Piraten sind einäugig: Das Werkzeug ersetzt nicht das Ziel
Die nun auch auf Österreich übergeschwappte Erfolgswelle auf der nun auch die hiesigen „Piratenparteien“ segeln, bringt mich zu einem Thema, das nicht prinzipiell etwas mit Captain Sparrows Nachfahren zu tun hat, aber auch.
Es ist ebenso müßig über ein allfälliges Programm „der Piraten“ zu diskutieren, solange die Heterogenität der einzelnen Proponenten und die Grabenkämpfe der lokalen und überregionalen Parteien noch im Gange sind. So wie die Diskussion bestenfalls belustigen kann, ob den die „Piraterei“ ein demokratischer Betrieb mit Sozialfürsorge war (http://derstandard.at/1334530848859/Tiroler-Piratenpartei-Piratenschiffe-waren-die-ersten-direkt-demokratisch-gefuehrten-Betriebe?).
Ein, offenbar alle „piratesken“ Strömungen kennzeichnendes Merkmal ist der Ruf nach Online-Mitbestimmung der Regierten, wogegen in erster Näherung ja nichts spricht, da ohnehin ein weiter Konsens darüber besteht, dass der Wille zur konstruktiven Mitbeteiligung ein konstituierendes Merkmahl demokratischer Systeme darstellt.
Was mir nur zu denken gibt, dass dzt. viele der gewählte „Piraten“ die Online-Mitbestimmung als wesentlichstes Ziel darstellen, um, … ja was eigentlich zu erreichen? … die Online-Mitbestimmung?
Hier stehen die Piraten eindeutig auf der Seite traditionell linker Strömungen (vielleicht hat Peter Pilz auch deshalb Sympathien für sie http://diepresse.com/home/politik/innenpolitik/749837/Gruene_Peter-Pilz-will-Piraten-ins-Boot-holen? ), wo bisweilen das Werkzeug zur Zielerreichung, „Die Revolution“, fetischhaften Charakter annahm und über das Endziel nach der „Diktatur des Proletariats“ nur mehr sehr vage Aussagen kamen. War hier die „Revolution das Opium der Intellektuellen“ (Lindsay Anderson: O Lucky Man: http://www.flickr.com/photos/stewf/3345506875/ ) scheint mir „Online“ das neue „Aphrodisiakum der Nerds“ zu sein.
Neoliberale und kapitalistische Revolutionen, z.B. der Siegeszug des globalisierten Kapitalismus der letzten 3 Jahrzehnte, haben natürlich auch ihre Fetische (z.B.: „der Markt“), die Unterschiede liegen aber darin, dass diese Revolutionen langsamer und deshalb für viele unbemerkt ablaufen. Zynisch kann man somit sagen, dass sie aus Sicht der Protagonisten intelligenter ablaufen. Ihre Ziele sind naturgemäß auch klarer, da sie quantifizierbare Ziele wie monetären Gewinn und Marktdominanz bevorzugen.
Kehren wir zurück zu unseren Piraten,
dann lässt sich eine gewisse Einäugigkeit nicht verleugnen:
Da die Augenklappe zur Standardausstattung vieler Piraten gehört, mag dahinter sogar volle Absicht stehen ;-)
Im Bestreben bestimmte Werkzeuge des Web 2.0 in die breite Gesellschaft einzuführen, übersehen sie, dass sie hier nur über Werkzeuge sprechen, die für sich genommen einmal kein gesellschaftliches Ziel darstellen.
Neben dem schon angeführten Manko (http://sprechstunde.meinblog.at/?blogId=56104) dass sich Piraten auf das „Kommunikationsmittel“ Internet verlassen, das sie nicht selbst kontrollieren können und das bekanntlich sehr anfällig für Malversationen jeder Art ist (Spyware, Trojaner, Phishing, Spams, Hoaxe, …) scheint mir auch, dass sie auch dem klassischen „G’schupften Ferdl“ Problem anheim fallen:
„I hob ka Ahnung wo i hin wü, dafür bin i gschwinder durt“
Hier fällt einem Albert Einstein ein, der gesagt haben soll:
„Der Intellekt hat ein scharfes Auge für Methoden und Werkzeuge, aber er ist blind gegen Ziele und Werte.“
Das flächendeckende Roll out aller e-Möglichkeiten des 21.Jahrhunderts ist sicher ein wesentlicher Beitrag, um bestimmte Gruppen wieder in den politischen Diskurs zu holen, es ersetzt aber keine gesellschaftspolitische Vision.
Klingt heute wahrscheinlich unheimlich „Retro“, aber die letzten Jahrtausende liefen Änderungen der Gesellschaft ziemlich regelhaft so ab, dass man
ZUERST ein INHALTLICHE ZIEL formulierte und
DANACH NACH MITTELN SUCHTE, wie dieses zu erreichen ist.
Revolutionen, die dies nicht aus den Augen verloren haben,
hatten nachhaltigeren Erfolg als solche,
die sich zuerst nur damit beschäftigten, das Bestehende kaputt zu machen und danach voll damit beschäftigt waren, andere zu bekämpfen, damit ihnen genau diese Aktion nicht gelingen möge. Mit der beständigen Furcht vor „Konterrevolutionären“ täuschte schon die Katholische Kirche, der Kreml und die Neokonservativen das p.t. Publikum mitunter Jahrzehnte über ihr fehlendes Ziel hinweg.
Und noch ein Problem ergibt sich durch die „Einäugigkeit“ aller „Ein-Thema-Parteien“, sie fallen rasch einer stark verfälschten Wahrnehmung
„Wer als Werkzeug nur einen Hammer hat, sieht in jedem Problem einen Nagel.“ Paul Watzlawick