Warum bekomme immer ich die politisch heiklen Projekte ab? Montagmittag, mit drei Kollegen sitze ich beim wöchentlichen Jour Fixe. Reiheum berichtet jeder an einem Kanban Board, was er als Projektleiter vorangetrieben hat, welche Aufgaben anstehen und wo es hakt. Business as Usual. Doch leider läuft es in meinen Vorhaben überhaupt nicht rund. Die Projektmaschine ist ins Stocken geraten. Politische Spannungen bremsen uns aus. Doch was ist eigentlich Politik in Unternehmen? Ein Versuch das geflügelt Wort zu fassen.
Politik in Unternehmen – fester Baustein einer Organisationen
Politische Großwetterlage, interne Politik, Machtpolitik – sicher bist Du mindestens einem dieser Begriffe in Deiner Consulting Laufbahn schon einmal begegnet. Doch was verbirgt sich hinter der Politik in Unternehmen?
Tatsächlich ist das Thema nicht einfach zu fassen. Trotzdem lohnt die Beschäftigung, schließlich bist Du als Unternehmensberater Teil von mindestens zwei politischen Systemen: Deinem Beratungsunternehmen und dem Kundenunternehmen.
Starten wir also ganz grundlegend mit zwei Definitionen. Unternehmenspolitik und interne Politik sind zwei unterschiedliche Konzepte. Laut Wikipedia umfasst die Unternehmenspolitik „…Maßnahmen und Entscheidungen, die eine Konkretisierung der Unternehmensphilosophie und der Vision darstellen“. Augenmerk liegt auf dem Herunterbrechen der Zielplanung in die Implementierung. Für die Politik in Unternehmen hält die Online Enzyklopädie Stand Mitte 2019 leider keine Erklärung parat. Aus meiner Erfahrung spielt sich interne Politik auf der Beziehungsebene zwischen der Belegschaft ab. Akteure handeln – auf Basis individueller Ziele, Interessen und Glaubensvorstellungen.
Näher wir uns dem ganzen nun durch mehrere Fragen.
Weshalb gibt es in Unternehmen Politik?
Für unternehmensinterne Politik gibt es aus meiner Sicht aus zwei Gründen. Berufliche und private Ziele.
In Organisationen arbeiten Menschen zusammen, zahlen mit ihrem täglichen Tun auf verschiedene Unternehmensziele ein. Diese Ziele werden heruntergebrochen bis schließlich jeder Mitarbeiter definierte Ziele verfolgt und an diesen auch gemessen wird. Jetzt kann es vorkommen, dass berufliche Ziele mit den Zielen anderer in Konflikt stehen und damit der Erfolg des Mitarbeiters, seines Teams, Abteilung oder Bereichs in Gefahr sind. Ob Budget, Zeit der Vorgesetzten, Unterstützung durch Dienstleister – auch in Unternehmen sind Zeit, Ressourcen und Aufmerksamkeit begrenzt. Eine Konkurrenzsituation trägt meist politische Früchte. Kein Wunder, möchte doch jeder die ihm gesteckten Ziele erreichen.
Eine zweite Ursache für Politik in Unternehmen sind die persönlichen Ziele. Ein junger Mitarbeiter möchte vielleicht Karriere machen, seinen Status, sein Einkommen und seinen Gestaltungsspielraum systematisch ausbauen. Der zweiten Akteur schwört auf die Konstanz, immerhin ist er bereits 35 Jahre im Unternehmen und startet bald in die Altersteilzeit. Jede Veränderung in der Organisation, ihren Geschäftsprozessen bzw. IT-Systemen ist für ihn ein Graus. Mitarbeiter Nummer 3 hat innerlich bereits gekündigt. In der Firma kann und will er keinen Blumentopf mehr gewinnen. Also schiebt er Dienst nach Vorschrift. Interessen, Werte, Erfahrungen und Weltvorstellungen prägen persönliche Ziele. Wie berufliche Ziele können auch persönliche Ziele miteinander in Konflikt stehen. Erneut ist politisches Verhalten die Folge.
Was sind typische Formen von unternehmensinterner Politik?
Eine klassische Ausprägung von Politik in Unternehmen sind Netzwerke. Mehrere Mitarbeiter mit ähnlichen Zielen, Interessen und Werten tun sich zusammen und helfen sich gegenseitig. Dabei kann die Kopplung von lose & unverbindlich bis eng & langfristig reichen. Netzwerke sind Untergruppen in Unternehmen. Ob es sich um eine Seilschaft oder eine Community of Practice handelt hängt von der Perspektive des Betrachters ab.
Eine weitere Form von interner Politik sind Abstimmungsrunden. In Unternehmen arbeiten Personen miteinander, letztlich an einer gemeinsamen Sache. Die Abhängigkeiten sind groß, schließlich braucht eine Führungskraft ihre Mitarbeiter zur Erledigung von Aufgaben bzw. die Mitarbeiter die Führungskraft für die Orientierung und eine weitere Beschäftigung. Das eigene Handeln beeinflusst das Umfeld – positiv und negativ. Wiederum hat das Umfeld Auswirkungen auf einen selbst. Es ist also wechselseitige Rücksicht und eine enge Abstimmung geboten. Der Hauptgrund für Gremien-Rallyes, stundenlange Entscheidungs-Sitzungen und nervenaufreibende Steuerkreise.
Eine dritter Beleg interner Politik sind bilaterale Treffen zwischen den Akteuren. Durch disziplinarische Weisung gewinnen Vorgesetzte nur begrenzt ihre Mitarbeiter zur Unterstützung. Lehnt der Angestellte die Aufgabe ab, so leistet er im Zweifel Dienst nach Vorschrift. Auch lässt sich eine Anordnung qua Position nicht gegenüber Kollegen auf gleicher Hierarchieebene oder Vorgesetzte anwenden. Was bleibt ist die bilaterale Unterredung, in welcher der Mitarbeiter, Kollege oder Vorgesetzte für die Idee, das Projekt, die Änderung etc. gewonnen wird.
