Plötzlich Expat 23

Von Frauenblog @frauenblog

Liebesgrüsse aus Hong Kong: wöchentliche Episoden / gekürzte Erfahrungsberichte über meine Zeit als Expat in der momentan drittgrössten Metropole China‘s. 

Zeitunglesen in Hongkong. Eine lokale Zeitung zu lesen ist Pflicht, um sich heimisch zu fühlen und sich vorzumachen, Teil dieser Stadt zu sein. Zum Glück gibt es hier auch englische Lokal-Zeitungen. Da ich jeden Morgen die Zeitung im Bett lese, bin ich gut auf dem Laufenden. Manchmal lache ich laut ab den Leserbriefen.

Zum Beispiel streiten sich einige Leser mit unterschiedlichen Meinungen schon seit Wochen über das Thema: „Babies in öffentlichen Räumen stillen“ (In Hong Kong nicht gerade gern gesehen). Gestern war ein grosser Artikel mit Foto von einer Chinesin, die mit ihrem Baby in der Bibliothek sass – in der Kinderabteilung – als ihr Baby weinerlich wurde. Vorsichtig gab sie ihm die Brust, dabei darauf achtend, dass man nichts sah. Ein Angestellter kam daraufhin auf sie zu, sie solle den Raum verlassen. „Essen und Trinken“ sei verboten…
Er zeigte auf das entsprechende Schild. Aber es gab auch noch ein anderes Schild an der Wand: Ruhe bitte! Klar, es ist eine Bibliothek… Aber wenn die arme Frau das Kind nicht stillt, ist es doch logisch, dass es zu schreien beginnt. Was ist jetzt schlimmer: Das Schreien des Kindes oder das Stillen?

Weitere Artikel: Teures Pflaster:
Hongkong wurde auch dieses Jahr wieder zur „freest economy of the world“, die „freieste Wirtschaft weltweit“ gewählt: Wegen den hiesigen freien Marktwirtschaftsregeln, dem Mangel an Handelsgrenzen und den tiefen Steuern bekam Hongkong SAR diesen Titel auch diesmal, schon mehrere Jahre in Folge. Für Unternehmen, die sich geschäftlich nach China ausweiten wollen, ist Hong Kong der ideale Ausgangsort, weil es hier so einfach ist, eine Firma zu gründen. Auch deshalb trägt Hong Kong wohl den Titel „most unaffordable housing“ und trägt einer der teuersten Lebenshaltungskosten-Indexe weltweit. Falls man es ohne Expatvertrag in Hongkong schaffen will, ist man fast gezwungen, weit ausserhalb zu leben, um den Kopf einigermassen über Wasser halten zu können.
Anmerkung: Die Sonderverwaltungszone bedeutet „ein Land, zwei Systeme“. Hong Kong bleibt seit der Übernahme ein demokratisch-marktwirtschaftliches System, damit die Rolle als Finanzzentrum weiter gesichert ist. Eigene Gesetze sind zwar erlaubt (Zoll, Währung etc.), aber die Regierung seitens Peking mischt sich immer wieder in die Innenpolitik ein.

Hongkong vergleicht sich mit der Schweiz: Interessanter Artikel für mich als Schweizerin:
Da staunte ich nicht schlecht: „Das Matterhorn“ blickte mir aus der Zeitung entgegen! Eine originelle, bunte Illustration, welche ¼- Zeitungsseite ausmacht: Das Peak-Tram von Hongkong ist darauf abgebildet, wie es zum Gipfel des Matterhorns rauffährt. Am Hafen entlang sind einige Hochhäuser gezeichnet, eins davon in der Form eines löchrigen Käses. Wir alle hier kennen das Gebäude. Es steht im Central und hat tausende von runden Fenstern, auch liebevoll „Haus der Tausend Arschlöchlein“ genannt, aber darauf will ich jetzt nicht weiter eingehen…. Aus der Wanduhr sprang ein Kuckuck, nur dass es kein Kuckuck war, sondern ein chinesischer roter Drache, der ein Alphorn bläst… In einem Hongkong-Tram fuhr ein Steinbock mit und auf der linken Seite schoss die Schweizer Flagge empor, allerdings mit der Bauhinia-Blume, die für die Stadt Hongkong steht. Es war ein Bericht darüber, dass Hongkong der Schweiz ähnlich sei und viel von ihr lernen könne. Beides sind Finanzcenter, beide stark im Dienstleistungsbereich, beide verlangen hohe Preise für hervorragende Qualität, beide sind sehr teure Nachbarn für die umliegenden Länder. Und: Hongkong als kleines Sondergebiet stehe inmitten eines riesigen China-Marktes, wo es sich behaupten muss, wie die Schweiz inmitten der EU-Staaten.

© B. Isliker

Liebesgrüsse aus Hong Kong: wöchentliche Episoden / gekürzte Erfahrungsberichte über  meine Zeit als Expat in der momentan drittgrössten Metropole China‘s.  by schreiberling.co.uk