Porto. Seit Easyjet, Ryanair und andere Low-Cost-Airlines Porto in ihren Flugplan aufgenommen haben, strömen die Touristen in die Weltkulturerbe-Altstadt. Die Zahl der Besucher steigt seit 2011 jedes Jahr um 15 Prozent. Keine fünf Jahre ist es her, dass fast die halbe Altstadt leer stand: Zugenagelte Fenster, einstürzende Dächer, bröckelnde Fassaden. Die Bewohner zogen in die Vororte.Zum Renovieren der einst prächtigen Bauten aus dem 17. und 18. Jahrhundert fehlte das Geld. Inzwischen wandelt sich Portos Altstadt zur teuren Touristenmeile.
Vor gut fünf Jahren habe ich auf einem Zwischenstopp die Magie dieser aus der Zeit gefallenen Stadt aufgesogen. Ich erinnere mich an steile Aufstiege durch dunkle menschenleere Gassen zwischen wuchtigen Bauten aus bleigrauem Granitstein, breite Alleen mit edlen Prachtbauten der vorletzten Jahrhundertwende, schwarz gewandete Studenten, die auf dem Platz der Freiheit auf allen Vieren vor den älteren Semestern kriechen.
Die Feuchtigkeit des nahen Ozeans taucht die Altstadt in weiches Licht. Sonne und Wolken schöpfen daraus ständig wechselnde Farben – mal bleigrau, dann wieder golden oder ein kräftiges Blau. Morgens verhüllen Nebelschleier Kirchtürme, Mauern und Paläste.
Weltkulturerbe-Altstadt Viertel Ribeira in Porto am Flussufer des Douro
Seit Jahrhunderten stapeln die Portuenser Wohnhäuser, barocke Kirchen und Stadtpaläste in die vom Fluss aufsteigenden Hänge: Schichten von Geschichte in einer Collage aus leuchtend roten Ziegeldächern und mit gelben, grünen oder blauen Fliesen und bunten Wäschestücken geschmückten Grantifassaden. Aus Dächern spriessen üppige Farne und Blumen, aus der Gesamtkulisse mächtige Kirchtürme auf denen wuchtige Steinkreuze thronen. Über dieser einst reichen Kaufmanns- und Bürgerstadt sitzt wie eine Krone der Palast des Bischofs mit dem feinstem Blick auf das weite Tal des Douro, der sich wenige Kilometer flussabwärts dem tosenden Atlantik öffnet.
Lebendige Erinnerungen
Am ehemaligen Schiffsanleger, wo einst Arbeiter die Fässer der Weinbauern an Land schleppten, wartet ein stämmiger älterer Herr auf mich: Candido Venzeslao ist mit Portos ältestem und ärmsten Quartier verwurzelt: Sao Nicolau, der Kern des Altstadtviertels Ribeira.
„Niemand stellte einen von uns ein“, erinnert sich der 66jährige an seine Jugend. „Nicht mal als Kellner oder Hilfsarbeiter wollten sie uns.“
Das Haus seiner Kindheit hat sich in all den Jahren kaum verändert: Dunkle bleigraue Fassade, kleine Fenster, eine schwere hölzerne Eingangstür: „Wir haben zu acht in einem vier mal zwei Meter kleinen Zimmer gewohnt, kein fließendes Wasser, kein Licht, kein Strom, keine Küche, kein Bad“, erzählt Candido. „Zum Duschen kippten wir uns einen Topf mit Wasser über den Kopf.“ Seine ruhige, leise Stimme übertönt kaum den Regen, der auf seinen Schirm prasselt.
Das Bett unter der Treppe musste er sich mit zwei seiner Brüder teilen. „Wenn ich zum Nachttopf wollte, mussten alle aufstehen“, erinnert sich der gelernte Glaser. 33 Jahre hat er hier gelebt. Sein Vater brachte die große Familie als Schlosser durch. „Ein Leben in Würde“, sagt der kleine, kräftige Mann zögernd, „war unter diesen Bedingungen schwierig“. Viele seien krank geworden, hätten in den ständig feuchten Wohnungen Tuberkulose bekommen. Medikamente konnten sich nur die wenigsten leisten. „Arm waren wir alle, aber das wenige, das wir hatten, haben wir geteilt“.
Heute lebt Candido in einer renovierten Wohnung am anderen Ende der Gasse. Seine Geschichte erzählt er Besuchern wie mir auf den Percursos das Memorias, den Rundgängen der Erinnerung. Entstanden ist die Ideen zu den Stadtführungen mit Einheimischen aus der Doktorarbeit einer Touristik-Studentin. Sie überlegte, wie der plötzliche Touristenansturm in Porto auch den ärmeren Vierteln zugute kommen kann.
Mit zwei Kolleginnen organisiert Mafalda die Touren und übersetzt die Erzählungen der Einheimischen ins Englische oder Spanische. Unterwegs besuchen sie die Anwohner in ihrem Alltag: Kleine Läden, die Werkstatt eines alten Mannes, der Schiffsmodelle baut und den Sportverein.
Candido Venzeslao führt auf den Percursos das Memorias durch sein Viertel
Mafalda begleitet uns in einen von Neonlampen grell erleuchteten schlichten Saal in bester Lage am Fluss. “Grupo Desportivo Infante D. Henrique“ steht in großen Buchstaben auf dem goldgelben Transparent über der Theke. An der rohen Bruchsteinwand verbleichen alte Fotos von Fußballmannschaften. Der Sportclub hat schon bessere Zeiten gesehen. „Wir haben nur noch 100 Mitglieder“, erzählt uns der Vorsitzende. José Andrade, ein lockerer Typ Anfang 40 in T-Shirt und ausgewaschenen Jeans, verwaltet die Reste des Clubs, der einst fast alle Sportarten im Programm hatte. „Die Leute ziehen weg“, erklärt er den Schwund. Nach der Revolution 1974 baute die neue Regierung für die armen Bewohner der überfüllten Altstadt neue Sozialwohnungen. Von einst 20.000 sind nur 1.000 Bewohner geblieben. Und die müssen jetzt weg, weil sie die explodierenden Mieten nicht mehr bezahlen können.
Am einstigen Hafenkai vor dem Vereinslokal haben neue Lokale aufgemacht. Die Restaurants am Wasser sind voll. Ihre Lichter spiegeln sich im Fluss. Die Holzboote, mit denen die Winzer einst ihren Wein den Douro herunter in die Kellereien der Stadt schafften, ruhen jetzt mit leeren Fässern geschmückt als Dekoration am Ufer.
