Sehr geehrte Dame!
Sehr geehrter Herr!
Sehr herzlich danken wir Ihnen für Ihre Nachricht betreffend des so genannten McCafferty-Berichts, Dokument 12347 des Ausschusses für Sozialordnung und Familie des Europarates, und das in die FPÖ gesetzte Vertrauen.
Hinter dem Titel „Der Zugang von Frauen zu rechtmäßiger medizinischer Versorgung: das Problem der nicht geregelten Inanspruchnahme des Rechts auf Ablehnung bestimmter Behandlungen aus Gewissensgründen“ versteckt sich die Absicht, Ärzte und andere Personen im medizinischen Bereich dazu zu verpflichten, alle medizinischen Handlungen – sofern Sie durch die Rechtsordnung weitestgehend gedeckt sind – nach Wunsch des Patienten vorzunehmen, selbst wenn der betroffene Mediziner dies aus Gewissensgründen ablehnen würde. Dieser Entschließungsentwurf der sozialistischen Politikerin McCafferty soll am 07.10.2010 im Plenum des Europarates behandelt werden.
Die freiheitliche Fraktion stellt ein ordentliches Mitglied der 318 Abgeordneten zur parlamentarischen Versammlung des Europarates. Ad personam handelt es sich hiebei um den III. Nationalratspräsidenten Dr. Martin Graf, welcher im Verhinderungsfall vom Nationalratsabgeordneten Dr. Johannes Hübner vertreten wird. Gleich vorweg möchten wir Ihnen versichern, dass wir dem bezeichneten Bericht nicht zustimmen werden.
Diese Ablehnung begründet sich folgendermaßen:
Wir bekennen uns eindeutig zum uneingeschränktem Recht auf die freie Gewissensentscheidung von Medizinern in Zusammenhang mit der Verweigerung von Abtreibungen oder anderen medizinischen Tötungsmaßnahmen wie z.B. der Euthanasie.
Über dieses Bekenntnis hinaus deckt sich unsere Haltung im Bereich der Verweigerung der Abtreibung mit den einschlägigen Regelungen des Strafrechts. So darf nach § 97 (2) StGB kein Arzt verpflichtet werden, einen Schwangerschaftsabbruch durchzuführen oder an ihm mitzuwirken, es sei denn, dass der Abbruch ohne Aufschub notwendig ist, um die Schwangere aus einer unmittelbar drohenden, nicht anders abwendbaren Lebensgefahr zu retten. Dies gilt auch für die im Krankenpflegefachdienst, in medizinisch-technischen Diensten oder im Sanitätshilfsdienst tätigen Personen.
Das Recht auf Verweigerung einer Abtreibung besteht unabhängig davon, ob durch die Ablehnung einer überwiegenden Anzahl von Ärzten der Zugang zu Abtreibungen für Frauen schwieriger wird oder nicht – die im bezeichneten Dokument geübte Kritik würde ein Recht auf Abtreibung voraussetzen. Das oftmals vom politisch linken bzw. familienfeindlichen Spektrum strapazierte Argument vom Recht auf den eigenen Körper steht im Widerspruch zur Rechtsordnung. Man muss klar festhalten: Auch wenn durch die Fristenlösung ein Strafaufhebungsgrund für Abtreibungen innerhalb der ersten drei Lebensmonaten geschaffen wurde, so bleibt die Abtreibung ein eindeutiges Unrecht im Sinne unserer Strafordnung.
Ebenso lehnen wir Freiheitlichen neben der Abtreibung die Euthanasie ab.
Die Kritik daran, dass in einigen europäischen Staaten wie Österreich Euthanasie verboten sei, in anderen Leihmutterschaft, Präimplantationsdiagnostik oder künstliche Befruchtung bei homosexuellen Paaren, legt ganz und gar offen, dass es sich hiebei um ideologisch begründete Politagitation handelt.
