Piraten-Skandal: Twi'leks gehören nicht ins Berliner Abgeordnetenhaus

Man könnte selbstverständlich heute morgen über die große Euro-Rettung vor zwei Wochen schreiben, die seitdem zwei Regierungschefs hinweggefegt hat und merkwüdigerweise das Ansehen unserer Nicht-Regierungschefin einen großen Ansehensgewinn beschert hat. Schon jetzt zeichnen sich da Pointen ab, die man allerdings erstmal reifen lassen sollte; bereits in drei Monaten dürfte ein entsprechender Eintrag dreimal so komisch sein. Ich könnte natürlich auch warten, bis die Italiener dann 2017 mit großer Mehrheit das neueste Parteiprodukt des Sylvio Berlusconi kaufen - TV-Shopping auf dem Gipfel. Wenn ich eines weiß, dann zumindest, dass ich über die Rettung des Euros noch sehr, sehr lange schreiben werden darf. Also widmen wir uns doch wirklich wichtigen Dingen. Wie zum Beispiel den Piraten.

Springers aktuelle Kampagne gegen die in Berlin so erfolgreiche Partei ist vor allem lustig, weil sie ein direktes Ergebnis ihrer Kampagne gegen die zuvor ständig so erfolgreiche Partei ist, nämlich den Grünen. Ihren Triumphzug durchs Superwahljahr verdankten die Grünen im Endeffekt genau der Sorte Wähler, die jetzt das Ergebnis der Piraten auch in bundesweiten Umfragen hochtreibt - ganz wissenschaftlich könnten man sie "die Verlassenen" nennen, und wenn man mal genauer hinsieht, ist es die immer noch recht beachtliche Masse von Leuten, die früher eigentlich SPD gewählt hätten und die seitdem planlos herumwandern auf der Suche nach einer Partei, die irgendwie alles schön und kuschelig macht. Oder, um mal mit Tucholsky zu sprechen: Mit der man gut Kaffee trinken kann. Mit der SPD konnte man immer sehr gut Kaffee trinken.

Deswegen ist das absehbare Ergebnis dieser Kampagne auch schon witzig, bevor sie endet: Der überzeugte Piratenwähler wird danach entweder sauer werden, dann geht er wieder mal zur Linkspartei, oder er besinnt sich darauf, dass man mit uns ja doch ganz gut Kaffe trinken kann, deswegen rutschen wir auch gerade überall in Richtung 30 Prozent. Bis dahin bekommen wir aben jeden Tag mindestens einen Artikel über den Untergang des Abendslandes, den diese böse Piraten heraufbeschwören - wo? WO? Na, auf WO natürlich.

Da gibt es natürlich auch einiges zu schreiben - über ehemalige NPD-Mitglieder zum Beispiel, obwohl ich nirgendwo lesen kann, was eigentlich passiert ist: Nämlich dass in der Tat, als noch keiner die Piraten außerhalb des Netzes kannte, ein Teil der braunen Bewegung seine Chance gekommen sah, diese vielversprechende Plattform in ihrem Sinne zu nutzen. Wer ein bißchen wühlt, wird feststellen, dass sie es auch fast geschafft hätten, die Partei zu übernehmen, aber eben nur fast. Mittlerweile sind die echten Nazis wieder zurück in ihren Löchern - bzw. in neuen Löchern wie "die Freiheit" - aber einige sind halt auch schlichtweg geheilt worden. Und davon muß man sich nicht distanzieren, dafür muß man sich feiern.

Man könnte auch über die hochgespielte "Daten-Panne" schreiben. Da es sich aber eigentlich nur um das Äquivalent eines Tippfehler handelte,muß ich entweder lügen, um die Piraten schlecht aussehen zu lassen, oder ich habe faktisch keine Nachricht mehr. Natürlich haben sich die meisten Medien dafür entschieden, das ganze aufzublasen und damit einmal mehr aller Welt verkündet, dass die Piraten Amateure sind. Bei einer Partei, die vor allem als Alternative zu den Professionellen gewählt wird, eine su-per Strategie.

Das gilt auch für die Baum'sche Forderung nach einem Schulfach "Rauschkunde" - für die meisten Medien nur ein Anlaß, einfach noch mal sämtliche Verfehlungen der letzten zwei Monate aufzulisten, ohne sich weiter mit dem Thema auseinanderzusetzen. In einem Land mit 8 Millionen Menschen, die als A- oder B- Alkoholiker gelten und in Familie, Betrieb und Straßenverkehr Verheerungen anrichten, neben denen sämtliche Top-News der letzten Jahre zusammengenommen immer noch verblassen, ist das eine Bankrotterklärung. Wobei: Rauschkunde brauchen wir nicht. Aber eine kleine Projektwoche, in der die Schüler den Auftrag haben, die negativen Auswirkungen von Rauschmitteln zu recherchieren, wäre keine schlechte Idee.

Und darüber schreiben unsere Medien natürlich auch, bis die Tastatur qualmt. Aber die definitive Nr. 1 unter den Piraten-sind-böse-Artikeln ist dieser junge Mann hier:

twi

DAS ist ein "Latzhosen-Pirat". Es gab mal Zeiten, da haben wir unseren gewählten Abgeordneten den Respekt erwiesen, sie selbst in negativen Artikeln mit ihrem Namen zu nennen, aber über solche Feinheiten ist man bei Springer hinaus. Die große Nachricht ist: "Latzhosen-Pirat darf während Sitzung Kopftuch tragen". Ja, ich war auch schockiert. Wo wir doch wissenschaftlich bewiesen haben, dass Anzug und Krawatte Menschen klüger, informierter und insgesamt zu besseren Politikern machen. Ich zum Beispiel habe mir gerade meinen ersten Hosenanzug gekauft, werde allerdings 2017 erst meinen Termin bei Udo Waltz haben, also zu einem Zeitpunkt, wo ich endgültig keine Haare mehr haben werde.

Aber es ist ja nicht nur eine Latzhose, es ist eben ein Kopftuch. Ja, ich habe es lange nicht mehr geschrieben, aber, jetzt mal ehrlich:

KREISCH

Da werden fremde Konflikte in unsere so konfliktfreien Parlamente getragen, da redet einer über Frieden irgendwo da draussen, wo er doch eigentlich über Hundesscheisse reden sollte, wie sich das für einen echten Berliner gehört. Vielleicht bekommt er natürlich auch nur eine Glatze, und das ist der Weg, wie er es verheimlicht, aber Star Wars gehört einfach nicht ins Rote Rathaus.

twi

Ich gebe ja zu, dass das Schicksal der Twi'leks grausam ist, sie sind quer durch die Galaxie verfolgt und versklavt. Aber nicht im Berliner Abgeordnetenhaus. Was das Geschwafel über Palästinenser soll, muss ich erst noch rausfinden.

Bis dahin das Wetter.

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