Candido zeigt mir den Platz am Wasser, wo eine Statue an den einstigen Hafen erinnert. „Hier war eine einfache Kneipe, vor der sich jeden morgen die Tagelöhner versammelt haben.“ Wer Glück hatte, wurde für einen Job mitgenommen. Die anderen hofften auf den nächsten Tag. Abends trafen sie sich alle wieder in der Kneipe. Allein rund um den höchstens zehn mal zehn Meter kleinen Platz „hatten wir sieben Bars und Cafés und vier Lebensmittelgeschäfte“, erzählt Candido. „Alle weg“, wie die meisten seiner ehemaligen Nachbarn.
Investoren haben viele der alten Häuser saniert – und sie damit vor dem Verfall gerettet. Jetzt vermieten sie die Bauten an Hotelbetreiber oder als Ferienwohnungen direkt an die Touristen, die neuerdings in die Stadt strömen.
Spezialität Kaffee mit Pasteis de Nata (mit Pudding gefüllte Blätterteigtörtchen
Ein Bier oder ein Kaffee in einem der neu eröffneten Cafés koste heute mindestens doppelt so viel wie vor dem Beginn der Sanierung – für Einheimische unerschwinglich wie die Mieten der renovierten Ladenräume und Wohnungen.
Die meisten Gebäude hier hätten früher der Stadt gehört. Diese habe sie an Investoren verkauft. „Wir kennen die Hausbesitzer nicht mehr. Es sind Fonds und andere anonyme Gesellschaften“, beklagt Candido, der dennoch in Sao Nicolau bleiben will. „Hier ist die Keimzelle Portos. Ich bin hier geboren und aufgewachsen.“
Dankbar für diese bewegende Begegnung und die Einblicke in den Alltag der Ribeira mache ich mich zurück auf den Weg in die Innenstadt. Diese entstand im 18. und 19. Jahrhundert lange nach dem alten Stadtkern am Wasser. Ein steiler Pfad, für Autos zu schmal und von Treppen unterbrochen, führt mich zum prächtigen Börsenpalast aus dem 19. Jahrhundert die Rua Ferreira Borges hinauf. Die gleichnamige Markthalle mit ihrer leuchtend rot gestrichenen Gusseisenfassade haben sie zu einem der angesagtesten Clubs der Stadt mit Restaurants und zwei Bühnen umgebaut.
Das verwunschene Bücherparadies
Auf der anderen Seite der Innenstadt führt Matilda durch einen der schönsten Buchläden Europas, die Libreria Lello. Wie viele junge Portugiesen hat sie nach ihrem Tourismus-Studium keinen Job gefunden. Dann brauchte Lello Verstärkung. Matilda bekam ihre Chance. Seit zwei Jahren wollen jeden Tag an die 4.000 Touristen das Bücherparadies mit seiner geschwungenen roten Freitreppe und den drei Etagen hohen, wandfüllenden verschnörkelten Regalen sehen. Durch das mit Jugendstilmotiven in blau und rot bemalte Glasdach fällt ein weiches Licht. Um den Ansturm zu bewältigen verkaufen die Buchhändler online Eintrittskarten mit aufgedruckten Besuchszeiten für drei Euro pro Person. Wer im Laden einkauft bekommt das Geld erstattet. Aus den Einnahmen haben sie schon die Fassade ihres 1906 im neugotischen Stil erbauten Hauses renoviert.
Buchhandlung Lello
Matilda organisiert den Ticketverkauf und Führungen durch den Buchladen, der angeblich J.K. Rowling Inspirationen für ihren ersten Harry-Potter-Band geliefert hat. „Wir haben sie danach gefragt, aber keine Antwort bekommen“, erzählt Matilda.
Von der charmanten Tochter einer schwedischen Mutter und eines portugiesischen Vaters erfahren die Besucher, dass die in vielen Berichten beschriebenen „Holzvertäfelungen“ der Wände in Wahrheit aus lackiertem Gips bestehen und dass die so altertümlich erscheinende Treppe vor 110 Jahren aus dem damals neuen Material Stahlbeton errichtet wurden.
Die quirlige Matilda hat dank des Tourismusbooms im von hoher Arbeitslosigkeit (offiziell 15 %) geplagten Porto einen Job gefunden. „Viele meiner Freunde waren arbeitslos“, erzählt sie. „Jetzt haben einige eine Weinbar oder ein Hostel aufgemacht und können davon leben.“
Lieblingswörter der Kunden im Straßenpflaster vor dem Buchladen Lello
Überall in der Stadt eröffnen trendige Cafés, ausgefallene Lokale, Designerläden und Boutiquen. Andere machen sich als Fremdenführer selbstständig, fahren Besucher mit Tuk-Tuks durch die steilen Altstadt-Gassen oder bieten Touristengruppen komplette Tourenpakete an: klassisches Sightseeing, Kreuzfahrten auf dem Douro, oder kulinarische „Food and Wine Tours“ durch historische Lebensmittelgeschäfte, Restaurants und Weinbars mit Verköstigungen. Unterwegs unterhält man sich mit Köchen und Ladenbesitzern, probiert Portwein, Wachteln, Wurst- und Käsespezialitäten oder ausgefallene Neukreationen wie Sardinen in Honig des Fisch-Konservengeschäfts La Conserveria.
Luis Campos organisiert über seine Agentur Portgall von Schauspielern gestaltete Thementouren oder geführte Ausflüge zu einem Bio-Bauernhof. Auf einer anderen Tour können die Gäste mit Einheimischen in einem Bergdorf Brot backen. Die Touristen erleben ein Stück Alltag auf dem Lande und bringen Einnahmen in ein abgelegenes Dorf, in dem sich die alten Leute über Besucher freuen.
Eine Freundin von Matilda vermarktet Künstler und Designer aus Porto unter dem gemeinsamen Label Portugalovers. An verschiedenen Standorten organisieren sie Urban Markets, kleine Themen- Märkte, auf denen auch soziale Projekte ihre Arbeit vorstellen. Eine Gruppe zum Beispiel präsentiert Mode und Schönheitsbehandlungen für krebskranke Frauen, andere verkaufen Handgefertigtes.
Sundowner in der geheimen Kneipe
Jeden Samstag Abend trifft sich die Portoer Couchsurfing-Gemeinde in einer Kneipe, die es offiziell gar nicht gibt. Das lasse ich mir nicht entgehen. Ratlos stehe ich vor einem Vintage-Café und Venyl-Schallplatten-Laden an der Praça Carlos Alberto im Uni-Viertel und suche nach der Hausnummer 132. Zum Glück hat Greg seine Handynummer auf der Internetseite hinterlassen. Im 5. Stock des Ärztehauses hat der Engländer einen Coworking-Space eröffnet. Er lotst mich zur Eingangstür und holt mich ab. Das Haus muss abends zugeschlossen bleiben. Sonst gibt es Ärger mit dem Vermieter.
