Nach einigen Tagen des Nachdenkens die, der geneigte Leser hat es vermutlich schon gemerkt, zu einigen Wochen geworden sind, sehe ich mich nun genötigt, wieder einmal ein bisschen Dampf abzulassen. Ganz allgemein und ohne Bezug zur Realität. Denn die Realität, so wie ich sie wahrnehme, ist offenbar etwas ganz anderes als dass, was andere Menschen, insbesondere Politiker, so empfinden. Womit ich schon mitten in der Problematik stecke. Was ist überhaupt Realität und was geht es mich an?
Nichts könnte man jetzt behaupten und so ist es wohl bei den meisten. Politiker treten in Parteien ein, voller toller Ideen und Ideale, getragen von Enthusiasmus, der sie beflügelt und beschwingt und sie - einem Rausch gleich - in die "Höhen" der kommunalen Politik führt. Also in den Ortsverein, um genauer zu sein. Und dort kriegen sie ihre ersten Flausen schon ausgetrieben. Programm hin, Programm her, hier geht es um kommunale Politik (wie schon gesagt) und die hat mit der Politik auf Landes- und/oder Bundesebene nicht das geringste zu tun. Hier, im Ortsverein, herrscht ein erbitterter Krieg. Jeder gegen jeden. Jeder versucht Macht und Einfluss auf den und im Ortsverein zu erlangen und seine persönlichen Animositäten und Interessen durchzusetzen. Das ist nicht viel anders, als im Kleingartenverein, wo jeder seine 150 qm mit der Nagelschere getrimmten Rasen und die heimlich vergrößerte Gartenlaube gegen das Unkraut und den Neid der bösen Gartennachbarn verteidigen muss!
Und das ist eine harte Schule. Statt Politik zu machen, lernt man hier, wie man seine Interessen vertritt und wenn die "richtig" vertreten werden, dann haben auch andere was davon und somit ist Politik erfolgreich. Das funktioniert allerdings nur, wenn der Ortsverein auch mal zusammentritt und diskutiert. Manchmal aber ist das nicht der Fall und als neu eingetretenes Parteimitglied fragt man sich eigentlich schon, wie man die anderen Mitglieder eigentlich kennen lernt. Und darauf gibt es eine einfache Antwort:"Bei der Jahreshauptversammlung!" Die findet zwar erst im Januar nächsten Jahres statt und im September diesen Jahres sind Bundestagswahlen. Aber wen interessiert das schon, denn der Ortsverein bringt nicht einmal so viele Leute zusammen, dass an 2 Wochenenden Wahlstände aufgebaut werden können um Wähler davon zu überzeugen, die richtige Partei (also die eigene) zu wählen. Wundert es unter solchen Umständen wirklich jemanden, dass einige Parteien ihre Wählerschaft, oder das was sie dafür halten, nicht mobilisieren können?
Wenn man eine Veransaltung besucht, zu der man mit einem tollen Schreiben eingeladen wurde, fällt einem sofort auf, dass der Altersdurchschnitt der Anwesenden irgendwo jenseits der 65 liegt. Wäre man jetzt geschmacklos, könnte man sagen zwischen 65 und scheintot. Aber das bin ich nicht! Wenn außer ein paar Anzugträgern unter 35 niemand da ist, der den Schnitt merklich senken kann, wie soll eine Partei überleben? Als Seniorenvereinigung? Kein Nachwuchs und die Jugend denkt:"Leckt uns doch am Arsch mit Euren bescheuerten Parteien, Ihr kriegt doch eh nix auf die Reihe!" Und recht haben sie.
Wer erst einmal die Niederungen der kommunalen Politik hinter sich gelassen hat, den beginnt man rund zu schleifen und ihn ordentlich einzunorden, damit er weiss, wohin der Hase läuft. Utopien und Ideale aus Jugendtagen? Schmeiss sie auf den Müllhaufen deiner eigenen Geschichte, sonst bringst Du es in keiner Partei zu etwas. Wenn Du es ganz nach oben schaffen willst, solltest Du Dich frühzeitig im Arschkriechen und Opportunismus üben, sonst wird das nix. Such Dir bei Zeiten ein paar Lobbyisten, denen Du von Nutzen sein kannst und verlass Dich auf ihre Unterstützung sowohl, was die finanzielle, als auch die organisatorische Seite betrifft. Bau Dir ein Netzwerk auf und suche Dich mit den Leuten zu vernetzen, die Dir im Rahmen Deiner politischen Tätigkeit von Nutzen sein können. Du wirst sehen, das wirkt wahre Wunder.
