien, wenige Tage, fast nur Stunden später war Pacult doch entlassen. Wie hast du diese ereignisreichen Tage erlebt? Hast du die Meldung für ein wildes Gerücht gehalten oder sie von Anfang an ernst genommen?

Wolfgang: Pacults Position war seit Monaten umstritten. Rapid kam in der Tabelle nicht so recht vom Fleck, Pacult traf nicht nachvollziehbare Personalentscheidungen, immer wieder hörte man vom schlechten Klima zwischen Mannschaft und Trainer. Das Verhältnis zum harten Kern der Anhänger, dem „Block West“, war schlecht wie schon lange nicht. Und nach dem Rücktritt von Sportdirektor Hörtnagl wollte Pacult keinen neuen Sportdirektor neben sich akzeptieren und ließ keine Gelegenheit aus, die „Unsinnigkeit“ eines für die erste Mannschaft zuständigen Managers aufzuzeigen. Und dann kam noch das Abendessen beim „Pfarrwirt“ in Döbling, das die Gerüchte über einen Wechsel zu RB überkochen ließ. Ich habe daher so wie die meisten Rapid-Anhänger nicht mehr geglaubt, dass Pacult seinen Vertrag bis 2012 erfüllen wird. Aber dass es so schnell mit Pacults Entlassung gehen würde, hat mich doch überrascht. Zuerst gab es am Sonntag, dem 10.4., die Pressemeldung, dass Pacult bestätigt habe, dass nichts an den RB-Gerüchten dran sei … und Montag Früh dann plötzlich die Entlassung wegen „Vertrauensverlust“! Auch wenn das Dementi am Sonntag niemand mehr so richtig geglaubt hat, die Entlassung nur einen Tag später war schon krass!

Abenteuer Fussball: War der ausschlaggebende Grund für Pacults Entlassung nur die verschwiegene Weinverkostung mit Didi Mateschitz, oder hat Rapid die Chance genutzt, sich einem Problem zu entledigen?

Wolfgang: Die Weinverkostung war sehr unschön, schließlich ist „Red Bull“ das erklärte Feindbild jedes aufrechten Rapid-Fans einschließlich Klub-Präsident Edlinger. Aber es war nur die Spitze des Eisbergs, in Wahrheit war das Verhältnis Präsidium – Trainer schon seit einiger Zeit nicht mehr das beste. Und ich halte die Sache mit der Pressemeldung vom Sonntag für eine taktische Meisterleistung von Rapid: durch die klare Absage an Red Bull, die man Pacult in den Mund gelegt hatte, tappte der Trainer, dem Ehrlichkeit sehr wichtig ist, in die Falle und war genötigt, dem Klub gegenüber zu sagen, dass man das „so nicht schreiben kann“. Damit musste PP sein Versteckspiel aufgeben und als er am nächsten Tag auch nicht zum Training erschien – ob entschuldigt oder unentschuldigt, wird von beiden Seiten unterschiedlich dargestellt – konnte Rapid mit gutem Grund von „Vertrauensverlust“ sprechen und die Entlassung verkünden.

Abenteuer Fussball: Pacult war knapp fünf Jahre Rapid-Coach. Wie beurteilst du diese Zeit aus sportlicher Sicht?

Wolfgang: Aus sportlicher Sicht hatte Rapid eine sehr erfolgreiche Zeit unter Pacult. Der 32. Meistertitel und die zweimalige Qualifikation für die Gruppenphase der Europa League, wobei jedes Mal mit Aston Villa ein Klub aus der englischen Liga ausgeschaltet wurde, sowie ein 3:0 Heimsieg gegen den HSV sind Erfolge, die uns in den letzten Jahren sehr viel Freude bereitet haben. Zu meiner Aussage in einem Artikel für ein schottisches Fanzine, „Pacult is the most successful manager of Rapid since Otto Baric and Ernst Dokupil who both reached a European Cup Winner’s Final in 1985 and 1996 respectively”, stehe ich nach wie vor, auch wenn man sich abgesehen vom schon heute legendären 3:0 gegen den damals ungeschlagenen deutschen Tabellenführer HSV in Wien in den EL-Gruppenspielen nicht gerade mit Ruhm bekleckern konnte. Pacult hat Rapid mit dem Erreichen der EL-Gruppenphase, in der Rapid jeweils die meisten Zuschauer aller beteiligten Klubs hatte, und dem Einbau junger unbekannter Spieler in die erste Mannschaft, die dann um hohe Transfersummen nach England, Schottland und Italien wechselten, viel Geld verdient. Heute steht der Klub nach vielen Jahren wieder schuldenfrei da – dafür ist Pacult keinesfalls allein verantwortlich, aber ohne ihn hätte es diese Erfolge sicher nicht gegeben.

Abenteuer Fussball: Menschlich gilt Pacult als schwieriger Typ, bei youtube finden sich Videos von Wortgefechten mit Journalisten. Karsten Oswald, unter Pacult Spieler bei Dynamo Dresden, bezeichnete ihn als “menschliche Katastrophe”. Was gibt es aus Wien zu diesem Gesichtspunkt zu berichten?

