Bohnen:
- Henauer Bacio d’Amore, Mischung aus Bohnen von Asiens Monsungürtel. Stark geröstet.
Röster: G. Henauers Sohn AG (Henauer Kaffee), Höri
Maschine: Faema E92 Elite (Siebträger)
Bericht:
Wenn ein Kaffee Lokal von sich aus auf mich zukommt, kann das eigentlich nur zwei Bedeutungen haben – mal abgesehen davon, dass der Coffee-Guide Zürich offenbar kein Geheimnis mehr ist: Entweder, das Lokal ist durch und durch vom eigenen Kaffeeangebot überzeugt und fürchtet sich keiner Kritik, oder, man riskiert eine kritische Bewertung gewollt, sei es um sich zu verbessern oder weil man glaub jede Art der Werbung sei besser als keine. Ich liess mich also auf das Abenteuer ein und besuchte das neu renovierte Café Plüsch, natürlich unbefangen und unerkannt wie immer. Die Ausstattung lässt sich auf jeden Fall sehen: Zwei neue Mühlen sorgen für frisch gemahlenen Kaffee und ein Handtamper mit Anpressdruckkontrolle soll diesen dann gleichmässig im Siebträger festdrücken. Die Zubereitung beginnt auch ganz ordentlich, von der Brühgruppe wird zuerst etwas überhitztes Wasser abgelassen, der Siebträger ausgewischt, wie versprochen mit frisch gemahlenem Kaffee gefüllt und dann gerieten die eleganten Handgriffe der Baristakunst leider ins Stocken. Ob die Druckkontrolle beim Tamper falsch eingestellt ist oder ob die nette Dame an der Bar zu wenig Liegestützen macht, kann ich natürlich nicht beurteilen, aber sich mit aller Kraft über den Tamper zu stemmen, wäre definitiv nicht nötig. Einerseits verunmöglichen solche Kraftakte ein kontrolliertes, waagrechtes Tampen und andererseits nützt die Extraportion Druck schlicht und einfach nichts. Somit richtet es also höchstens Schaden an, wenn nicht bei der Extraktion, dann beim Handgelenk des Barista. Wie gut tatsächlich gearbeitet wurde, zeigt sich dann aber erst zu guter Letzt, wenn der Kaffee in die Tasse fliesst. Die Tatsache, dass die Extraktion bereits nach kaum zehn Sekunden ein Ende fand, spricht auf jeden Fall für zu grob gemahlenen Kaffee, denn das Kaffeepulver sollte für genug Widerstand sorgen, dass das Erreichen der gewünschten Füllmenge ca. 25 Sekunden dauert. Das Erlebte nennt man Unterextraktion, weil das Wasser einfach durchfliesst und zu wenig Stoffe aus dem Kaffee lösen kann. Da hilft auch hartes Tampen nichts. Entsprechend dünn ist auch die Crema, die sich schon aufzulösen beginnt bis ich den Photoapparat gezückt habe. Geschmacklich ist der Espresso trotzdem überraschend trinkbar, die angenehme Süsse ist nur durch eine schwache Bitternote im Hintergrund etwas getrübt. Fazit: Die Ausstattung stimmt, aber beim Kaffee steckt der Teufel eben leider im Detail, weshalb noch ein paar kleine Verbesserungen Platz fänden. Doch wer die Kritik mutig einfordert, ist hoffentlich auch bereit daraus Kapital zu schlagen. 3 Zürich-Bohnen für einen noch durchschnittlichen Espresso.