Jeden Samstag verwandelt Greg den schlichten Raum mit Theke in eine Bar. Die Gäste sitzen an Biergartenbänken oder bestaunen mit einem der günstigen Drinks in der Hand auf der riesigen Terrasse den Sonnenuntergang über den Dächern der Stadt.
Straßenmusiker spielt seine Lochkarten-Orgel in der Rua das Flores in Porto, 22.10.2016,Foto: Robert B. Fishman
„In die Kneipen gehen die Leute hier eher in Gruppen“, erklärt der Gründer, „da wollen die wenigsten angesprochen werden.“ Zu ihm komme man dagegen vor allem, wenn man neue Leute kennen lernen möchte. So sammeln sich im Dr. Schnapps am Samstag Abend vor allem Expats, Ausländer, die der Job, die Liebe oder die Begeisterung für die magische Stadt am Douro nach Porto verschlagen hat. Umgangssprache ist Englisch, das auch die meisten jungen Einheimischen fließend beherrschen.
Porto lebte über Jahrhunderte vor allem vom Fernhandel. In seinem Hafen am Douro brach im 14. Jahrhundert mit Unterstützung vieler seiner Mitbürger Heinrich der Seefahrer zu seiner ersten Entdeckungsreise auf. Der Legende zufolge spendeten die Portoer damals ihre ganzen Fleischvorräte für die Expedition. Ihnen blieben nur die Innereien. Seitdem tragen die Einheimischen den Spitznamen Tripeiros, Kuttelesser. Heute erinnert das hochmoderne Museum der Entdeckungen an Portugals Eroberungen in Afrika, Amerika und Asien, die hier ihren Anfang nahmen.
Greg hat zwei Jahre in London gelebt. Dort war es ihm „zu hektisch, zu grau und zu teuer“. Mit einem portugiesischen Freund zog er nach Porto, um hier ein Hostel zu eröffnen. Schnell merkten die beiden, dass schon zu viele andere auf diese Idee gekommen waren. In Porto schätzt der 26jährige die hohe Lebensqualität: Faire Preise, freundliche und entspannte Menschen und ein Nachtleben wie in den Metropolen Europas.
Er ist einer der vielen jungen Gründer, die vom Tourismusboom in Porto profitieren. An der Rua Miguel Bombarda ein paar Blocks weiter nördlich eröffnen immer mehr Galerien, die vor allem von den auswärtigen Besuchern leben.
Street Art Graffity im Galerienviertel an der Rua Miguel Bombarda in Porto
Matilda hat im Buchladen Lello dank der vielen Touristen einen Job gefunden. Ihre Wohnung muss sie aufgeben, weil der Hausbesitzer die Miete verdoppelt. Irritiert von diesem Widerspruch frage ich sie, ob ich mir ihre Wohnung in der Rua das Flores ansehen kann.
Eine Stadt für alle
Aus der einst finsteren Blumenstrasse hat die Stadt eine schicke Fußgängerzone gemacht: neues Pflaster, moderne Straßenlaternen, renovierte Fassaden. Ein verfallender Adelspalast aus dem 16. Jahrhundert wird gerade zum nächsten Luxushotel umgebaut. Die meisten alten Läden und Cafés haben schon aufgegeben, weil ihre Besitzer die neuen Mieten nicht mehr bezahlen können.
340 Euro zahlte Matilda anfangs für ihre 2-Zimmer-Wohnung: große Wohnküche, Schlafzimmer, ein kleiner Balkon mit weitem Blick bis hinunter zum Fluss, fast fünf Meter hohe stuckverzierte Decken, abgeschliffene alte Holzdielen. Dann erhöhte der Vermieter auf 600 und demnächst soll sie 900 bezahlen. So viel verdient in Portugal ein Berufsanfänger mit Uni-Abschluss.
Ihre Wahlheimat nennt sie einen Rohdiamanten, in dem es so noch viel zu entdecken gibt. Sie will bleiben.
„Tourismus ist wie Feuer. Du kannst damit Deine Suppe wärmen oder Dein Haus abbrennen.“
Weltkulturerbe-Altstadt Viertel Ribeira in Porto, überwuchterte Ruinen,
Immer wieder treffe ich auf Menschen wie Liliana, die Portos Zentrum als eine traurige Anhäufung verfallender Schönheiten erlebt haben. Nun freuen sie sich, dass die mit traditionellen Fliesen reich verzierten Bauten aus drei Jahrhunderten nach und nach gerettet werden. Liliana, Jahrgang 1976, ist zu Füßen des Clerigos-Turm in der Innenstadt aufgewachsen. Als sie 20 war gab ihre Familie das alte Haus ihrer Kindheit auf. „Der Vermieter hat nichts renoviert.“ Der Bau verfiel. Immer mehr Nachbarn zogen weg, weil auch die anderen Hauseigentümer kein Geld oder keine Lust hatten die einst prächtigen Altbauten zu erhalten. Läden und Cafés schlossen, weil vor allem nach beginn der Wirtschaftskrise 2007 die Kunden ausblieben. Bald gab es in der Innenstadt nur noch Büros, Banken und Versicherungen. „Nach 19 Uhr war niemand mehr auf der Strasse“ erinnert sich Liliana. „Die Leute hatten Angst, abends raus zugehen.“
Seit die Touristen nach Porto kommen wird gebaut und saniert. Die Immobilienpreise haben sich seit 2010 zum Teil mehr als verdoppelt. Alte Krämerläden werden zu teuren Gourmetshops umgebaut. Wie Liliana befürchten viele, dass sich Portos Altstadt in ein leblosen Freilichtmuseum verwandelt. „Stadt und Staat müssen den Markt regulieren“, sagt Liliana. Die energische junge Frau mit langen braunen Haaren will eine Stadt für alle: Um die „Kluft zwischen denen, die sich die teuren Mieten leisten können und all den anderen“ nicht noch tiefer werden zu lassen, hat sie mit einigen anderen Habitar Porto gegründet. Der Verein will Portos Altbauten retten und günstige Wohnungen erhalten.
Die Seele der Stadt: Portos wilder Osten
In den ehemaligen Arbeitervierteln Campanha und Bofim am Ostrand der Innenstadt stehen noch viele Häuser leer. Bauten aus massivem Granitstein, verziert mit den traditionellen handgemalten portugiesischen Kacheln, den Azulejos, würden anderswo längst unter Denkmalschutz stehen. Hier verfallen viele von ihnen, weil ihre Besitzer kein Geld für die Renovierung haben.
