Liebesgrüsse aus Hong Kong: wöchentliche Episoden / gekürzte Erfahrungsberichte über meine Zeit als Expat in der momentan drittgrössten Metropole China‘s.
Die Vergangenheit ist vergessen. Meine Arbeit, meine Freunde, sogar die Familie: Räucherstäbchen vernebeln meine Sinne vom ersten Augenblick an… ich spüre die Energie dieser Stadt, fühle mich beflügelt und inspiriert und tauche voller freudiger Erwartung ins Abenteuer ein.
Ankunft: Wer noch nie in Hong Kong war, muss es sich so vorstellen: Tausende von Beton-Dominosteinen, vertikal neben- und hintereinander platziert. Hochhäuser, dunkelgrüne Hügellandschaft, Wasser, Taxis, noch mehr Hochhäuser. Daraus quellen rund sieben Millionen Einwohner; davon 95 % Chinesen. Der Rest teilt sich auf einen bunten Mix anderer Nationalitäten mit „local contracts“, Expats und Touristen auf. Touristen, die in ständiger Rotation aus dem Flugzeug schlüpfen, die Einkaufcenter durchstöbern, um nach wenigen Tagen schon wieder – mit gefüllten Designertragtaschen oder gefälschten Uhren, je nach Budget – zurück zu jetten. Die nächste Maschine ist längst gelandet, eine weitere Ladung Touristen ist im Anmarsch. Neben Chinesen und anderen Nationalitäten leben auch Hunderttausende von Haushalts-hilfen (Maids) in der Sonderverwaltungszone Hong Kong. Hauptsächlich aus den Philippinen und Indonesien halten sie als völlig unterbezahlte weibliche „Heinzelmännchen“ die Wohnungen der Stadt sauber, kümmern sich dabei um den gesamten Haushalt, inklusive Kinder und Haustiere. Dann gibt’s noch welche wie mein Mann und ich: Die Expats.
„Expatriates“ sind ja unterdessen in allen Ecken der Welt vertreten: Angestellte, die von Seiten einer internationalen Firma in eine Zweigstelle im Ausland versetzt werden. Im Heimatland fuchteln die Arbeitgeber mit der Angel, an der vielversprechende Zukunftsvisionen hängen. Sie schwingen den Köder hin und her und locken einen mit unwiderstehlich interessanten Stellenangeboten in die Ferne, versprechen einem Karriereluftsprünge à la carte. Mein Mann und ich – sein Anhängsel, welches wohl oder übel mitfinanziert werden muss – haben ebenfalls angebissen. (Nicht nur wegen den beruflichen Aussichten, immerhin muss ich als Partnerin ohne Arbeitsbewilligung meinen eigenen Job für den Moment aufgeben, sondern wegen der horizonterweiternden Lebenserfahrung, die uns reizt.) Der Expat-Vertrag ist auf zwei Jahre abgeschlossen, Verlängerung nicht ausgeschlossen. Seit September leben wir als kinderloses Paar mit entsprechend gültigem Visum und „Residenz-Erlaubnis“ in „Asia’s World City“.
Das subtropische Klima ist wie erwartet feucht und heiss, aber die Feuchtigkeit raubt uns wortwörtlich den Atem, obwohl in Hong Kong der Herbst einer der angenehmsten Jahreszeiten ist. Es ist genau umgekehrt als zu Hause: Es wird gekühlt, anstatt geheizt. Oft ist es der reinste Saunadurchgang, von der Hitze direkt in die eiskalt runter gekühlten Shoppingcenter oder Restaurants, sodass es an die nackte Schulter zieht. Da mein Mann selten seine nackte Schulter zeigt, leide natürlich nur ich darunter. Aber ich lerne schnell:
So wie die Engländer wohl kaum ohne Regenschirm aus dem Haus gehen, verlasse ich das Hotelzimmer nie ohne Pashmina-Schal.
© B. Isliker
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