“Populäre Serialität: Narration – Evolution – Distinktion”

Erstellt am 18. Oktober 2013 von Denis Sasse @filmtogo

Heute Abend ins Kino gehen oder doch lieber auf der Couch verweilen, die Lieblingsserie schauen? Wenn nicht im Fernsehen, dann eben per Griff zu der DVD-Box – in Zeiten in denen eine ganze Staffel Serie so viel kostet wie ein zweisamer Kinobesuch mit Getränk, Popcorn, gutem Platz, Überlänge, 3-D und sonstigem Schnickschnack, beruft sich die Serie auf weitaus wichtigere Dinge: eine gute Erzählung. Geschmack hin oder her, seit Game of Thrones, seit Newsroom, LOST, Alias oder zahlreichen anderen Beispielen die den Beweis erbringen, das die Serienstaffeln mit einer Zahl von wenigen bis vielen Episoden pro Produktionsjahr eine weitläufigere, spannendere, interessantere Geschichte entfalten können, die ihren Figuren zudem Raum zur Entwicklung gibt. Um diese Erzählweise zu erklären, hat Herausgeber Frank Kelleter das Buch Populäre Serialität: Narration – Evolution – Distinktion. Zum seriellen Erzählen seit dem 19. Jahrhundert veröffentlicht, mit zahlreichen Beiträgen verschiedenster Autoren, die sich nicht immer nur um das Fernsehserienformat bemühen, sondern ihre Blicke auch schweife lassen, hin zu dem ebenso populären wie auch trashigen Groschenroman oder den zahlreichen amerikanischen Superhelden, die aus den Hauptcomichäusern Marvel und DC die Welt erobern – in Fortsetzungsgeschichten.

Dabei werden Grundfragen herausgebildet, die sich um neue Erzählformen drehen, die durch die Serialität entstanden sind. Dabei muss man nicht immer gleich an die neuen Serien denken, die natürlich qualitativ mit mancher Hollywoodproduktion mithalten, sie gar überflügeln können – die ersten Serials mit Fortsetzungscharakter reichen viel weiter zurück, stumme Abenteuer von verwegenen Helden, die um ihr Leben kämpfend an einer Klippe hängen bevor der Bildschirm schwarz wird und ein eingeschobener Text die schweißtreibende Frage stellt, ob der Held überleben wird und dass man, um es zu erleben, in der nächsten Woche wieder einschalten müsse. Inwiefern der Rezipient solcher seriellen Erzählformen in seiner Wahrnehmung beeinflusst wird, wie sich die Strukturierung der eigenen sozialen Realität verändert, das ist eine weitere Frage die im Verlauf des Buches geklärt werden soll.

Populäre Serialität ist nach den Kategorien unterteilt, die sich auch im Titel wiederfinden lassen. Es beginnt mit der Narration, Texte zur fortsetzenden Erzählung, gefolgt von der Evolution und der Distinktion. So schreibt Hans-Otto Hügel anfangs erst einmal über die Historie dieses Phänomens, bevor sich das Buch der Komplexität amerikanischer Serien zuwendet und zahlreiche Beispiele anführt: darunter das in Deutschland eher unbekannte Format The West Wing, aber auch Erfolge wie Akte X, die im Nachtprogramm versauerte Veronica Mars, Joss Whedons kurzlebige Western/Sci-Fi-Serie Firefly, die Sopranos oder Six Feet Under. Die Liste scheint schier unendlich. Davon ab wendet sich Autorin Urszula Ganz-Blätter der anderen Seite der Medaille zu, thematisiert die Entertainmentshow Deutschland sucht den Superstar, versucht sie als Reality-Format und Casting-Show in die serielle Erzählform einzubetten. Und auch Tatort-Liebhaber werden nicht zu kurz kommen. Das ist das Schöne an Populäre Serialität, man bietet ausgleichende Gerechtigkeit, unternimmt Ausflüge in die amerikanische als auch deutsche Fernsehwelt und stützt sich nicht allein auf die Qualitäten, die jüngst das US-Fernsehen zu überfluten scheinen.

Kleine Ausflüge werden zum Superheldencomic gemacht, immerhin zumindest in den Vereinigten Staaten schon lange Zeit ein Kulturgut, das viele Menschen nicht missen möchten. Die sich fortsetzenden Abenteuer von Batman, Superman und Spider-Man, von der Justice League und den X-Men, bieten eben jene faszinierende Serialität, die es zu erklären gilt, deren Einfluss von so großer Bedeutsamkeit erscheint. Dann heißt es Lesen, Sehen, Hängenbleiben und gleich mehrere AutorInnen schreiben zur Integration serieller Erzählungen in den Alltag, holen uns also genau dort ab, wo wir nun eben alltäglich mit unseren Serien verweilen.

Und der Alltag scheint immer noch durch das Leitmedium Fernsehen bestimmt zu sein, denn auf die Serienformate aus der Flimmerkiste legt das Buch immer noch seinen Hauptfokus. Zu Recht muss man sagen, dennoch ist es immer wieder ein willkommener Exkurs, wenn eben die Helden aus Comic und Groschenroman oder eher Spielfilm-ähnliche Formate wie der deutsche Tatort zur Sprache gebracht werden. Das hält die Behandlung dieses Themas abwechslungsreich und zeigt darüber hinaus, dass das Format der Serie in vielerlei medialen Erzeugnissen einen bedeutsamen Einfluss auf den Menschen und seine reale Umwelt ausübt.

Populäre Serialität: Narration – Evolution – Distinktion
Zum seriellen Erzählen seit dem 19. Jahrhundert

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