Kinder spielen Fussball auf dem Platz vor dem Fotografiemuseum in Porto Foto: Robert B. Fishman
„Wir beraten Eigentümer, die nicht genug Geld haben, ihre Häuser zu sanieren“, erklärt mir Sozialarbeiterin Liliana. Habitar Porto hilft ihnen, staatliche Zuschüsse zu beantragen und bringt sie mit Architekten und Handwerkern zusammen. Einen Hinterhof oder eine Waschmaschine können sich Nachbarn zum Beispiel teilen, um Kosten zu sparen. Andere kaufen ein Haus gemeinsam und bauen es so um, dass beide Familien darin wohnen können. Oft helfen Studenten oder Ausbildungsfirmen zu günstigen Preisen beim Umbau. Reicht das Geld trotzdem nicht, legen Nachbarn mit Hilfe des Vereins zusammen. „Wir wollen bezahlbaren Wohnraum für alle schaffen und keine Ghettos für die ganz Armen“, erklärt Liliana. Die staatlichen Sozialwohnungsprogramme sieht die Sozialarbeiterin kritisch, weil sich in den subventionierten Wohngebieten die Probleme ballen.
Der Weg zum Stadtteil-Rathaus führt uns in das Porto jenseits des Tourismusbooms: bescheidene ein- und zweistöckige Reihenhäuschen, an denen die schmiedeeisernen Balkonbrüstungen vor sich hin rosten. In schlichten, gekachelten Eckkneipen sitzen Rentner bei ihrem Morgenkaffee, den man hier noch für weniger als einen Euro bekommt. In den einfachen Auslagen auf den Theken warten kleine Kuchenstücke auf Kundschaft. Niemand macht sich hier die Mühe, Waren oder Räume für Touristen zu inszenieren.
Hinter den Fassaden vieler Straßenzüge verbergen sich von außen unsichtbare Welten: Die Ilhas, zu deutsch Inseln. Im 19. und frühen 20. Jahrhundert bauten Fabrikanten auf ihrem Werksgelände dicht an dicht winzige Arbeiterhäuser für ihre Belegschaft. So wohnten die Arbeitskräfte in der Nähe und die Miete konnte man ihnen gleich vom Lohn abziehen. Die kleinen Fabriken, zumeist Textil- oder Metallbaubetriebe, sind längst geschlossen, die Ilhas geblieben. Liliana führt mich eine von alten Akazien gesäumte Wohnstraße entlang nach Osten. Vor einer Bäckerei sitzen ein paar ältere Männer an Plastiktischen beim Kaffee zusammen. Jungs spielen auf der kaum befahrenen Strasse Fussball.
Zwischen zwei mit Fliesen bedeckten Häusern zweigt ein schmaler Gang ab. Zu beiden Seiten des Weges reihen sich flache, einstöckige Häuschen aneinander. Zehn von siebzehn stehen leer. Drinnen ein dunkler feuchter Raum von etwa 15 Quadratmetern. „Hier haben früher sechs- und achtköpfige Arbeiterfamilien gewohnt“, erzählt Liliana. Strom oder fließendes Wasser hatten nur die wenigsten.
„Viele finden das heute romantisch“, wundert sich die 40jährige. Vor allem Künstler und Studenten ziehen auch wegen der noch billigen Mieten gerne in die ruhigen Ilha-Häuser.
Tiefe Einblicke in die Baugeschichte Portos und die heutigen Probleme der Stadtplanung gibt Architekt Pedro auf einer seiner „Worst Tours“. Hinter einer der leerstehenden Fabriken gedeiht Gemüse auf einem kleinen Feld. Die Nachbarn haben sich einen Gemeinschaftsgarten angelegt. Der Eigentümer hat den 80 Mitgliedern der Initiative das Grundstück kostenlos überlassen. Er freue sich, dass wieder Leben in die ehemalige Fabrikarbeitersiedlung kommt. Auch hier oben verfallen viele der leerstehenden kleinen Häuschen und Wohnungen.
Pedro liebt seine Stadt und sieht den Tourismusboom wie Liliana, Mafalda und viele andere mit gemischten Gefühlen. Einerseits freut sich der 40jährige über die neuen Jobs und die Möglichkeit, als Architekt mit den Führungen Geld zu verdienen. Für eine langfristige Wiederbelebung der Stadt fehle es jedoch an nachhaltigen Geschäftsmodellen. „Die chronisch klamme Stadt, sagt er, „macht alles, was kurzfristig Geld bringt“, unterstütze aber Produktionsbetriebe, Handwerk und die Kreativwirtschaft zu wenig. Seit die Textil- und Metallindustrie an noch billigere Standorte abgewandert ist, werde im Norden Portugals kaum noch etwas produziert.
Gründerstadt
Durchreiche einer Imbissbude in Porto, Foto: Robert B. Fishman
Doch auch hier zeichnet sich eine Wende ab. Junge Leute gründen Betriebe, die mehr anbieten als simple Massenproduktion. Einige Start Ups verkaufen ihre Software erfolgreich ins Ausland, andere entwerfen Mode, die sie vor Ort mit Gewinn herstellen. Mit seinen Touren will Pedro Debatten über die Zukunft seiner Stadt anstossen. Er erzählt von einigen Einkaufszentren aus den 70er und 80er Jahren. Die sind pleite gegangen, weil weiter draußen noch größere und modernere Malls eröffnet wurden. Einige Eigentümer vermieten jetzt leerstehende Geschäfte und Lagerräume als Probenräume an Musiker oder – wie an der Galerienmeile Miguel Bombarda – an Künstler und Galeristen.
„Invicta“, die Unbesiegte nennt sich Porto. Noch nie haben fremde Truppen die Stadt erobert. Sie hat die Belagerungen der Spanier und Napoleons Truppen abgewehrt, die Verarmung während der Diktatur und in der letzten Wirtschaftskrise überstanden. Wie der plötzliche Ansturm von Touristen ihr Gesicht verändern wird weiss heute noch niemand.
Altstadtviertel Se in Porto, 22.10.2016, Foto: Robert B. Fishman
traditionelles Holzboot Rabelo, mit dem früher Weinfässer den Douro hinunter nach Porto transportiert wurden, 22.10.2016, Foto: Robert B. Fishman
Tuna: singende Gemeinschaft
Manchmal sieht und hört man sie in der Fussgängerzone Rua Santa Catarina oder auf einem der größeren Plätze in der Altstadt: Zehn oder 15 junge Männer in weiten schwarzen Umhängen, die auf Gitarren, einem Kontrabass und anderen Instrumenten herzzerreissende Lieder spielen und dazu schmachtend von der Liebe und anderem Herzensleid singen. Obwohl ich nur einzelne Wörter verstehe, kriecht mir bei manchen Stücken eine Gänsehaut den Rücken hinauf.
„Ursprünglich wollten die Studenten mit dieser Musik vor allem die Mädchen bezirzen“, erzählt einer der jungen Männer grinsend und ergänzt auf meine Nachfrage: „Manchmal klappt es auch.“
Entstanden sind die singenden Studentenverbindungen an der Universität in Coimbra. Von dort kam sie Mitte des 20. Jahrhunderts nach Porto wie die Praxe (sprich Prasch), bizarr anmutende … Aufnahmeritualen für Erstsemester. Die müssen vor den Älteren auf dem Boden kriechen oder Mutproben bestehen. Manche werden auch zur „Taufe“ in einen Brunnen geworfen.
