Bezüglich der erfolgreich verhinderten Nazi-Aufmärsche in Dresden ist in den Mainstream-Medien vor allem von Krawallen und Gewalt Linksautonomer die Rede. Diese sind auf jeden Fall vollkommen abzulehnen. Diese Gewalttaten, vor allem gegen Polizisten, sind in keiner Weise zu rechtfertigen, und sie schaden dem kompletten Kampf gegen den Rechtsextremismus. (Jedoch stehen sie auch keinesfalls für die ganz überwiegend friedlichen Aktionen der Mehrheit der Demonstranten, die in einem breiten Bündnis über die verschiedensten Lager friedlich demonstrierten und die Nazis zu blockieren versuchten.)
Fast vollständig verschwiegen werden hingegen gewaltsame Aktionen der Neonazis, wie Angriffe auf ein alternatives Kulturzentrum unter den Augen der Polizei sowie Übergriffe der Polizei gegen friedliche Demonstranten. Doch folgenreicher aber ist wohl Folgendes:
Im Anschluss an die Demos stürmte ein Einsatzkommando des LKA Dresden das “Haus der Begegnung”, in der sich unter anderem das Pressezentum des Bündnisses Dresden-Nazifrei (inzwischen ist auch ihre Website nicht zu erreichen) und eine Geschäftsstelle der Partei Die Linke befinden. Die Polizisten haben dabei ohne Durchsuchunsbefehl in voller Kampfmontur gewaltsam die Räume gestürmt, durchsucht, die Computer des Presseteams beschlagnahmt und 14 Personen verhaftet. Die Bundestagsabgeordnete Katja Kipping berichtet, dass alle im Gebäude anwesenden Personen festgehalten wurden und fast eine Stunde keinen Kontakt zu Außenstehenden, zum Beispiel zu Anwälten, aufnehmen durften. Die Vorwürfe der Polizei lauten auf Vorbereitung von schwerem Landfriedensbruch und Bildung einer kriminellen Vereinigung.
Doch dies erscheint absurd: Das Bündnis hat sich immer ganz ausdrücklich gegen Gewalt und für einen friedlichen Protest gegen Nazis eingesetzt. Äußerst nahe liegt hier der Verdacht, dass wie schon im letzten Jahr im Umfeld der Dresdner Anti-Nazi-Aktionen der zivilgesellschaftliche Kampf gegen den Rechtsextremismus kriminalisiert werden soll. Die Entscheidungen der Gerichte im Vorfeld der Demo kommen da noch hinzu. Näheres zum Thema wird erst nach dem Wochenende in Erfahrung zu bringen sein. [20.2.2011, 20:56]
UPDATE 1 [21.2.2011]:
Die Süddeutsche Zeitung schreibt, dass die Polizei einen mündlichen Durchsuchungsbefehl für die Geschäftsstelle des Jugendhilfe-Vereins “Roter Baum” hatte, die ebenfalls in dem Gebeäude ist. Als Vorwürfe liest man von “Bildung einer kriminellen Vereinigung” und “Planung von Gewaltakten”. Klingt erst mal hart. Konkret scheint es dann aber um Landfriedensbruch zu gehen. Und dazu war es nach Meingung von Staatsanwaltschaft und Polizei offenbar notwendig, ein vermummtes, voll ausgerüstetes und bewaffnetes Sondereinsatzkommando mit 15 Polizeiwagen aufzubieten und alle (auch bereits offene) Haustüren einzutreten.
Bei der Stürmung des Hauses ist dann einfach mal gleich das ganze Gebäude gestürmt und das Parteibüro der LINKEN, in dem sich die Mitglieder des Dresden-Nazifrei-Presseteams befanden, durchsucht worden. Na das war sicher nur ein bedauerliches Missverständnis!!1! Die Partei- und Bündnismitglieder (inklusive zweier älterer Personen) und andere Personen, die sich im Haus befanden, sind verhaftet, mit Kabelbinder gefesselt worden und mussten vier Stunden gefesselt auf dem Boden sitzen. Eine Person erlitt einen Kreislaufzusammenbruch. Das klingt doch alles vollkommen verhältnismäßig!
Der Vorsitzende des Stadtverbandes der Linken, der bei dem ganzen dabei war, meint, die Vorwürfe seien an den Haaren herbeigezogen und es handele sich um “eine politische Aktion, bei der man versucht, das Bündnis Dresden Nazifrei zu treffen und eine andere Art des Gedenkens zu kriminalisieren.” Ach, soll der doch froh sein, dass er nicht verprügelt nicht härter gegen ihn vorgegangen wurde! Ok, zahlreiche Politiker und der Dresdner Anwaltsverein sehen das genauso, aber was wissen die schon! Nur weil auch eine unbeteiligte Kanzlei gewaltsam durchsucht wurde! Und so sieht es Dresden-Nazifrei. „Rechts wegschauen, links weghauen“. Siehe auch diese beiden Videos (via):
www.youtube.com/watch?v=5yDT_UHupSQ
http://www.youtube.com/watch?v=5yDT_UHupSQ
www.youtube.com/watch?v=VHWNnRW_6Cc
http://www.youtube.com/watch?v=VHWNnRW_6Cc
UPDATE 2 [23.2.2011]:
Die Geschäftsstelle der Linken und das Anwaltsbüro befinden sich sogar in einem ganz anderen Haus als der Jugendverein (via Fefes Blog). Man spricht also nun von einer “Verwechslung”. Und diese sei außerdem ein “zu vernachlässigender
Formfehler, der nicht zur Rechtswidrigkeit des Einsatzes führt”.
UPDATE 3 [5.3.2011]:
Die Linke will beim Amtsgericht Dresden beantragen, die Durchsuchung für rechtswidrig zu erkläre. Gründe dafür: die richterliche Anordnung erging nur mündlich, die später nachgereichte Begründung von drei Sätzen genüge “nicht einmal minimalen Rechtsstaatsbedürfnissen”, das Vorgehen sei unverhältnismäßig gewesen. Außerdem will die Linke im sächsischen Landtag das Vorgehen der Polizei gegen Anti-Nazi-Demonstranten thematisieren.