Tatsache ist, dass es sich weder bei Abtreibungen, noch bei Euthanasie, noch bei reproduktionsmedizinischen Maßnahmen um Heilbehandlungen handelt, womit diese gar nicht in den Bereich der ärztlichen Pflicht zur Hilfeleistung fallen. Besonders perfide ist die Empfehlung an die Mitgliedsstaaten, Register darüber zu führen, welche Krankenanstalten keine Abtreibungen durchführen. In diesem Bereich wird sogar gefordert, entsprechende diesbezüglich Beschwerdestellen einzurichten. Dies sehen wir als diskriminierend, und es widerspricht unserem Verständnis eines freien Staates.
Abschließend stellen wir fest, dass es die Pflicht des Staates und des öffentlichen Gesundheitswesens ist, für die Gesundheit und das Wohl jedes Bürgers – unabhängig von Geschlecht, Alter, Entwicklungsstand oder Behinderung – zu sorgen, dessen Recht auf Leben umfassend zu schützen und ihm Zugang zu einer adäquaten medizinischen Versorgung einschließlich einer palliativen Betreuung am Lebensende zu ermöglichen. Aus diesem Grund ist es das souveräne Recht jedes Staates, Euthanasie gesetzlich zu verbieten.
Hoffentlich ist es uns gelungen, Ihnen die Gründe für die Ablehnung der bezeichneten Vorlage ausreichend darzulegen.
Wir verbleiben mit Dank für Ihr politisches Interesse bzw. Engagement.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Martin Graf e.h.
Für die Freiheitliche Fraktion im Europarat
Sehr geehrte Damen und Herren,
vielen Dank für Ihre Stellungnahme zum Doc. Nr. 12347 das in der Versammlung des Europarates vom 4. – 8. 10. 2010 zur Diskussion stehen wird.
Diese Vorlage des Europarats macht darauf aufmerksam, dass die Ausübung des individuellen Rechts auf Gewissensfreiheit aufgrund eines religiösen, moralischen oder philosophisch-ethischen Hintergrundes auch die Verweigerung einer medizinischen Hilfestellung gegenüber PatientInnen durch medizinisches Personal zur Folge haben könnte. Dadurch kann es in bestimmten Situationen zu einem Konflikt zwischen dem PatientInnenrecht auf Zugang zu einer rechtmäßigen medizinischen Versorgung einerseits, und dem Recht auf Gewissensfreiheit bei der Berufsausübung durch das medizinische Personal andererseits, kommen.
Die angesprochene Vorlage zeigt auf, dass es in den meisten Mitgliedsstaaten des Europarates keine umfassende, gesetzlich geregelte Vorgehensweise gibt, wenn es zu dem eingangs beschriebenen Konfliktfall im Gesundheitssystem kommt. Es besteht in diesem Zusammenhang die Befürchtung, dass die Freiheit des Gesundheitspersonals, medizinische Hilfeleistungen aus Gewissensgründen abzulehnen, derzeit überdurchschnittlich zu Lasten der medizinischen Versorgung einkommensschwacher Frauen, insbesondere im ländlichen Raum, geht. Durch klare Regelungen sollten sowohl die Interessen und Rechte der AnbieterInnen von Gesundheitsleistungen als auch die individuellen PatientInnenrechte respektiert und geschützt werden.
Da es keine höheren oder niedrigeren Menschenrechte gibt, sondern alle Menschenrechte universell und unteilbar sind, wäre es nicht zielführend diese Rechte gegeneinander auszuspielen. Es geht viel eher darum, einen Ausgleich zu finden, so dass sowohl die Rechte des Gesundheitspersonals als auch jene der PatientInnen im höchsten Maß gewahrt bleiben. Die Entwicklung klarer Richtlinien für die Vorgehensweise in dem oben beschriebenen Konfliktfall würde sowohl dem Gesundheitspersonal als auch den PatientInnen mehr Orientierung und Rechtssicherheit geben und ist daher zu begrüßen.
Aufgrund des Wahlkampfes in Wien werde ich an der parlamentarischen Versammlung des Europarates vom 4. – 8. 10. 2010, wenn dieses Doc. Nr. 12347 behandelt werden wird, nicht teilnehmen können.
Mit freundlichen Grüßen
A. Van der Bellen