Portugals Entdeckungsfahrten aufgrund osmanischer Eroberung von Konstantinopel?

Wieso begannen die Entdeckungsfahrten in Westeuropa, anfangs besonders in Portugal? Hat das etwas damit zu tun, dass Konstantinopel (1453) von den Osmanen erobert wurde? Hat es ebenfalls damit etwas zu tun, dass die Osmanen wenig später (1517) sogar unter anderem Ägypten erobern konnten?

Oft hört oder liest man die simple Gleichung:

Seeweg nach Indien versperrt, nun suchen sie sich einen neuen Weg über die Südspitze Afrikas.

Das ist quasi schon Allgemeingut geworden, aber stimmt so diese Aussage eigentlich?


Angefangen sei also die "Blockade" mit der Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen. Richtig ist, dass in der Folgezeit das Schwarze Meer ein osmanisches Binnenmeer wurde, und fremden Schiffen der Zugang ggf. verwehrt wurde. Diese obige Gleichung hört sich aber oft so an, als wenn durch das Abschneiden des Seewegs nach Indien der Handel mit Gewürzen und anderen Gütern zum erliegen kam und deshalb die Entdeckungsfahrten begannen.

Dies stimmt so natürlich nicht, denn erstens kam der Handel nicht zum erliegen, sondern wurde rege weiter betrieben, nur eben diesmal mit meist muslimischen Zwischenhändlern, wie übrigens vorher zum Teil auch schon.

Zweitens rückte Venedig und andere als Zwischenhändler an die Stelle der vorherigen Händler, ja bauten ihren Zwischenhandel teilweise aus, auch wenn die Güter teurer wurden.

Drittens begannen die Entdeckungsfahrten schon vor der Eroberung Konstantinopels.

Viertens gab es für den Beginn des Expansionismus in Portugal weitere nicht zu vernachlässigende Gründe, die ich hier mal zusammenfasse, wie sie im Brockhaus von 2007 erwähnt werden.

Danach zitiere ich die Episode und Bedeutung, die die Osmanen nach der Eroberung Ägyptens einnahmen und ihre Konfrontation mit Portugal:


Einige Gründe, warum das Zeitalter der Entdeckungsfahrten gerade in Portugal begann:
  • Die Eroberung des relativ homogenen portugiesischen Landes, war nahezu 250 Jahre früher als in Spanien abgeschlossen.
  • Das Ende der sogenannten "Reconquista" und der Abschluss der Auseinandersetzungen mit Kastilien hatten allerdings eine Schicht von "Rittern" hinterlassen, die auf ein neues militärisches Betätigungsfeld brannten, zumal die Inflation des 15. Jahrhunderts auf der gesamten Iberischen Halbinsel ihre festen Geldeinkünfte reduzierte. Sie verfielen daher - wie im spätmittelalterlichen Europa allgemein üblich - auf Raub und Plünderung, um ihren Lebensstandard zu wahren.
  • Wichtiger für den portugiesischen Expansionismus im Sinne eines vorwärts drängenden Moments war auch das neue städtische Bürgertum, das im Bündnis mit der aufsteigenden absolutistischen Monarchie gegen den Adel seine Position gefestigt hatte.
  • Die verhältnismäßig stark geldwirtschaftlich organisierte Wirtschaft und die ebenso starke Verstädterung der Bevölkerung liefern weitere Erklärungen für den Vorsprung Portugals im europäischen Expansionismus.
  • Hinzu kamen erste Engpässe in der Versorgung der Städte mit Getreide und Zucker sowie mit Fisch und Fleisch als wichtigen Eiweißquellen. Die Erschließung neuer Fischfanggebiete, wie sie an der afrikanischen Nordwestküste vor der Tür lagen, war daher unzweifelhaft ein weiteres Motiv der frühportugiesischen Expansion. Das Fleisch bedurfte wiederum der Konservierung durch die Gewürze des Orients. Holz war ein weiterer Rohstoff, der angesichts der Entwaldung Südeuropas knapp wurde.
  • Im letzten Viertel des 14. Jahrhunderts und zu Beginn des 15. Jahrhunderts erlebte Portugal eine Goldknappheit wie nie zuvor. Zwischen 1383 und 1435 wurde keine einzige Goldmünze geprägt. Ebenso kam es zu einer Verknappung des Silbers. Der Grund für diesen Mangel an Edelmetallen lag zum einen in den Bedürfnissen der Krone, etwa den Rüstungskäufen im Zuge der Thronwirren, vor allem jedoch in den vorgenannten Versorgungsengpässen, die wiederum zu einem Abfluss von Gold und Silber und zu einer nationalen Geldkrise geführt hatten. Von daher war es nur natürlich, dass das Handel treibende Bürgertum im kolonialen Expansionismus einen Ausweg aus der Wirtschaftskrise sah.
  • Nach 1442 öffnete sich den Portugiesen der Zugang zu den afrikanischen Goldmärkten, die bis zur Entdeckung Amerikas Hauptversorger Europas mit diesem begehrten Edelmetall blieben.