Wolfgang: Pacult ist ein äußerst eigenwilliger, aber auch ehrlicher Mensch, der sich wenig darum kümmert, wie das wirkt, was er sagt oder tut. Er hat immer „sein Ding durchgezogen“ und sich wenig darum geschert, wie das wirkte und wie andere damit zurecht kamen. Auch Erklärungen waren seine Sache nicht, weder beim plötzlichen Austausch seines Assistenteams vor zwei Jahren noch beim Wechsel des Tormanns im letzten Sommer. Solange die Erfolge da waren, kein Problem! Auch dass die Spieler angeblich von einem Tag auf den anderen nicht wussten, wann am nächsten Tag das Training stattfand, und dass Pacult bei Interviews gerne die Journalisten rüffelte, waren eben Pacult’sche Eigenheiten, die man hinnahm und auch amüsant fand. Aber seit es sportlich nicht mehr ganz so rund lief, stellte man den immer einsamer wirkenden Coach durchaus in Frage.

Auf die Spieler bei Pacults neuem Klub wartet sicher strenge Disziplin und ein hartes Training – Pacults Konditionseinheiten vor Saisonbeginn (Stichwort „Lauftraining“) sind gefürchtet – sowie ein eher wortkarger, autoritäter „Chef“, kein Kumpel. Pacult hat unter der harten Schale aber einen sehr sympathischen Kern, einen guten „Schmäh“ und kann abseits der Fernsehkameras sehr nett sein. Nach dem Training oder bei Fanklubtreffen konnte man einen durchaus freundlichen, zum Scherzen aufgelegten echten Wiener treffen. Wer auch diesen Pacult kennt, bedauert seinen wohl für beide Seiten unrühmlichen Abgang von Rapid umso mehr!

Abenteuer Fussball: Ist der Trainer und Mensch Peter Pacult verträglich mit der Red Bull-Philosophie? Glaubst du, er würde beim RB-Projekt in Leipzig Erfolg haben?

Wolfgang: Pacult ordnet dem Erfolg alles unter, hat bewiesen, dass er junge Spieler erfolgreich in die Mannschaft einbauen kann, und kennt auch den deutschen Fußball aus seiner aktiven und seiner Trainerzeit sehr gut. Für den geplanten „Durchmarsch“ von RB Leipzig in die Bundesliga könnte er der richtige Mann sein. Ich glaube, dass er in Leipzig durchaus Erfolg haben wird. Sobald das Ziel erreicht ist, wird sich aber Red Bull wahrscheinlich einen Trainer mit höherem „Glamour-Faktor“ holen.

Abenteuer Fussball: In Leipzig wächst der Bullen-Verein nur langsam, muss hart um die Gunst der Zuschauer kämpfen. In Salzburg ist es nun schon sechs Jahre her, dass sich Red Bull bei der damaligen Austria eingekauft hat. Ist dort dahingehend eine positive Entwicklung zu verzeichnen oder herrscht eher Stagnation?

Wolfgang: Seit die Bullen heuer weder in der Europa League noch in der österreichischen Bundesliga besonders erfolgreich ist, hat man in Salzburg mit einem Zuschauerrückgang zu kämpfen. Die Red Bull-Fans sind für mich zum Großteil „Schönwetter-Fans“, die bei Misserfolgen schnell das Interesse verlieren. Das Ziel, sich für die Champions League zu qualifizieren, wurde noch nie erreicht und in dieser Saison war man auch in der Europa League sehr schwach. Die Salzburger Mannschaft ist ein „Durchhaus“, jeden Sommer wechselt man das Spielerpersonal aus und kauft großteils Ausländer ein, da ist keine Kontinuität erkennbar. Kein Wunder, dass man mit einem solchen nicht eingespielten Team noch nie in die CL kommen konnte. Also: Stagnation und sogar Rückschritt. Man hört allerdings, dass sich das nun ändern soll, vielleicht sogar der aktuelle „Interimstrainer“ dauerhaft installiert werden soll. Mal abwarten…

Abenteuer Fussball: Zum Abschluss noch ein Blick zurück zu Rapid: Wie geht es bei den Hütteldorfern nach Pacults Abschied weiter?

Wolfgang: „Interimstrainer“ Zoran Barisic hat Pacult bis jetzt gut ersetzt, wird aber wohl nicht zum neuen Cheftrainer bestellt werden, zumal ihm die notwendige UEFA-Lizenz noch fehlt. Ich wünsche mir den besonnenen, zuletzt in Österreich sehr erfolgreichen Ex-Rapidler Peter Schöttel oder auch Eli Guttmann von Hapoel Tel Aviv als neuen Trainer. Die Bestellung wird wohl noch ein paar Wochen auf sich warten lassen, aber dann sollte wieder Ruhe im Verein einkehren, damit man die Vorbereitung auf die nächste Saison rechtzeitig und ungestört in Angriff nehmen kann. Viel hängt natürlich davon ab, ob man sich für den Europacup qualifizieren kann (ein 3. Platz in der Bundesliga oder der Cupsieg sind dafür notwendig). Am Mittwoch muss Rapid im Cup-Semifinale auswärts gegen Ried antreten. Da MUSS ein Sieg her, das ist klar! Und nächste Saison gehen wir natürlich auf den 33. Meistertitel los!

Vielen Dank an Wolfgang für die ausführlichen Antworten und interessanten Einblicke. Ihr könnt ihn auch bei twitter folgen, unter dem Account @rapidhammer.

PS: In Ried hat der SK Rapid das Cup-Semifinale gegen SV Ried “natürlich” verloren (1:2 nach 1:0-Führung)! Jetzt könnte es sehr eng werden mit der Qualifikation für die Europa League!

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