Wie diese umstrittenen Rituale, bei denen immer wieder junge Leute verunglücken, dienen die Tuna genannten Musikgruppen der Gemeinschaft. Neudeutsch würde es Teambuilding heißen. „Viele Studienanfänger fühlen sich an der Uni verloren“, erzähl ein älterer Tuna-Sänger. „Die Gruppen bieten Anschluss, Orientierung und eine neue Heimat.“ Wie viele ist er nach dem Studium dabei geblieben. Gemeinsam gehen die Musiker auf Tourneen, machen Ausflüge oder verreisen. Mit der Straßenmusik finanzieren sie ihre Instrumente und Reisen.
Die Geschichte der schwarzen Umhänge liegt im Dunkeln. Manche sagen, man sei in schwarzer Kleidung während der Diktatur weniger aufgefallen. Straßenmusik war damals verboten. Andere verweisen auf die Gleichheit, die die Studenten damit ausdrücken wollen. Niemand solle sich mit teuren Klamotten über andere stellen. Gitarrist Pedro trägt sein Gewand als Ausdruck der Verbundenheit mit seiner Fakultät. „“Tuna Academica Faculdade de Economia do Porto“, akademische Tuna der Fakultät für Wirtschaft an der Universität Porto, steht in goldener Schrift auf seinem schwarzen Umhang.
Fast jeder Fachbereich hat seine eigenen Tunas. Pedro hilft die Gemeinschaft, „seine Persönlichkeit zu entwickeln und Verantwortung zu übernehmen. Wir gewinnen Selbstvertrauen, Verlässlichkeit und lernen, offener miteinander umzugehen“, erzählt der 20jährige. Die meisten möglichen Arbeitgeber „schätzen es, wenn ein Bewerber die Tuna im Lebenslauf stehen hat.“
Inzwischen gibt es auch Frauen-Tunas. Gemischte Bands sind selten „Wir haben es mal mit Mädchen versucht, uns dann aber in aller Freundschaft wieder getrennt, erzählt Pedro. „Die Mädchen wollten zu viel bestimmen. Unter uns Jungs gibt es weniger Streit“, ergänzt er lachend.
Drei bis fünf Stunden proben die Musiker jede Woche. „Da lernst Du schnell, Dich zu organisieren.“
Singen oder ein Instrument spielen konnte Pedro wie die meisten anfangs nicht. „Das lernst Du hier“, erklärt der junge Mann und greift zur Gitarre. Zum Schluss lädt er mich zur CD-Release Party auf den Platz am Clerigos-Turm in der Innenstadt ein.
Auf einer Bühne singen und spielen zehn junge Männer. Zwei, drei von Ihnen tanzen dazu immer wieder vor der Bühne eine Auf den Stühlen trotzen vor allem Mädchen der Kälte. Auch sie tragen die schwarzen Umhänge, johlen und jubeln zu jeder Ansage, springen nach jedem Stück aus ihren sitzen und feuern die Jungs mit Schlachtrufen an, die wie die Fangesänge im Fussballstadion klingen.
Die schwarzen Gewänder aus Hose, Jacket, Weste und Umhang, die nach anderer Lesart für Volk, König und Kirche stehen, lieferten vermutlich J.K. Rowling die Inspiration zu den Uniformen der Zauberschule Hogwarts. Die Autorin der Harry Potter Romane hat dies nie bestätigt. Sie hat zwei Jahre lang in Porto gelebt.
Porto Info:
Porto- und Nordportugal Tourismus Info: de.visitportoandnorth.travel
Tourist-Info der Stadt
Alternativer Stadtführer Porto cool und Kostenloser Online-Stadtführer auf Englisch (u.a. mit Tipps für Schwule)
Lokale Nachrichten und Veranstaltungskalender:
Porto entdecken:
Im Zuge des Tourismusbooms gründen junge Leute immer mehr Agenturen, die geführte Thementouren in der Stadt anbieten. Beliebt sind (Port)wein, Essen und Architektur:
Auf den Percursos das Memorias (Rundgänge der Erinnerungen) führen Einheimische durch ihre Wohnviertel.
Den Wandel der Stadt zeigt Pedro auf seinen Worst Touren: Zu Fuß geht es durch ehemalige Industrieanlagen und Arbeiter-Wohnheime, vorbei an verschnörkelten Villen aus dem frühen 20. Jahrhundert und durch Hinterhöfe am Nordrand der Innenstadt, die sonst nie ein Tourist findet.
Die Blue Dragon Food and Wine Tours führen ihre Gäste zu weniger bekannten Lokalen und in traditionelle Lebensmittelgeschäfte, die auf den Spuren einheimischer Spezialitäten. www.bluedragon.pt
Authentische Erfahrungen abseits der Touristenpfade verspricht Portgall-Gründer Luis auf seinen Touren, die zum Beispiel auf einen Bio- und Kräuterbauernhof am Stadtrand oder in eine Portweinkellerei führen. Im Sommer schlüpfen Schauspieler auf den Porto Story in die Gewänder historischer Figuren und zeigen so in Szenen aus früheren Zeiten ihre Stadt. Die Geschichte der Kirchen und die Bedeutung all der Bilder, und Heiligenfiguren veranschaulichen Fachleute auf Religionstour und ein Biologe zeigt auf einer Radtour ans Meer die Tier- und Pflanzenwelt der Region.
