Ich denke in letzter Zeit wieder oft an Tantes Karten. Sie kommen mir in den Sinn, wenn ich die Verlautbarungen zu Merkel-Deutschland höre. »Leute glücklich. Klima mild. Alle satt. Alle finden Arbeit. Bis bald, eure Kanzlerin.« Ja, diese Wasserstandsmeldungen sind nichts anderes als Postkarten aus dem hiesigen Arkadien. Sie klingen alle immer gleich. Beständig dieselben Sätze, derselbe kurze Überblick über die Lage. Ich lausche den Klängen und denke an die Karte vom Balaton. Tante fuhr weg und wollte vielleicht nicht protzen, aber sie wollte unsere und ihre Erwartungen zementieren. Alles war gut und das musste auch fixiert werden. War es mal nicht so gut, schrieb sie es nicht. Auch das ein Vorgriff auf die Postkarten, die man uns heute wöchentlich reicht. Man schreibt nur auf, was jeder zu erwarten hofft. Bestätigung, nicht Information.
Der Chef der Arbeitsagentur erzählte diese Woche, dass Hartz IV das beste Programm aller Zeiten sei. Und Vollbeschäftigung stehe auch vor der Türe, fügte er hinzu. Ach, der Chef der BA. Der Weise. Der heißt nur so. Aber Postkarten aus Merkel-Deutschland kann er schreiben. Das ist seine Qualifikation. »Leute glücklich. Klima mild. Alle satt. Alle finden Arbeit. Bis bald, i.A. der Kanzlerin, euer Frank-Jürgen.«
In Arkadien gab es mal einen, der versprach, er würde die Steuererklärung auf Bierdeckelgröße schrumpfen. Das ist Jahre her und mittlerweile haben die Mikrokosmologen diesen geplanten Sprung ins Winzigkleine getoppt. Sie reduzieren jetzt den Gesamtzustand der Republik auf Postkartengröße. Mal schreibt der Weise eine, mal der Wirtschaftsweise, mal jemand auf unnachahmliche Weise. Selten waren Nomen so wenig Omen. Aber wir haben uns entwickelt. Von Höhlenmalern zu Kartenschreibern, von Postkartenmalern, die früher mal Amtsgeschäfte übernommen haben, zu Postkartenschreibern, die sie heute erledigen.
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