Als erstes muss ich sagen, das ich es als Schande von Politikern und Medien empfinde, das diese das Thema Gewalt gegen Kinder so gut wie gar nicht thematisieren. Lediglich bei Kindstötungen, Kindsmorden und sexueller Missbrauch geht ein paar Tage ein Aufschrei der Entrüstung durch die Medien. Würden diese das Thema genauso offerieren, wie sie über angebliche Frauenbenachteiligungen und -quoten, sowie gegen Frauengewalt schreiben, würde vielleicht schon einiges anders aussehen. Es vergeht keine Woche, in der nicht über Gewalt gegen Frauen geschrieben wird und die Redaktion spricht von einem Tabu?
Zuletzt rege ich mich auch noch darüber auf, das bei Gewalt gegen Kindern bereits separiert und nur die Gewalt gegen Mädchen untersucht wird mit dem Argument, das Daten für Jungen fehlen würden.
Bevor ich weiteres zur Materie schreibe, stelle ich erst einmal eine Grafik zu Opfer schwerer Gewalthandlungen in engen sozialen Beziehungen ein, die ich dem WikiMANNia-Artikel “Häusliche Gewalt” entnommen habe.
Es gibt eine Kinderkommision im Bundestag, diese ist aber auch nur ein Unterausschuss des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Was dieser Ausschuss für Kinder erarbeitet, ist mir bis jetzt entgangen. Zwar gibt es ein Arbeitsprogramm und das schaut auch richtig gut aus, nur im Bundestag bekommt man davon nichts mit. Ich kann mich an keine Plenarsitzung in den letzten Jahren erinnern, in der alleine die erlebte Gewalt von Kindern eine Rolle gespielt hat. Ich lasse mich aber gerne eines besseren belehren. Kinderkommission
Seit Oktober 2006 gibt eine eine UN-Studie zum Thema “Gewalt gegen Kinder”, die in der Öffentlichkeit so gut wie nicht bekannt ist. Weder die Bundesregierung, noch das BMFSFJ und schon gar nicht die Kinderkommission haben bis jetzt für eine Übersetzung gesorgt. Anscheinend ist nur die von Frauen erlebte Gewalt von Interesse, Kinder interessieren da nicht. Unicef hat wenigstens eine Sonderseite zu Gewalt gegen Kinder eingerichtet. unicef
Seit dem 6. Mai 2009 gibt es eine UN-Sonderbeauftragte zu Gewalt gegen Kinder. Für diese wichtige Position wurde die Portugiesin Marta Santos Pais ernannt. Auf der Homepage des Familienministeriums findet man dazu nicht einen einzigen Artikel.
Nachdem ich gerade bei Google zum Thema gesucht habe, fand ich einen erst 3 Tage alten Artikel:
Gewalt gegen Kinder
Kinder sind immer schon die Schwachen dieser Erde. Aber noch nie hat die Erde einen solch massenhaften und organisierten Missbrauch dieser Schwachen gesehen – und hingenommen. Die Menschheit kann es ändern. Sie kann einen Maßstab setzen, statt nur die verlorenen zu beklagen.Wer nämlich glaubt, der Mensch habe in seiner Geschichte schon alles begangen, wozu er als gewalttätiges Wesen fähig ist, der täuscht sich. Die wahrscheinlich widerwärtigste aller Gewaltformen blieb unserer Gegenwart vorbehalten:
- Erst unsere Zeit schickt die Kinder massenhaft in die Bordelle,
- erst unsere Zeit zwingt sie hunderttausendfach zu Pornografie,
- erst unsere Zeit bildet sie zu blutdürstigen Kindersoldaten aus,
- erst unsere Zeit schickt sie mit Sprengstoffgürteln in den Selbstmord,
- erst unsere Zeit macht sie millionenfach zu Drogensüchtigen und häuft Reichtum an durch ihre Sucht.
- Und damit ist noch nicht einmal ihre millionenfache Ausbeutung als Arbeitssklaven benannt.
- Und das alles nach den eineinhalb Millionen ermordeten Kindern im Holocaust!