In welcher Beziehung steht interne Politik und Beratung?
Als Unternehmensberater wirst Du gerufen, wenn es einen Bedarf zum Wandel aufzudecken, zu planen und umzusetzen gilt. Wandel ist die Grundlage Deines Geschäftsmodells. Natürlich gibt es bei jeder Änderungen Gewinner und Verlierer, Profiteure und Opfer, Nutznießer und Loser. Neue bzw. existierende berufliche und private Ziele stehen in Konflikt. Die Konsequenz sind politische Spannungen. Im schlimmsten der Fall fallen diese auf Dich zurück. Typische negative Symptome von Politik in Unternehmen:
- Kundenmitarbeiter mauern bei der Zusammenarbeit oder blockieren diese ganz.
- Praktische Vorschläge, Ideen und Impulse von Dir werden zerredet und mit „Bei uns funktioniert das nicht!“ quittiert.
- Ziele, Scope und Ergebnisse Deines Engagements ändern sich im Dauertakt.
- Deine sorgfältig ausgearbeitete Konzepten werden verwässert oder ganz verworfen.
- Der Umgangston seitens der Kundenmitarbeiter mit Dir ist rau und zurückweisend.
Deine Beratungsarbeit wird erschwert, gestaltet sich als zäh und kommt womöglich vollständig zum Erliegen.
Drehen wir jetzt einmal die Perspektive. Aus Sicht des Unternehmens unterstützt Du in der Rolle eines Consultants für begrenzte Dauer einen internen Kollegen – den Beratungskunden – und seine Mitarbeiter. Der Beratungskunde bezahlt Dich für Deine Beratungsarbeit. Auch als Berater verfügst Du über Macht. Als Externer beeinflusst Du das Geschehen im Sinne des Consulting Klienten. Du trittst für ihn ein, fungierst als Lobbyist seiner Interessen und hältst in extremen Fällen gar als Sündenbock her.
Wie kann ich mit Politik in Unternehmen umgehen?
Für begrenzte Zeit ist ein politisch anspruchsvolles Kundenunternehmen hochspannend und lehrreich. Langfristig stumpft ein politisches Haifischbecken aus meiner Erfahrung jedoch ab. Nachfolgend Maßnahmen, wie Du neben der inhaltlichen auch die politische Ebene meisterst.
Maßnahme #1: Politik akzeptieren
Je größer und komplexer Organisationen sind, desto höher ist oft auch der Einfluss der internen Politik auf anstehende Entscheidungen. Wo Menschen wirken, da menschelt es. Ab Tag 1 Deines Engagements solltest Du die Ebene akzeptieren und auf Deinem Radar behalten. Realismus schlägt Naivität.
Maßnahme #2: Auftragsklärung durchführen
Als hinzugerufener Unternehmensberater musst Du nicht jedes Problem lösen. Knirscht es in der Organisation politisch, kann das Dir egal sein, solange Dein Projekt nicht ausgebremst wird. Führe eine Auftragsklärung durch, in der Du Ergebnisse, Ziele, Scope und Risiken definierst. Kommt es dann politisch anders, verweist Du auf die vereinbarte Beauftragung. Hilfreiche Tools aus dem Consulting Methodenkoffer sind das Beratungsangebot, der Projektsteckbrief sowie die Problem-/Zielbeschreibung.
Maßnahme #3: Kontinuierlich Stakeholder betreuen
In Projekten ist er Mitarbeiter, Empfänger und Anforderer: der Stakeholder. Führe direkt zu Beginn eine Stakeholderanalyse durch. Wer hat welchen Einfluss? Wer ist zu welchem Grad motiviert? Suche den konstanten Dialog zu den Akteuren. Gehe auf die Menschen zu. Die Stakeholderanalyse, das Onion Model sowie das Zieldiagramm des Consulting Methodenkoffers unterstützen Dich bei dieser Daueraufgabe.
Maßnahme #4: Mit offenen Karten spielen
Das Gros der Kunden schätzt es Wert, wenn Du als Externer Deine Wahrnehmung zur politischen Sachlage teilst. Frage beim Kunden offen an, ob alle betroffenen Akteure abgeholt wurden und wichtige Schlüsselspieler mit am Tisch sitzen. Lege politische Stolpersteine und Fallen offen, die Euer gemeinsames Projekt ausbremsen. Und benenne die Implikationen für den Projekterfolg. Diplomatisch verpackt ist das für (fast) jeden Klienten ein Mehrwert.
Maßnahme #5: Kunden wechseln
Cover-your-ass-Mentalität. Hidden Agendas. Lagerbildung. Konkurrenzdenken. Ellenbogenmentalität. Nimmt die politische Dimension für Dich zu viel Raum ein, dann bleibt Dir immer noch eine Option: Kundenwechsel. Manchmal reicht bereits eine Pause oder die Transition zu einem anderen Bereich im Unternehmen. In diesem Fall hast Du Glück. Andernfalls lohnt der Ausstieg und die Hinwendung zu Kunden, bei denen der Fokus auf den Arbeitsinhalten liegt.
Fazit
Politik gehört zu Unternehmen, wie der Kalk zur Kaffeemaschine. Sie ist immer da. Bei einigen Firmen ist sie stärker, bei anderen Schwächer ausgeprägt. A&O für Dich als Unternehmensberater ist eine wasserfeste Auftragsklärung gepaart mit einer kontinuierlichen Stakeholderanalyse. Und der Gedanke, dass Deine Social Engineering Aktivitäten mit einem attraktiven Honorar vergütet wird.