Das ist dann das, was man den politischen Werdegang nennt. Aber in Wahrheit bedeutet es nichts anderes, als dass Du gegangen wirst. Du hast kein einfaches Leben als Politiker. Deine Gegner halten Dich für ein Arschloch und das sagen sie auch jedem (hinter vorgehaltener Hand versteht sich, denn man beleidigt doch keine Kollegen - Mobbing ist da ein viel wirkungsvolleres und vor allem anonymeres System). Deine Wähler sind der Meinung, Du lässt Dich nur dann bei ihnen blicken, wenn Du geil auf ihre Stimmen bist, also kurz vor den Wahlen! Und so passiert es, dass die meisten Politiker im Laufe der Jahre immer angepasster werden, um zu Amt und "Würden" zu kommen, denn so sagt man zu den "Fleischtöpfen", zu den Pfründen, die einem ein angenehmes und artgerechtes Leben ermöglichen. Dahin kommt man aber nicht, wenn man sich immer und überall querstellt. Also passen sich die meisten Politikern dem an, was sie für das beste (für sich, nicht für die Politik und die Wähler) halten. So ist der Gang der Dinge. Was das mit Moral zu tun hat, was Politik mit Moral zu tun hat, fragt Ihr Euch? Keine Ahnung. Moral kommt da meistens nicht vor. Sie wird von Sachzwängen verdrängt (wie man so schön sagt) und es bedeutet, dass die hehren Ideale des Einzelnen auf dem Altar der Politik und dem kleinkarierten innerparteilichen Gezänk geopfert werden. Moral braucht kein Schwein, jedenfalls solange, wie es einen nicht selber betrifft!
Trotzdem sollte man sich engagieren. Man sollte Politik machen, mitgestalten und es nicht anderen überlassen (und sich dann hinterher beschweren). Nur wenn möglichst viele Menschen sich einmischen und Demokratie leben, dann kehrt auch die Moral in die Politik zurück. Wir können nicht davon ausgehen, die gewählten Politiker werden es schon richten und wenn die nicht das tun, was ich erwarte, dann kriegen sie eben einen Denkzettel indem ich einer extremistischen Partei meine Stimme hinterher werfe. Aber das ist ein Trugschluss. Wenn die extreme Rechte oder die extreme Linke gestärkt werden, setzenw ir unsere Demokratie auf´s Spiel und das ist niemals gut für die Gesellschaft. Also - bringt Euch ein, mischt Euch ein, macht was, bewegt was. Macht Euren Mund auf und sagt den Politikern, was Ihr wollt, was Ihr braucht und wie Ihr die Zukunft seht. Nur dann wird sich etwas verändern und zwar zum Vorteil.
weiterführende Links:
- CDU Christlich Demokratische Union - führt den Titel christlich im Namen, wobei nicht ganz klar ist, worauf sich das eigentlich im Parteiprogramm bezieht.
- CSU Christlich Soziale Union - beruft sich ebenfalls auf irgendwelche ominöse christliche Grundwerte. Vermutlich aus diesem Grund bildet die CSU zusammen mit der CDU die sogenannte Union. CDU tritt nicht in Bayern an, die CSU dafür nicht bundesweit. Die CDU hängt sich ein bürgerlich/konservatives Mäntelchen um, während die CSU sektiererische Strömungen auffängt und am rechten Rand Stimmen zu fischen versucht.
- SPD Sozialdemokratische Partei Deutschlands - die älteste Partei Deutschlands. Ursprünglich an den Interessen der Arbeiter und Angestellten orientiert.
- FDP Freie Demokratische Partei - hält sich selbst für die Partei der Besseverdienenden und Leistungsträger. Dürfte aber eher als eine Lobbyistenorganisation der Wirtschaft einzustufen sein.
- Bündnis 90/die Grünen - aus der Antiatombewegung der 70er Jahre hervorgegangene Partei, die sich hauptsächlich auf Umweltthemen bezog. Mittlerweile ein Stück weit der bürgerlichen Behäbigkeit von Menschen zum Opfer gefallen, die nach einer Jugend mit Protesten gegen Atomkraft nunmehr in gutdotierten Positionen in der Wirtschaft untergekommen sind und den Kontakt zu den Unterprivilegierten verloren haben!
- die Linke - aus der SED über den Umweg der PDS hervorgegangen. Hat zwar keinen großen Rückhalt auf Bundesebene, kann aber durchaus auf Landesebene die Politik intensiv mitgestalten, besonders in den östlichen Bundesländern. Wurde zu einem Auffangbecken für SPD-Dissidenten, die sich mit dem Einfluss der "Seeheimer" nicht abfinden wollten.
- Piratenpartei Deutschland - entstand als Protestbewegung gegen die ständig zunehmende Zensur des Internet nach dem Vorbild der schwedischen Piraten.