Pisa oder die Schule der Verlierer?

Dass Pisa eine Stadt in der Toskana ist, in der ein schiefer Turm steht, weiß vermutlich nicht jeder deutsche Schüler. Dass PISA aber etwas durchaus Hassenswertes ist, das einem eine Menge blöder Extra-Tests und noch mehr öde Unterrichtsstunden eingebrockt hat, dagegen schon.

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Photo: yeowatzup

Nachdem man sich in Deutschland ja lange Zeit etwas auf die angeblich so solide wie umfassende Bildung der deutschen Schüler eingebildet hat, schließlich hat Deutschland eine Menge Nobelpreisträger und ein Wirtschaftswunder zustande gekriegt, kam im Jahr 2000 der Schock: Deutsche Schulkinder können in Vergleich zu denen aus anderen Ländern weder besonders gut lesen, noch rechnen und naturwissenschaftliche Zusammenhänge kapieren sie auch nicht, weshalb sie auch keine besonders kompetenten Problemlöser sind.

Daraufhin setzte große Hektik ein. Deutschland als klassische Bildungsnation (Goethe! Humboldt! Einstein!) muss sich plötzlich mit dermaßen dummen Schülern rumschlagen? Wie konnte das passieren?

Immerhin zeigte sich ganz klar, dass Akademiker-Kinder nicht ganz so doof wie andere Kinder sind. Und wenn die Eltern auch noch tüchtig in Nachhilfe investieren, dann geht da schon was. Folgerichtig wird weiterhin verbissen am Gymnasium festgehalten, denn Eliten sind wichtig, weil man die viel zielgerichteter (also effektiver) fördern kann. Wenn man die schlauen Kinder auf die gleiche Schule schickt wie die dummen Kinder (also die mit Eltern, die nicht studiert haben oder aus anderen Gründen nichts geworden sind) dann müsste man ja alle fördern – aber wozu?! Warum soll man allen Kindern zum Abitur verhelfen, wenn es hinterher ohnehin nur für die besten entsprechende Jobs gibt?! Und warum sollte man riskieren, dass da am Ende auch ein paar dabei sind, die die falschen Eltern haben?

Andererseits sollten auch die minderbemittelten deutschen Schüler wenigstens lesen, schreiben und rechnen können, wenn sie mit der Schule fertig sind. Sonst hat nämlich der Standort Deutschland ein Problem: Die Unternehmen klagen ja schon länger, dass ein immer größerer Anteil an Auszubildenden „nicht ausbildungsreif“ seien, weil sie nicht mal oben genannte Grundfertigkeiten beherrschen, von weiteren Tugenden wie Pünktlichkeit, Höflichkeit und einer gewissen Bereitschaft zur Unterordnung mal ganz abgesehen. Wie löst man nun das Dilemma, allen Kindern soviel beizubringen, dass sie funktionierende Staatsbürger werden, die genug gelernt haben, um anständig Steuern zahlen zu können, gleichzeitig aber freundlich und bescheiden bleiben und nicht am Ende auch noch Elite werden wollen?

Ganz einfach: Man lässt die Schule, wie sie ist. Genau das passiert auch. Denn sämtliche Schul- und Bildungsreformen ändern nicht das Geringste am Prinzip: Die Schüler werden in der Grundschule sortiert und bekommen kleine Preisschildchen angeheftet, wie im Kapitalismus halt alles einen Preis haben muss, damit es existieren darf. Genauso funktionieren Schulnoten nämlich, eine Eins ist teuer, Drei Durchschnittware, Vier Billigramsch. Alles darunter ist Ausschuss. Den muss man natürlich gering halten, das weiß jeder Produzent. Und selbst Lehrer, die das nicht gut finden, weil sie noch immer glauben wollen, dass Schule zum Lernen da sei und nicht zum Sortieren, stellen das System nicht infrage. Warum eigentlich nicht?

Zum Weiterlesen empfehle ich:

Das Schulsystem zwingt uns, Verlierer zu produzieren

…und will es bis heute nicht glauben!

Eine Geschichte wie die der Lehrerin Sabine Czerny kenne ich aus meiner eigenen Schulzeit, die mittlerweile ein paar Schulreformen zurückliegt. Einer meiner Lehrer, ein Dr. Dr. aus Lateinamerika, der für ein Schuljahr den Religionsunterricht an meiner Schule übernommen hatte, wollte uns allen im Kurs eine Eins geben. Das durfte er natürlich nicht. Er schilderte uns seinen Unmut und erklärte dann, er habe mit der Schulleitung den Kompromiss erzielen können, uns allen eine Zwei zu geben. Das war allerdings nicht in Bayern.


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