Portugal: Tourismus wächst zweistellig, aber Menschen in Sorge um Einkommen

Von Alexander Kroll

Wie gut geht es der Algarve? Hervorragend, sagt Vitor Neto, Präsident des Unternehmerverbands NERA. In einer Stellungnahme verweist er darauf, dass die positiven Signale der beiden Vorjahre durch die Tourismusentwicklung 2016 bestätigt worden seien. Das sieht die Welt-Tourismusorganisation sogar für ganz Portugal so. Und wie steht es um das Wohlergehen der Portugiesen insgesamt? Eine jünste Studie des Statistikamts INE zeigt: Viele machen sich Sorgen um Arbeit und Einkommen. Wirtschaftsminister Cabral gibt sich indessen optimistisch und lobt deutsche Investoren.

Präsident Vitor Neto, Chef des Verbands der Algarve-Unternehmer

Zurück zur Algarve-Wirtschaft: Bis zum Jahresende rechnet Neto mit 14 Millionen Übernachtungen von ausländischen Algarve-Gästen, das wären 1,5 Millionen mehr als 2015. Den Inlandstourismus mit einrechnend, prognostiziert der NERA-Präsident insgesamt 18 Millionen Übernachtungen in den Beherbergungsbetrieben an Portugals Südküste.

Der Flughafen Faro wird nach dieser Vorhersage auf eine Million mehr abfliegende und ankommende Fluggäste kommen als im Vorjahr. Kürzlich konnte bereits der siebenmillionste Passagier gefeiert werden. Auch bei den anderen Indikatoren wie durchschnittliche Aufenthaltsdauer und Ertrag pro Zimmer sieht der oberste Interessenvertreter der Algarve-Unternehmer die Anzeichen für eine nachhaltig positive Entwicklung bestätigt.

Türkei, Frankreich, Belgien: Schwache Zahlen in Ländern mit Sicherheitsvorfällen

Unterdessen bestätigte die Welt-Tourismusorganisation UNWTO für die Monate Januar bis September 2016 zweistellige Zuwachsraten bei den Übernachtungen ausländischer Gäste nicht nur für Portugal, sondern auch für Spanien, Irland und Ungarn. „Schwache Ergebnisse“ hätten demgegenüber die europäischen Destinationen Türkei, Frankreich und Belgien gemeldet, so die Organisation in ihrem jüngsten Tourismus-Barometer. Im Berichtszeitraum habe ganz Europa ein Wachstum von zwei Prozent bei den internationalen Ankünften verzeichnet. Weltweit waren es vier Prozent.

Portugals Tourismus-Einnahmen stammen rund zur Hälfte aus der Algarve

Handtuch-Parade an einer „Betonburg“ der Algarve. Foto: Hans-Joachim Allgaier

Mit Blick auf die im Oktober veröffentlichten Ertragszahlen Portugals für die Monate Januar bis August 2016 spricht der NERA-Chef davon, dass der Tourismus seine Position als wichtigster Sektor für den Export von portugiesischen Waren und Dienstleistungen gefestigt habe. Neto rechnet mit einem Umsatzwachstum von gut neun Prozent bzw. einer Milliarde auf 12,5 Milliarden Euro in ganz Portugal. Damit erreiche der Tourismus einen bemerkenswerten Anteil von 17 Prozent aller portugiesischen Ausfuhren.

Allein auf die Algarve entfalle fast die Hälfte aller Einnahmen Portugals aus dem Tourismus. Der Verbands-Chef weist aber gleichzeitig darauf hin, dass der Tourismus nicht der alleinige Wirtschaftsfaktor der Algarve sei: „Die Wirtschaft der Algarve ist in der Tat ein Ganzes, in dem jeder Sektor Kraft daraus zieht, Teil eines integrierten und komplementären Handelns zu sein“.

Portugiesen mit gutem Lebensgefühl, aber Sorge um Arbeit und Einkommen

So unterschiedlich hat sich die portugiesische Zufriedenheit mit den wirtschaftlichen Bedingungen (blau), der Lebensqualität (rot) und dem allgemeinen Wohlergehen (schwarz) seit 2004 entwickelt. Quelle: INE

Am selben Tag, als sich Neto zum Zustand der Algarve-Wirtschaft äußerte, veröffentlichte die Lissaboner Statistik-Behörde INE neuste Indices zum Wohlbefinden der Portugiesen. Danach hat sich die Zufriedenheit mit den wirtschaftlichen Lebensbedingungen in Portugal nach dem Tiefpunkt 2013 nur wieder leicht erhöht – bis 2015 auf knapp 90 Prozent des Werts von 2004, so die vorläufigen Angaben. Bei gut 130 Prozent liegt hingegen die Zufriedenheit mit der Lebensqualität in Portugal. Der globale „Well-Being Index“ (WBI) rangiert ein Stück dahinter – bei 118,4 Prozent.

Insgesamt werden laut INE zehn Bereiche für die Bestimmung des globalen Wohlgefühls-Indexes abgefragt. Bildung, Umwelt sowie Bürgerbeteiligung und Regierungsführung seien im Berichtszeitraum unter den am besten bewerteten Aspekte gewesen. Arbeit, Einkommensentwicklung und wirtschaftliche Verwundbarkeit gehörten hingegen zu den am negativsten beurteilten Faktoren.

Seit 2013 entwickeln sich alle Indices (wieder) positiv

Wie die INE-Statistik zeigt, kennen die Zufriedenheit mit dem allgemeinen Wohlergehen und mit der Lebensqualität seit 2004 nur eine Entwicklungsrichtung – nach oben. Hingegen verschlechterte sich die Einschätzung der wirtschaftlichen Lebensbedingungen von 2004 bis zu den Finanzkrisen-Jahren 2008 und 2009 leicht nach unten. Es folgte ein rapider Abfall auf rund 85 Prozent des Ausgangswert bis zum Jahr 2013. Seitdem geht es bei diesem Index wieder etwas bergauf.

Optimistisch gibt sich auch der portugiesische Wirtschaftsminister Manuel Caldeira Cabral. In einem Interview mit Handelsblatt-Korrespondentin Sandra Louven widersprach er jetzt energisch der Auffassung des deutschen Finanzministers Wolfang Schäuble. Dieser hatte im Oktober die Abkehr der linken portugiesischen Regierung von der strengen Sparpolitik bei der Bewältigung der Schuldenkrise kritisiert.

Portugals Wirtschaftsminister kritisiert Schäuble und lobt deutsche Unternehmen

„Das ist weit weg von der Wahrheit“, erklärte Cabral. Portugal habe seine Staatsfinanzen verbessert und die Banken kapitalisiert. Die Wirtschaft wachse und Lissabon unterstütze das mit weiteren Struktur-Reformen. Die portugiesischen Fundamentaldaten seien im weltweiten Vergleich so gut, dass Portugal in den kommenden Jahren ein besseres Rating erhoffe.

Die Zusammenarbeit Portugals mit deutschen Unternehmen bezeichnete der portugiesische Wirtschaftsminister als „sehr, sehr gut“. Sie hätten 2016 viel in Portugal investiert und spielten eine wichtige Rolle bei der Verbesserung der Exportstruktur des Landes. Cabral wörtlich: „Wir exportieren heute nicht Textilien und Kleidung, sondern Autos, Maschinen, Chemie- und Pharmaerzeugnisse“. Deutsche Unternehmen investierten neben französischen am meisten in Portugal, so Cabral.