Museen in Porto:
Das Museum der Entdeckungen feiert Portugals Seefahrer und die Gründung der Kolonien in Afrika, Asien und Südamerika. Ein Raum zeigt die Lebensbedingungen an Bord der Entdeckerschiffe, eine Bootsfahrt führt durch künstliche Urwälder, chinesische, japanische und Afrikanische Dörfer. Die Folgen der Kolonisierung für die eroberten Länder und Kulturen verschweigt das Museum, Rua de Miragaia 106
Kunstsammlung Serralves: Portugals (nach eigenen Angaben) meistbesuchtes Museum zeigt Kunst der klassischen Moderne (darunter eine umfangreiche Miró-Sammlung) in hellen, weißen Räumen und einem 18 Hektar großen verwunschenen Skulpturenpark zwischen uralten Bäumen. Dort findet sich auch die Art-Deco Villa, die sich eine reiche Familie einst als Wochenendhaus bauen ließ. Hier zeigt das Serralves weitere wechselnde Ausstellungen, Rua Dom João de Castro 210,
Zentrum für Fotografie: Im ehemaligen Stadtgefängnis aus dem 18. Jahrhundert zeigt das Centro Português de Fotografía CPF wechselnde Ausstellungen bekannter Foto-Künstler/innen, Largo Amor de Perdição, Edifício da Ex-Cadeia e Tribunal da Relação do Porto, Largo Amor de Perdição
Casa da Música: Zum Europäischen Kulturhauptstadtjahr 2001 gönnte sich Porto für 111 Millionen Euro (geplant waren 35 Mio.) eines der modernsten Konzerthäuser mit der angeblich weltweit drittbesten Akustik. Fertig wurde der Bau erst 2005. Hollands Stararchitekt Rem Koolhaas baute einen mehrfach angeschrägten Betonwürfel. Den großen Konzertsaal haben die Baumeister mit gewelltem Glas umhüllt, das den Schall sanft bricht und nicht reflektiert. Die Sonne scheint herein und trotzdem dringt kein Ton nach draußen. Während der Konzerte kann man so der Sonne beim Untergehen zusehen. Die Ausgaben hat die Casa de Musica über Eintrittskarten und Führungen schon wieder hereingeholt. Besuch des Gebäudes nur mit Führung, Av. da Boavista 604-610, www.casadamusica.com
Interieur der Buchhandlung Lello in Porto / Foto: Robert B. Fishman
Buchhandlung Lello: Hinter einer Jugendstilfassade gegenüber der Universität verbirgt sich der verwunschene Buchladen Lello (zu erkennen an der Touristenschlange davor und den in die Straße eingelassenen Worten). Das Gebäude entstand 1906 als erster Stahlbeton-Bau in Porto. Das vermeintliche Holz an den Wänden ist lackierter Gips, aber so gut gemacht, dass man glaubt, in einem komplett holzvertäfelten Raum anzukommen. Harry-Potter-Autorin J. K. Rowling hat nie bestätigt, dass sie dieses Geschäft zu ihrem Roman inspiriert hat, allerdings auch nicht dementiert. Tatsächlich erinnert das Interieur mit der geschwungenen Freitreppe und den zwei Etagen hohen dunklen Bücherregalen an die Zauberschule Hogwarts. Um den Touristenansturm zu bewältigen verkauft Lello für drei Euro Eintrittskarten. Das Geld wird auf den Einkauf im Laden angerechnet. Tipp: Wer sich online eine Eintrittkarte besorgt, muss nicht Schlange stehen, Livraria Lello & Irmão, Rua das Carmelitas 144,
Kunst in Porto:
Ein pfiffiger Galerist hat 1997 seine sämtlichen Kollegen in seine Nachbarschaft gelockt. So erklärt sich, dass fast alle Kunst-Galerien Portos an der Rua Miguel Bombarda und den angrenzenden Seitenstraßen liegen. Vor allem Samstag nachmittags, wenn die meisten geöffnet haben, lohnt sich ein Kunstspaziergang im Kunst- und Galerienviertel.
Passanten gehen über im Regen glitzerndes Pflaster an der Praca Carlos Alberto in Porto, Foto: Robert B. Fishman
Anschauen in Porto:
Portugals mit 197 Stufen (76 Meter) höchster Turm, der Torre dos Clérigos gehört zu einem ehemaligen Kloster. Von oben bietet sich der beste Blick über die Stadt. Rua de São Filipe de Nery,
In der Halle des 1916 erbauten Hauptbahnhofs Sao Bento erzählen rund 20’000 handbemalten Azulejo-Kacheln die Geschichte Portugals, Praça Almeida Garrett
Palacio de Bolsa: Um ihre auswärtigen Handelspartner zu beeindrucken haben reiche Portweinhändler und andere Kaufleute den innen reich geschmückten Börsenpalast errichten lassen. Allein der Kronleuchter in der Eingangshalle wiegt eine Tonne. Die täuschend echt wirkende Holzvertäfelung ist ein Fake: Es ist lackierter Gips. Highlight ist der mit Arabesquen und Stuck verzierte „arabische Saal“. In die Dekoration haben die Bauherren 20 Kilo Blattgold investiert. Für 700 Euro / Tag vermietet der heutige Hausherr, die Handelskammer Associaçao Comercial do Porto den Saal für Veranstaltungen und Konzerte. Die Akustik ist exzellent, Rua Ferreira Borges, Besichtigung nur mit Führung.
Ausgehen in Porto:
Bis ins frühe 20. Jahrhundert war Porto dank Handel, Hafen und Textilindustrie die mit Abstand reichste Stadt Portugals. In jener Zeit ließen Kaufleute, Banken und Versicherungen vor allem an der Avenida dos Alliados vor dem Rathaus und der angrenzenden Praça de Liberdade feine Paläste bauen. An Wochenenden trafen sich die Bürger der Stadt in mondänen Cafés wie dem
Majestic: An der Fussgängerzone Rua Santa Catherina liegt das in den 1920er Jahren im späten Jugendstil eingerichtete Café Majestic, einem der gefragtesten Touistenziele der Stadt. Zu Stoßzeiten stehen die Besucher Schlange, bis sie einer livrierten Kellner hereinbittet: Ein Jugendstil-Kaffeehaus mit der Original-Innenausstattung samt Stuckengel, Kronleuchter, Spiegelsaal. Kaffee, Kuchen und andere Leckereien etwa doppelt so viel wie in den Cafés der Einheimischen, sind aber immer noch deutlich günstiger als in der Schweiz, Rua Santa Catarina 112
Cafe Buuh: Ein junger Mann hat seinen Eltern das gemütliche Café überlassen. Die Mutter kocht, der Vater serviert die Suppen, Petiscos (Tapas), Kuchen und andere kleine Gerichte. Der kleine Familienbetrieb kommt auch bei jungen Leuten gut an. Viele arbeiten an Laptops, während sie an Tee oder Latte Macchiato nippen, Praça de Republica 164
Porto ist bunt und jung. Neben den zahlreichen jungen Touristen füllen die Studenten der Uni und der Fachhochschulen die vielen Bars und Kneipen.
Im Dachgeschoss eines Ärztehauses haben zwei junge Engländer einen Coworking-Space eröffnet, den sie jeden Samstag Abend zur Bar Dr. Schnapps umfunktionieren. An der Theke servieren sie Bier und Cider für 1,50, Wein für 2,50 und auf Wunsch auch Härteres. „Die Leute hier gehen normalerweise in Gruppen aus und wollen lieber nicht angesprochen werden“, erzählt Mit-Inhaber Greg. Hier dagegen komme man mit Fremden leicht ins Gespräch. Wer lieber schweigt ist auch willkommen. Die Dachterrasse bietet den perfekten Blick auf den Sonnenuntergang über den Dächern der Stadt, Praça Carlos Alberto 123, Eingang in einer Seitengasse hinter dem Café im Erdgeschoss
Versteckt neben einem Geldautomaten übersieht man schnell den Eingang zur charmanten Bar „Era uma vez no Porto“ („Es war einmal in Porto“) im 1. Stock des Hauses Rua dos Carmelitos 162. Oben angekommen fühlt man sich in die 70er Jahre zurück versetzt.
