Da wir nun schon auf Lilli Green über die neusten Do-it-yourself – Experimente mit dem Bioplastik PLA (Polylactid) berichteten, werde ich heute – zugegeben didaktisch in falscher Reihenfolge – eine Einführung in dieses Material geben.
Vielleicht kennt auch ihr das unangenehme Gefühl, wenn man sich ein paar Äpfel kaufen will und ob man nun will oder nicht, liegen diese in Plastik verpackt im Geschäft und müssen in dieser Form erworben werden. All diese Milliarden Plastikhüllen, die nicht “thermisch verwertet” also verbrannt werden und tonnenweisen auf Müllhalden umherfliegen und, schlimmer noch, in unseren Ozeanen schwimmen – was haben die an Äpfeln zu suchen, die alsbald verzehrt werden?
Die Hersteller sind sich dieser grundlegenden Frage ihrer Kunden durchaus bewusst, zwar wünscht der Verbraucher hygienische Verpackungen und ein leichtes Transportgewicht ihrer Produkte, doch das Müllproblem nagt am Gewissen so manch eines Konsumenten.
Dies war auch Bernd Merzenich 2006 den Versuch wert bei einer Drogeriekette Mineralwasserflaschen aus kompostierbarem PLA zum Verkauf feil zu bieten. Leider entpuppte sich der Umsatz als Flop.
Was genau der Grund war, weiß man bis heute nicht. Vielleicht weil aus den atmungsaktiven Flaschen Sauerstoff entwich und diese in der Warenauslage bald unansehnliche Verformungen zeigten. Der Verkauf der Getränkeflaschen wurde nach dem Sommer 2006 eingestellt und nicht wieder aufgenommen.
Aber die Forschung geht weiter und diesmal ist es der Hersteller Prima aus den USA, der zusammen mit der Ritz Carlton Hotelkette erneut ein Etablieren des Biokunststoffes versucht. Die Hotelkette plant alle ihre PET Wasserflaschen in den Staaten durch das amerikanische Bioplastikprodukt zu ersetzen.
Die Ritz Carlton Hotelkette will in den USA nur noch Wasserflaschen aus Prima Bioplastik verwenden.
Quelle: http://primabottle.com/home/
Nun wird es spannend. Macht das Sinn?
Wie ist eigentlich genau die Ökobilanz im Vergleich zu ölbasierten Kunststoffen? Die Meinungen gehen hier auseinander und ich will versuchen den Lilligreen Lesern einen Überblick zu verschaffen. Polymilchsäure, die auf Basis von Maisstärke oder Zuckerrüben hergestellt wird, weißt einige positive Eigenschaften auf: Es ist wie PET zu verarbeiten und kann als Folie oder Plastikteil produziert werden. Daher gibt es die Möglichkeit auf dem Markt das Herkömmliche PET damit zu ersetzen. Allerdings ist es nicht besonders hitzebeständig (sofern keine Additive und andere Polymere hinzugesetzt werden) und wird schon ab 50 °C weich. Dafür aber, da seine Basis ja Naturstoffe sind, ist es beim Verbrennen und Zersetzen auf dem Kompost CO2 neutral. Leider aber bedarf es einer industriellen Kompostieranlage um PLA zu zersetzen, da es erst unter Hitze langsam zerfällt.
Das verführerische Bild vom Spaziergang mit Eis, dessen Verpackung man leichten Herzens einfach an den Wegesrand wirft, weil es ja biologisch abbaubar ist und der Erde als Dünger dient, wird dadurch leider getrübt. Blickt man über diese Wermutstropfen hinweg eröffnen sich allerdings durch andere Vorteile der Polymilchsäure durchaus spannende Anwendungsbereiche.
PLA Flaschen diffundieren keine schädlichen Stoffe wie Antimon oder BPA (ein den Hormonhaushalt schädigendes Gift) in das Trinkwasser. Der Film Plastic Planet zeigt die bedenklichen Folgen der Aufnahme dieser Schadstoffe aus typischen Plastikflaschen.
Tausende von Seevögeln, Fischen und Meeressäugern verenden jährlich, weil sie durch geschluckten Plastikmüll kläglich verhungern.
Quelle: http://www.baerfacts.de/
Auch in Bezug auf Hygieneaspekte punktet das Material PLA. Als Implantat (z.B. Schrauben, Fäden) kann es vom Körper abgebaut werden und erspart so manch einem Kranken eine zweite Operation. Kleidung aus PLA transportiert Körperschweiss nach aussen statt ihn aufzusaugen, so daß sich beispielsweise der Hersteller Salewa diesen positiven Aspekt zunutze machte und atmungsaktive natürliche Kleidung auf den Markt brachte. Das haptisch weiche Material ist somit auch für Hygieneartikel denkbar, wie Windeln und Binden.
Nun folgt die durch Studien immer noch nicht genügend belegte Antwort auf die Frage nach der Ökobilanz. Nach einer Studie des Energieexperten Martin Patel von der Universität Utrecht werden bis zu 20 Prozent Energie bei der Herstellung von PLA im Vergleich zu PET gespart, der zuvor genannte Hersteller Prima wirbt auf seiner Website mit bis zu 45 Prozent.
Doch kann PLA unsere Verpackungssorgen lösen? Werden wir vielleicht in Zukunft besseren Gewissens Trinkflaschen kaufen und die PET – Flaschen aus den Läden verbannen? Hier sieht es allerdings nicht so rosig aus.
Auch Kraftstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen wurden einst als mögliches Substitut für Rohöl gepriesen. Doch nur kurz, dann erdete uns wieder die Erkenntnis, dass die tonnenweise Herstellung von Pflanzenöl eben auch intensive Landwirtschaft bedeutet, die Land zerstört und die Ökosysteme mit ausgeschwemmten Düngemittelüberschüssen vergiftet.
Darüberhinaus wurde in einer Studie von 2008 zur Fussball EM festgestellt, daß Mehrwegbecher und Pappbecher umweltfreundlicher sind als die PLA Variante.
Was folgt daraus? Wir sollten abwarten, was die nächsten Versuche auf dem Markt mit den Folien ergeben da es immer noch an genügend Studien mangelt, um hier ein endgültiges Urteil zu fällen. In einigen Anwendungsgebieten aber ist PLA eine gute Alternative zu herkömmlichen Kunstoffen. Wer sich nicht mit Plastikgiften belasten will, kann vielleicht bald zur PLA Trinkflasche greifen, in der Medizintechnik hat sich das Material allemal bewährt. Wie bei vielen Problemen unserer Menschheit ist ein ganzer Sack voll Lösungen von Nöten, die an unterschiedlichen Stellen angreifen – Polymilchsäure wird auch unser Verpackungsproblem aus dem Supermarkt nicht lösen.
Was tun also? Sofern es geht, sollte man Signale setzen! Im Bioladen und an vielen Supermarkttheken wird zur Gänze auf die Plastiktüten verzichtet.
Mulchfolie aus PLA-Blend Bio-Flex
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Polylactide