Aus:
Suraiya Faroqhi: Geschichte des Osmanischen Reiches. 2000.:
Die osmanische Politik im Bereich des Indischen Ozeans
(1500-1600)
Um den überaus erfolgreichen Feldzug gegen das Mamlukenreich zu erklären, der dem Osmanischen Reich 1516/17 eine neue territoriale Dimension einbrachte, muß man einen Blick auf die portugiesische Expansion und den spätmittelalterlichen Handel im Roten Meer richten (1488 Umsegelung des Kaps der Guten Hoffnung, 1498 Landung an der westlichen Küste Indiens, 1515 portugiesische Besetzung der im Persischen Golf gelegenen Insel Hormuz). Im Verlauf des 15. Jahrhunderts hatten die ägyptischen Sultane versucht, durch die Pestverluste der Zeit bedingte Ausfälle an Steueraufkommen durch Handelsgewinne zu kompensieren. Dabei hatten sie den Transithandel in Waren aus Südasien zum Staatsmonopol erklärt; venezianische und genuesische Händler mußten die Waren, die sie exportieren wollten, fortan bei Beauftragten des Sultans kaufen. Deshalb lief der Versuch des portugiesischen Königs, seinerseits den Gewürzhandel zu monopolisieren, auf eine direkte Konfrontation mit den Sultanen Ägyptens wie Syriens hinaus. Die Lage wurde noch verschärft durch die Tatsache, daß im Verlauf des Spätmittelalters die Versorgung von Pilgern und Dauerbewohnern Mekkas und Medinas von ägyptischen Getreidelieferungen abhängig geworden war. Deshalb brachten die Fahrten der Portugiesen in das Rote Meer Gefahr für den geordneten Ablauf der Pilgerfahrt. Jedoch fehlte es den ägyptischen Herrschern an einer Hochseeflotte. Trotz der Interessengegensätze in Ostanatolien schloß der Mamlukensultan Kansuh al-Ghuri deshalb ein Bündnis mit den Osmanen, das ihm Flottenunterstützung im Roten Meer einbrachte. Die Zusammenarbeit der ungleichen Partner ließ jedoch zu wünschen übrig, und die Unterstützung Schah Ismails durch Kansuh al-Ghuri lieferte bald den Vorwand für den Angriff auf den Mamlukenstaat (1516/17). Es ist anzunehmen, daß auf osmanischer Seite auch die Absicht bestand, den lukrativen Handel im Gebiet des Roten Meeres zu kontrollieren. Leider ist diese frühe „Wirtschaftspolitik" osmanischer Sultane nur wenig dokumentiert.
Jedenfalls versuchten die Osmanenherrscher, auch an der indischen Westküste Einfluß zu nehmen. 1538 erschien eine große osmanische Flotte vor der Hafenstadt Diu, ohne daß es zu einer Konfrontation mit den Portugiesen kam. 1552 versuchte eine osmanische Flotte unter dem alten Kartographen und erfahrenen Nautiker Piri Reis, dem wir eine auf verlorenen Arbeiten des Kolumbus beruhende Amerika-Karte verdanken, den Portugiesen die Insel Hormuz abzunehmen. Das Unternehmen endete mit dem völligen Verlust der Flotte; ein Unterkommandant namens Seydi Ali Reis brachte eine Gruppe der Überlebenden in das Osmanische Reich zurück und hinterließ einen Bericht über das gefahrvolle Unternehmen. Ein größerer Feldzug im Indischen Ozean wurde danach nicht mehr unternommen. Doch lieferten die Osmanen Feuerwaffen samt Geschützmeistern an verschiedene Fürsten, die in Südasien gegen die Portugiesen kämpften.
In Venedig erkannte man schon früh, daß die Osmanen die kommende Macht im Gebiet des Roten Meeres waren, von deren Wohlwollen der Gewürzhandel in Zukunft abhängen würde; dies erklärt, daß die Signoria trotz aller vorausgegangenen Verluste an Stützpunkten im östlichen Mittelmeer vorsichtig taktierte.Überdies teilten venezianische und osmanische Kaufleute, und damit - in anbetracht der Steuereinnahmen - der Sultan selbst ein Interesse an der Wiederbelebung des Gewürzhandels durch das Rote Meer. Beide Seiten hatten deshalb ihren Vorteil davon, daß die portugiesischen Versuche, den Gewürzhandel über den Indischen Ozean zu monopolisieren, scheiterten und der traditionelle Handelsweg bis zum Ende des 16. Jahrhunderts seine volle Bedeutung bewahrte.

Weiterführende Informationen inklusive der Preisentwicklungen für Gewürze, etc. findet man u.a. hier, in googlebooks teilweise einsehbar:

Halil İnalcik: An economic and social history of the Ottoman Empire. Im Kapitel: The Indian Trade - Shifts in Spice Trade Route before 1500. ab Seite 315.

Oder in dieser Arbeit:

Abstract
Following the Ottoman conquest of Egypt and the Levant in 1516-17, administrators of the empire began to experiment with several innovative strategies to increase the total volume of the spice trade between the Indian Ocean and the Mediterranean, and to maximize the state's share of its revenues. These became progressively more sophisticated over time, until by the end of the 1560s a comprehensive infrastructure was in place, including a rationalized empire-wide tax regime for regulating private trade, a network of "imperial factors" who bought spices for the sultan in overseas emporiums, and an annual convoy of spice galleys that shipped cargoes of state-owned pepper from the Yemen to the markets of Egypt and Istanbul. All of this, combined with natural advantages of geography and the goodwill of Muslim traders in the Indian Ocean, enabled the Ottomans to mount a formidable challenge to the "pepper monopoly" of the Portuguese Estado da India.


aus:
Giancarlo Casale: The Ottoman Administration of the Spice Trade in the Sixteenth-century Red Sea and Persian Gulf. Journal of the Economic and Social History of the Orient, Volume 49, Number 2, 2006, pp. 170-198


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