Übernachten:
Immer mehr alte Häuser der Innenstadt werden zu Ferienwohnungen umgebaut, die zahlreiche Agenturen an Touristen vermieten. Die meisten Angebote finden sich auf booking.com, AirBnb und ähnlichen Seiten. Eine kleine Wohnung kostet ab ca. 40 Euro / Nacht
Bald jede Woche eröffnet in Porto ein neues Hotel, Hostel oder Guest House.
Design Hotel Teatro: Schon vor dem Tourismusboom hat eine Familie 2010 ein ehemaliges Theater, das lange leer gestanden hat, zum 4-Sterne-Hotel umgebaut. Das Hotel Teatro orientiert sich am Leben vor, hinter und auf der Bühne: Große Bilder von Theateraufführungen, schwere, dicke Vorhänge, dunkle Räume, viel braun und – nicht nur – kupferfarbene Wasserhähne, Rua Sá da Bandeira, 84
Brasileira: Auch das Traditionscafé A Brasileira gegenüber wird zum Luxushotel (5 Sterne) umgebaut. Erhalten bleibt nur die gut 100 Jahre alte denkmalgeschützte Fassade. Dahinter entsteht alles neu.
Ähnlich ergeht es einem Adelspalast aus dem 17. Jahrhundert an der Rua das Flores sowie dem Krankenhaus und Seniorenheim Orden do Carmen neben der gleichnamigen Kirche an der Praça Carlos Alberto.
Porto Vintage Guest House: im alten Stil restauriertes Bed and Breakfast in einer ruhigen Altstadtgasse in der Nähe des Rathauses, Rua do Almada 580-584
portugiesisches Essen in einem traditionellen Lebensmittelgeschäft in Porto: Wurst und Schinken, Foto: Robert B. Fishman
Essen in Porto:
Das traditionelle Essen in Nordportugal ist eher deftig und schwer. Wer die Spezialität Francesinha (wörtlich: „kleine Französin“ – mit Schinken, Wurst, Hackfleisch und reichlich Käse belegte und überbackene Toastbrote in einer Tomatensoße, verfeinert mit Bier und Senf) verdauen will, braucht einen stabilen Magen. Besonders lecker sind die Fett- und Kalorienbomben angeblich im Café Santiago, Rua Passos Manuel 266
Bekannt sind auch die Kutteln auf Portuenser Art (Tripas a Moda de Porto). Der Legende nach gaben die Bürger Portos ihrem Entdecker Heinrich dem Seefahrer und seiner Besatzung einst alle Fleischvorräte mit auf die Reise. Sie behielten nur die Innereien. Seitdem tragen die Portuenser den Spitznahmen Tripeiros (Kuttelesser). Portugals Nationalgericht, den Bacalau (Kabeljau) findet man inzwischen wieder auf fast jeder Speisekarte. Der Fisch wird gebacken, gebraten, gegrillt oder gekocht und zum Beispiel in einer Art Risotto serviert. Lange Zeit galt der getrocknete Stockfisch als kaum vorzeigbares Arme-Leute-Essen. Inzwischen greifen auch Star- und Sterneküche wieder zu Omas traditionellen Rezepten. Viele verfeinern sie mit modernen Elementen. An manchen Landen- und Hausfassaden hängen die flachen Fischfilets wie früher zum Trocknen in der Sonne.
Restaurants gibt es in Porto an jeder Ecke und für jeden Geschmack in allen Preislagen. Mittags bekommt man ein Tagesgericht (manchmal inklusive Nachspeise und Espresso) schon ab vier Euro. Ein paar Tipps ohne Anspruch auf Vollständigkeit:
Im Restaurant Torreao finden ehemalige Obdachlose und andere Menschen aus schwierigen Lebenslagen in den Räumen eines 700 Jahre alten Adelspalastes eine neue Perspektive. Ein gemeinnütziger Verein bildet sie zu Kellnern aus. Nebenan betreibt er eine Tafel, Essen auf Rädern und eine Tagespflege für alte Menschen. Die Einnahmen aus dem Restaurant mit seiner Terrasse über den Dächern von Porto mit weitem Blick über das Douro-Tal kommt der Arbeit des Vereins zu gute, Rua das Virtudes 11, www.saom.pt/restauracao/restaurante-torreao.aspx
Fish Fixe: Frische Fischgerichte in einem uralten Gewölbe direkt am Fluss, freundlicher Service, nicht billig und sehr touristisch, aber lecker, 22 24 Rua da Lada/Cais Da Ribeira,
Die perfekte Verbindung zwischen Essen und Einkaufen bietet die Vintage Hall Armazém (Lager) in einer alten Lagerhalle. Man speist zwischen Kunst, Kitshc und alten Schätzchen auf einem Antik-Markt, Rua de Miragaia 93,
von einem Schüler Gustave Eiffels erbaute Dom Luis I Brücke verbindet Porto mit Vila Nova de Gaia, Foto: Robert B. Fishman
Vila Nova de Gaia:
Der Weg auf die andere Seite des Douro-Flusses führt über die mächtige Dom Luis I Brücke. Unten fahren die Autos, oben die Metro. Schneller geht es vom Bootsanleger im ehemaligen Hafen der Ribeira in Porto mit dem kleinen Wassertaxi (3,50 Euro / Überfahrt) auf die andere Seite des Flusses.
Porto Cruz (mit eigenem Portweinkeller): Teuer aber sehr gut mit Panoramablick über den Douro auf die Altstadt von Porto (vor allem von der hauseigenen Dachterrasse) Largo Miguel Bombarda 23, Vila Nova de Gaia,
Portwein:
Die Portweinkellereien liegen alle am Ufer des Douro in Vila Nova de Gaia, weil es dort im Schatten der südlich angrenzenden Berge kühler ist als auf der anderen Seite des Flusses. Die Kellereien bieten Führungen und Verkostungen an. Natürlich behauptet jeder Anbieter, den besten Portwein zu produzieren, zum Beispiel:
Ramos Pinto Vinhos, Ave. Ramos Pinto 380
Portwein-Institut mit vielen Hintergrundinfos
Einkaufen:
Der Ansturm so vieler Touristen hat der Stadt eine Explosion der Immobilienpreise und der Mieten beschert. Gleichzeitig überleben viele neue und alte kleine Läden nur dank der kauffreudigen Kundschaft von auswärts. Neben dem üblichen Touristenramsch und –kitsch verkaufen viele ausgefallenes Design, lokale Lebensmittel und witzige Deko.
