(Conspiracy Records) 2011
Man stellt es sich inspirierend vor, wie das Künstlerkollektiv um Faith Coloccia (Ex-EVERLOVELY LIGHTNINGHEART, HOUSE OF LOW CULTURE) und Aaron Turner (Ex-ISIS, HOUSE OF LOW CULTURE, OLD MAN GLOOM) im kreativen Kämmerlein geduldig an neuen MAMIFFER-Songs werkelt. Dort, wo furchtlos mit allerlei Sounds und Instrumenten experimentiert wird und der situative Zufall gleichwertig am düster-dröhnenden Werk ist wie gelenkte Neugier. Musikalische Ideen werden hier nicht hastig in Form gepresst. Tatsächlich wurden für „Mare Decendrii“, dem Nachfolger des 2008 erschienenen Debuts „Hirror Enniffer“, durch Improvisation die womöglich schönsten, schwere(n)-losen Töne gesucht, mit ganz viel Herzblut verlangsamt und klanglich verewigt. Ein intuitiv-kollaborativer Schaffensprozess, zu dem illustre Gastmusiker wie Aaron Harris (Ex-ISIS), Don McGreevy, Joe Preston (beide Ex-EARTH), Violinist Eyvind Kang (SUNN O))), MIKE PATTON), Brian Cook (RUSSIAN CIRCLES, Ex-THESE ARMS ARE SNAKES) und Produzent Randall Dunn (WOLVES IN THE THRONE ROOM, BJÖRK) eingeladen wurden. Daraus hervorgegangen ist ein wertvolles Stück Entschleunigungsmusik, dem nicht nur post rock-/drone-/ambient-affine Menschen ein Ohr leihen sollten. Einmal hingehört, wird man vollkommen eingenommen von einer sich geheimnisvoll ausbreitenden Faszination, die vor allem aus dem über allem thronenden Klavier erwächst. Das nämlich darf dank Songwriterin/Pianistin Faith wunderkindgleiche Melodien finden, in dessen aufwühlender Traurigkeit man sich bald heimisch fühlt. Mal dissonant, mal konsonant gespielt, tastet sich das wohl schönste Instrument der Welt in „As Freedom Rings“ schleichend heran, ein spannender Ton folgt langsam ausklingend auf den nächsten. Hingebungsvoll entfaltet sich, angespült von dröhnend-verzerrten Gitarrenflächen, eine berauschend-ergreifende Melancholie, die fortan als alles ummantelndes Grundgefühl mitschwimmt. Darin weggetragen befindet man sich in einem Zustand zwischen Besinnung, Zerstreuung und Katharsis und ist nicht selten überrascht, mit welcher Eleganz Songstrukturen aufgebrochen, Melodieführungen verändert, Monotonien lebendig gemacht werden. „We speak in the Dark“ - eine schaurig-schummrige Nachtmusik, die in 20 Minuten bedrohliche bis niederschmetternde Abwärtsbewegungen in eine zuversichtliche Symbiose aus Streichern und Tasten verwandelt oder durch kryptisch-konspirative Stimm- bzw. Gesangsfragmente und unheimlich-noisige Parts zu einem aufschreckend-reizenden Nervenkitzel avanciert. Dabei ist Effektspiel nie Hascherei. Jeder Song ein gerade mit Minimalismus reich erfülltes, zeiteinräumendes Refugium, in dem man durchatmen, auch mal Stille genießen kann; das aber nie regungslos dahinplättschert. Inmitten von „Eating Our Bodies“ tut sich eine Flut auf, mit der man, in dunkel kolorierte Wellen der Schwermut eingewickelt, in ein Meer intensiver Emotionen gesogen wird, die durch das eindringliche Pianospiel tausendfach verstärkt werden. Und immer wieder wird warmes Licht ins widergespiegelte Dunkel gebracht. Wenn das Herz bei „Iron Water“ schwer und der Kopf leicht wird, mischt sich das Trübe mit Euphorischem. Angesichts des hektischen Treibens unserer Tage ist „Mare Decendrii" ein erholsames Gegengewicht. Eine bleibende, schwarz-weiße Momentaufnahme zwischen flüchtigen, grellen Schnappschüssen.Text: Jenny Woronow