Wenn die Erde ein Antlitz hätte, das den Zustand der “Menschenwürde ihrer Kinder” widerspiegelte, es wäre eine Fratze. RP Online
Es ist gut, das dieses Thema in den Medien mal wieder aufgegriffen wurde. So ganz einverstanden bin ich mit dem Artikel trotzdem nicht, da er suggeriert, das es Gewalt in diesem Ausmaß gegen Kinder früher nicht gab. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Spartaner, die neugeborene, kranke Kinder sofort töteten. Auch waren Griechen und Römer bekannt für ihre Knabenliebe, welches heute wohl unter sexuelle Gewalt subsumiert wird. In diesem Zusammenhang fällt mir die vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) finanzierte Studie des Robert-Koch-Institutes aus dem Jahr 2008 ein. Die Autoren hatten festgestellt, das es nicht genügend Daten zu Gewalt und sexuellem Missbrauch gegen Männer und Jungen gäbe und diese daher nicht berücksichtigt werden könnten. Im WGvdl.com-Forum steht dazu:
Als nicht rechtens sehe ich allerdings, das alleine auf Grund fehlender Datenlage immerhin die Hälfte der Bevölkerung ignoriert bzw. mit ein paar Sätzen abgehandelt wird. Als nicht akzeptabel empfinde ich die Darstellung in der Studie über “Gesundheitliche Folgen von Gewalt an Frauen und Mädchen“. Für mich heißt das, selbst bei Kindern wird schon angefangen, erlittene Gewalt zu separieren. WGvdl.com-Forum
Dieser Titel wurde geändert und heißt nun: Gesundheitliche Folgen von Gewalt unter besonderer Berücksichtigung von häuslicher Gewalt gegen Frauen. Anscheinend haben etliche Menschen gegen die Fokussierung auf Gewalt gegen Mädchen protestiert, so dass der Kopf der ersten Seite im Nachhinein revidiert wurde. An der Faktenlage ändert diese Korrektur indes nichts. Nun folgen ein paar Auszüge aus der RKI-Studie:
Gesundheitliche Auswirkungen von Gewalt gegen männliche Jugendliche und erwachsene Männer in unterschiedlichen sozialen Kontexten stellen ein weitgehend vernachlässigtes Forschungsgebiet dar. Die Ergebnisse der nicht repräsentativen deutschen Pilotstudie »Gewalt gegen Männer« [15] lassen jedoch erkennen, dass Jungen und Männer insgesamt einem beträchtlichen Risiko körperlicher, psychischer und sexualisierter Gewaltübergriffe unter anderem im öffentlichen Raum und in institutionellen Settings (z. B. Schule, Arbeitsplatz, Haftanstalt etc.), aber auch in Partnerschaftsbeziehungen, ausgesetzt sind. Die Forschungslage zu Männern als Opfer von Gewalt, insbesondere im sozialen Nahraum, ist jedoch bislang noch kaum entwickelt. Der Kenntnisstand über Ausmaß, Ursachen und Ausprägungen von Gewalt sowie über Behandlungs- und Unterstützungsbedarf männlicher Gewaltopfer ist in Deutschland entsprechend gering (vgl. [16, 17]). Aus diesem Grund liegt der Schwerpunkt des vorliegenden Themenheftes auf Frauen und Kindern als Betroffenengruppen. (Seite 8 der RKI-Studie)
Wenn man im PDF-Dokument nach dem Wort Jungen sucht, so ergeben sich 10 Treffer. Da Jungen im Kontext auch als spätere Täter benannt werden, kann man kaum davon sprechen, das Gewalt gegen diese besonders untersucht wurde.
Hinzu kommt, dass die in der Tradition der Frauengesundheitsforschung stehende Untersuchung der gesundheitlichen Folgen von Gewalt bislang vorwiegend Frauen und Mädchen als Gewaltopfer in den Blick nimmt. Demgegenüber werden Jungen und Männer, z. B. als Betroffene von sexuellem Missbrauch und häuslicher wie außerhäuslicher Gewalt, erst seit wenigen Jahren überhaupt als eine relevante Opfergruppe wahrgenommen und als Zielgruppe gendersensibler Gesundheitsforschung und -versorgung definiert [36]. (Seite 39 der RKI-Studie)
Mädchen ergaben im PDF-Dokument hingegen 29 Treffer, wobei diese sehr oft als (spätere) Opfer präsentiert wurden.
Mädchen und Frauen mit geistigen Behinderungen wurden laut dieser Studie drei- bis viermal so häufig sexuell missbraucht wie Jungen und Männer mit entsprechenden Behinderungen.
Ich frage mich, wie man so diese Behauptung aufstellen kann, wenn aufgrund fehlender Datenlage eine Aussage gar nicht möglich ist.
Auf der Homepage des BMFSFJ habe ich tatsächlich eine Seite gefunden, die zum Thema Gewalt gegen Kinder auch Daten von Jungen berücksichtigt.
Genderdatenreport 10.3.3 Gewalt gegen Mädchen und Jungen
In der 1992 durchgeführten KFN-Untersuchung (Wetzels 1997) zeigte sich – wie auch in anderen nationalen und internationalen Studien -, dass Jungen gegenüber Mädchen zu einem etwas höheren Anteil von elterlicher körperlicher Gewalt betroffen waren und dass auch die Frequenz erlebter Gewalt bei Jungen höher war. So gaben 78 Prozent der männlichen und 72 Prozent der weiblichen Befragten an, elterliche körperliche Gewalt erlebt zu haben; 43 Prozent der männlichen gegenüber 35 Prozent der weiblichen Befragten hatten diese häufiger als selten erlebt. In Bezug auf die Schwere der Gewalt zeigten sich keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen den Geschlechtern. 12 Prozent der Männer und 10 Prozent der Frauen gaben in der KFN-Studie Formen elterlicher Misshandlung an (ebd.).Die meisten Studien der Familiengewaltforschung kommen zu dem Ergebnis, dass Mütter in gleich hohem oder höherem wie Väter Ausmaß elterliche körperliche Gewalt gegenüber ihren Kindern ausüben. Auch eine geschlechtsspezifische Auswertung von Bussmann (2002) zeigt für Deutschland ein durchweg leicht höheres Sanktionsniveau auf Seiten der Mütter auf; bei schwereren Gewaltformen gleichen sich die Erziehungsstile zwischen den Geschlechtern allerdings an. Dieser Befund ist auch vor dem Hintergrund der stärkeren Einbindung von Frauen in Erziehungsaufgaben zu interpretieren. BMFSFJ
Ja klar, aber Frauen sind trotzdem besonders betroffen
Zum Schluß möchte ich dann noch auf einen Spot im Rahmen der bundesweiten Präventionskampagne “Du kannst immer entscheiden” aufmerksam machen. Natürlich ist auch hier der vermeintliche Täter ein Mann. Youtube
Links
Frauengewalt gegen Kinder
Hamburger Abendblatt: Millionen Kinder ohne Schutz und Liebe
SZ: Kindesmissbrauch – “Ich habe mir gewünscht, ich wäre tot”
FemokratieBlog: Bund soll Frauenhäuser finanzieren
Homepage von “Gewalt gegen Kinder”