Das Pixelprojekt Ruhrgebiet sammelt seit 2003 Fotografien als regionales Gedächtnis. Im Wissenschaftspark Gelsenkirchen wurden am 14. Juli die Neuaufnahmen dieses Jahres präsentiert. Insgesamt bewarben sich 129 Fotografinnen und Fotografen mit 173 Arbeiten, von denen 31 Beiträge aufgenommen wurden. Auch in diesem Jahr sind wieder einige Bilderserien dabei, die sich mit Stadt und Architektur auseinandersetzen.
Benito Barajas ist mit seiner Serie “Lost Spaces Graffiti” Sprayern gefolgt, die – oft außerhalb der öffentlichen Wahrnehmung – an abgeschiedenen Orten wie alten Bahnhöfen, Fabriken, verlassenen Häusern und Mauerresten ihre Graffitis und Tags angebracht haben.
In ihrer Serie “Tief im Westen” zeigt Sabine Bungert (Innen-)aufnahmen der Bochumer Ruhr-Universität, die in ihrem Architekturkonzept bis heute kontrovers diskutiert wird. Dominiert wird die Konzeptarchitektur der ersten Universitätsneugründung der Bundesrepublik aus den den 1960er Jahre fast ausschließlich vom Baustoff Beton.
Gleich zwei Bilderserien beschäftigen sich in diesem Jahr mit Läden und ihren Besitzern. Während Michael Dannenmann in “Ladenportraits” Aufnahmen aus den 1980er Jahren zeigt, auf denen heute kaum noch vorhandene inhabergeführte Geschäfte mit den damaligen Inhabern zu sehen sind, wählte Simone Rosenbauer einen anderen Ansatz. In der Serie “Ladenbesitzer” portraitierte sie ehemalige Ladeninhaber in den inzwischen leer stehenden Geschäftsräumen.
Mit dem Blick von außen machte sich Silvan Fessler aus Zürich, der drei Jahre lang in Dortmund lebte und an der FH Fotografie studierte, ein Bild der Region und zeigt in der Serie “Unterwegs im Ruhrgebiet” Eigenheiten der Architektur, der Menschen und ihrer Lebensräume.
Daniel Müller Jansen, der vor kurzem hier im Blog ausführlich vorgestellt wurde, ist mit seiner Arbeit “Diffuse Vertrautheit” neu im Pixelprojekt vertreten. Das typische Nebeneinander von Industriekomplexen und Wohngebieten entlang der Emscherperipherie wird darin mit einer Bildsprache thematisiert, die einen lebendigen, farbigen Bildvordergrund mit diffusen, nebligen Hintergründen kombiniert.
Mit dem ebenso trennenden wie verbindenenden Infrastrukturband der Autobahn 40, die sich auf die uralte Salzhandelsstraße Hellweg zurückführen lässt, beschäftigten sich zwei Fotografen: Bernd Langmack stellt in der Serie “Hellweg” Räume ud Orte enlang der A40 vor, die allgemeinhin als Unorte oder Zwischenstadt bezeichnet werden. Einen anderen Ansatz verfolgt Sebastian Mölleken (siehe auch Blog-Einträge vom 12. Oktober 2010 und 2. März 2011), der in der Serie “A40″ die Landschaft rechts und links der Verkehrstrasse und Portraits von Menschen aus diesem Raum nebeneinanderstellt.
In der akribischen fotografischen Bestandsaufnahme “Brandmauern” dokumentierte und typologisierte Andreas Schiblon 1987 Brandwände in verschiedenen Städten des Ruhrgebiets, die als Werbefläche für Unternehmen genutzt wurden.
Mit dem südlichsten Gelsenkirchener Stadtteil beschäftigte sich Pedro Malinowski und versucht mit der Serie “Ückendorfer Landschaften” die Vorurteile gegen diesen Stadtteil zu mildern und gleichzeitig auf Änderungen in der Stadt-Morphologie aufmerksam zu machen.
Joachim Schumacher hat sich bereits 1985 die Stadtlandschaft des Ruhrgebiets zum Thema genommen und zeigt unter dem Titel “Endlich so wie überall? – Landschaft des Ruhrgebiets” seine Sicht auf die Region. Die Arbeit ist seinerzeit mit Mitteln aus der Kulturstiftung Ruhr im Zeitraum eines Jahres aufgenommen worden.
Inzwischen ist der Strukturwandel weiter fortgeschritten und viele Abraumhalden sind zu Naherholungsgebieten und Landmarken umgestaltet worden. In der Fotoserie “Haldenland” beschreibt Edi Szekely die Geologie des Ruhrgebiets als das einzige künstliche Mittelgebirge Europas.
Mehrere angenommene Bildserien beschäftigen sich in diesem Jahr mit der Stadt Duisburg: Die Fotografin Regina Minwegen schuf bereits 1993 als freie Semesterarbeit während ihres Studiums an der Uni GH Essen die Serie “Duisburg” mit Bildern einer Arbeitersiedlung in unmittelbarer Nähe des Thyssen-Krupp-Stahlwerks. Mit dem Stadtteil Bruckhausen beschäftigten sich sowohl Bettina Steinacker als auch Annette Jonak. In der Serie “Duisburg Bruckhausen – Grüngürtel Nord” dokumentiert Bettina Steinacker die Umwandlung eines Siedlungsbereichs, der nach und nach abgebrochen und zu einem Grüngürtel umgewandelt wird. Annette Jonaks Serie “Der Stand der Dinge. Bruckhausen” zeigt Impressionen aus dem von seiner außergewöhnlichen topographischen Lage geprägten Stadtteil zwischen Thyssenwerk und A42. Daniel Sadrowskis Schwarz-Weiß-Serie “Duisburg, Karl-Lehr-Straße” entstand nach der Loveparade 2010, bei der nach einer Massenpanik an einer engen Tunnelrampe in der Karl-Lehr-Straße 21 Menschen ums Leben kamen.
Eine weitere Arbeit von Annette Jonak schaffte die Aufnahme ins Pixelprojekt: In der Serie “Cami” werden Moscheebauten vorgestellt, die mit den typischen Architekturmerkmalen Kuppel und Minarett ausgestattet sind. Auch wenn die muslimische Bevölkerung ‘angekommen’ zu sein scheint finden sich die Moscheen nach wie vor meist an den Stadträndern und einer oft marginalisierten Peripherie.
Auch in diesem Jahr sind weitere Serien mit klassischen Ruhrgebietsmotiven aus Bergbauzeiten eingereicht und angenommen worden: Daniel Stemmrich zeigt Bilder der Essener Zeche Zollverein aus dem Jahren 1984 bis 1986 und Michael Kamper eine Schwarz-Weiß-Serie von Fördergerüsten unterschiedlicher Bautypologien.
- Website des Pixelprojektes Ruhrgebiet (die Neuaufnahmen dieses Jahres sind gekennzeichnet)
- Website des Bildsprachen-Projektes
- Website des Wissenschaftsparks Gelsenkirchen
Ausstellung der Neuaufnahmen
Wissenschaftspark Gelsenkirchen
Munscheidstraße 14
45886 Gelsenkirchen
14. Juli bis 17. September 2011