Altstadtgasse Rua da Madeira in Porto, Foto: Robert B. Fishman
Einige interessante Läden finden sich auf der Rua 31 de Janeiro hinter dem Bahnhof Sao Bento. Vor dem Bahnhof beginnt die Fussgängerzone Rua das Flores, in der viele Restaurants, Cafés und kleine, hippe Läden aufgemacht haben. Die Preise sind für portugiesische Verhältnisse happig. An den Wochenenden schieben sich die Touristen durch die schmale Straße. Dennoch lohnt es sich die bunte Gasse hinunter zu schlendern. Oft spielen Straßenmusiker.
Auch in der Innenstadt haben sich einige Lebensmittelgeschäfte gehalten, die Familien seit Generationen führen:
Das 1916 gegründete „Comer echorrar por mais“ hat sich auf Wurst und Käse aus Portugal spezialisiert, Rua Formosa 300
Die Conserveria verkauft Sardinen, Kabeljau und andere Fisch-Leckereien in Dosen. Das Besondere: die ausgefallenen Sossen, z.B. Forelle in Portwein oder Kabeljau in Bechamel.
Die Chocolataria Equador verkauft im Ambiente längst vergangener Zeiten erlesene Schleckereien, viele davon aus eigener Herstellung, Rua Sá da Bandeira 637
Frau bringt eine Opfergabe an einem Heiligenschrein auf dem Mark Bolhao in Porto, Foto: Robert B. Fishman
Der älteste Markt der Stadt findet sich in der 1850 erbauten Markthalle Mercado do Bolhão. Hier kaufen vor allem Einheimische frisches Gemüse Obst, Fleisch und Fisch. Den etwas heruntergekommenen Bau will die Stadt jetzt renovieren, Rua Fernandes Tomas.
Themenmärkte mit einheimischen Künstlern und Designern organisieren an verschiedenen Standorten in Porto die Portugal Lovers
Selber Kochen:
Inzwischen gibt es einige Anbieter von Kochkursen und geführten Schlemmertouren, z.B. www.tasteporto.com
Nachtleben:
Hard Club: Findige Investoren haben die ehemalige Markthalle Ferreira Borges gegenüber dem Börsenpalast zum Club mit zwei Bühnen, Tonstudio sowie einem Buch- und Plattenmarkt umgebaut. In der oberen Etage liegt das Restaurant n’O Mercado, Rua Infante D. Henrique, 9
Rivoli – Theater Bar, Understage Hinter der 20er Jahre-Fassade des Rivoli verbirgt sich das gleichnamige städtische Theater und darunter das Understage – ein unterirdischer Konzertbereich, in dem viele Nachwuchstalente ihre neuen Alben präsentieren, Praça de D. João I, teatromunicipaldoporto.pt
von einem Schüler Gustave Eiffels erbaute Dom Luis I Brücke verbindet Porto mit Vila Nova de Gaia,
Verkehr:
Vom alten Straßenbahnnetz sind drei Linien erhalten geblieben sind. Die fast 100 Jahre alten „Elektrischen“ (electrico) mit offener Plattform hinten fahren den Douro-Fluss entlang ans Meer sowie durch die obere Innenstadt (Linien 18 und 22). Nach der Jahrtausendwende hat Porto ein teilweise unterirdisches modernes Straßenbahnnetz (Metro) gebaut, das die Außenbezirke mit dem Zentrum verbindet. An den größeren Stationen wie Trindade oder Flughafen gibt es am Automaten Plastikkarten, die man immer wieder aufladen kann. Die vielen Busse stehen in der engen Innenstadt meist im Stau.
Ausflüge:
Mit Bus und Bahn ans Meer:
Den Douro entlang sind es an die Flussmündung gut 5 Kilometer an den Atlantikstrand. Wer nicht zu Fuß gehen mag, nimmt die historische Straßenbahn nach Foz (sprich Fosch)oder die Metro nach Matosinhos, wo die Kreuzfahrtschiffe ankommen. Aus dem Fischerdorf ist ein relativ teurer Vorort mit vielen Apartmentblocks und Hochhäusern geworden. Der alte Ortskern mit seinen zweistöckigen, bunt gekachelten Häuschen bietet die angeblich besten Fischrestaurants der Gegend. Nachmittags grillen viele Wirte den Fang des Tages am offenen Feuer auf dem Bürgersteig der Rua Herois de França.
An der Strandpromenade zwischen Matosinhos und Foz finden sich mehrere Cafés und Restaurants sehr unterschiedlicher Qualität, manche an der Promenade, andere direkt am Wasser, zum Beispiel die Bar Praia dos Ingleses, Rua Coronel Raúl Pere
Möwen am Strand von Matosinhos in Porto, 22.10.2016, Foto: Robert B. Fishman
Wandern:
Der Caminho Português (portugiesischer Weg), ein weniger überlaufener Zweig des Jakobswegs führt von Porto über rund 260 km durch den Norden Portugals nach Santiago de Compostela, oder
Geld und Preise:
Portugal hat den Euro eingeführt. Dennoch lebt man hier deutlich günstiger als in der Schweiz oder in Deutschland. In den vielen Stadtteil-Bars und Kneipen außerhalb der Innenstadt bekommt man einen Espresso ab 50 Cent, ein Bier für einen Euro und ein Mittagessen (Tagesmenü Menu del Día) ab 4 Euro.
Termine:
Jeden Montag, 23 Uhr: Poetry Slam mit Erklärungen auf Englisch im Pinguin, Rua de Belomonte 67.
Juni: Die Johannisnacht (Sao Jao, 23./24.6.) feiern mehr als 700.000 Leute auf Portos Straßen. Nicht wundern: Die Menschen schlagen sich gegenseitig kleine Plastikhämmer (martilhos) auf den Kopf. Zum Abschluss gibt es ein großes Feuerwerk am und auf dem Fluss und am 24.6. eine große Bootregatta auf dem Douro.
Ausflüge:
Eine gute Stunde fährt die Vorortbahn nach Süden ins von Kanälen durchzogene ehemalige Fischerstädtchen Aveiro. Die kleine Altstadt ist inzwischen akkurat restauriert. Aveiro liegt an einer flachen Lagune des Atlantiks, an der Salinen Meersalz abbauen, Tourist-Info: Rua João Mendonça 8,
Auf dem Weg dort hin lohnt es sich, im Seebad Espinho auszusteigen. Vom Bahnhof sind es nur ein paar Schritte zum hellen Sandstrand, der bis zum Horizont reicht. Südlich des modernen Zentrums liegt der alte Fischerort mit seinen flachen, bunt gekachelten Häuschen. Wie eh und je ziehen die Fischer hier ihre Holzboote auf den Strand. Den Fang servieren die kleinen Restaurants direkt an der Strandpromenade.