Polnische Verhältnisse

Vor einfallenden Horden aus Polen hat man sich gefürchtet. Wie einst die Tartaren würden sie ins Reich einfallen und dem braven deutschen Blaumann jene Arbeit wegnehmen, von der niemand leben kann. Nun sind die Schlagbäume für polnische Leiharbeiter seit einer Weile abgesägt, gekommen sind die Horden allerdings noch nicht. Sie winken ab, für ein Butterbrot könnten sie auch zuhause malochen - und dort schmeckt die Butter sogar noch besser, wissen sie.

Das stinkt natürlich denen, die da so ausufernd warnten. Den Glatzköpfen und den Neonazis, der NPD und den Reaktionären innerhalb der Union. Da bleibt das Feindbild einfach daheim und macht jedes Schreckensgespenst zunichte. Gottlob hat man noch die Türken! Dann sind es eben die, die uns unsere Arbeit wegnehmen (In Dönerbuden arbeiten kaum Bayern oder Sachsen!) und unsere Frauen ehelichen (Obwohl es dauernd heißt, die Türken blieben nur unter sich!). Andererseits können die Falken aus Union und FDP sich mit dem Argument trösten, dass die Anpassung Osteuropas endgültig abgeschlossen ist. Europa erreicht ein Level! Noch nicht in jedem Sektor, in jeder Nische: aber deutsches Prekariat und polnische Facharbeiter sind schon mal zueinander emanzipiert. Das ist doch ein hoffnungsfroher Anfang...

So kommen nicht Polen nach Deutschland, aber wenn es so weitergeht, dann gehen Deutsche nach Polen. Ob sich da jeder Pole freuen wird? Diese Ausländer, diese deutschen Ausländer, die nehmen nur den Polen die Arbeit weg und treiben es mit den feschen Polinnen. Ob das polnische Stammtische in ihre Leitmedien hineinrufen dürfen, ohne sich Ärger aus Berlin anzulachen? Vielleicht schreibt ja bald ein Sarrazinski, dass diese deutschen Minderleister, die selten Polnisch sprechen und unter sich bleiben (Obwohl sie doch angeblich die feschen Polinnen begatten!), die Abschaffung Polens betreiben - Applaus von den Feuilletonowskis garantiert! Die deutsche Kanzlerin - Gott oder wer auch immer bewahre, dass die dann noch im Amt ist - muß dann in Polen um Toleranz gegenüber ihren Landsleuten bitten - und die polnische Presse tobt danach wild, weil sie kein Wort zur Integration der Deutschen in die polnische Leitkultur fallen ließ.

Natürlich kommt es so nicht! Das kann man mit Deutschen nicht machen! Eher würden deutsche Reaktionäre, allen voran der Bund der Vertriebenen, der heute mehr ein Bund der Vertreibenden sein möchte, um das Hilfsvolksdasein der Polen schwadronieren. Polen sei schließlich immer schon in Preußen aufgegangen. Warum nicht jetzt in diesem Preußen, das sich Bundesrepublik nennt? Generell beweist der Furor, der einige Seelen vor der Öffnung der Ostgrenzen ergriff, wie sehr man noch davon überzeugt ist, der Nabel der Welt zu sein, das Einfalltor zu grenzenlosem Wohlstand. Dass es in dieser deutschen Gesellschaft mittlerweile Armseligkeit gibt, wie man sie auch in Osteuropa finden kann, wurde bei der Debatte einfach ausgeblendet. Es leben in Deutschland Menschen in solch trister Kargheit, und dass, obwohl sie arbeiten, dass selbst Polen davor zurückscheuen. Die deutsche Arroganz, mit der die Angst geschürt wurde, hat nicht wahrhaben wollen, dass polnische Verhältnisse auch in Deutschland herrschen, wenn man nur tief genug im Morast des Niedriglohnsektors stochert. Und am Ende wandern gar Deutsche nach Polen ab und es folgt nicht Demut, sondern der Ausbau ebenjener Arroganz, nämlich die selbstgefällige Einsicht, dass sich Polen glücklich wähnen sollte, ob des deutschen Know-Hows und deutscher Tugenden, die da für wenig Geld gen Warschau wandern.


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