Piraten II

wie es begann

“Das ist doch gar kein Problem, nicht wahr?”, sagt er, “dann machen wir ganz schnell.”
Er erzählt mir etwas von dem neuesten Gerät, von Tröpfchengrössen und deren Assimilation mit Medikamenten. Das macht er immer.
Er hat es einfach. Kaum einen Mitbewerber gibt es auf dem Inhalationsmarkt. Seine Firma ist etabliert, ihr Name ist ein Synonym für Geräte dieser Art, keine andere Firma hat es bisher geschafft, ein ähnliches Sortiment unter die Leute zu bringen.
Schwierig war nur die Umstellung auf Trockeninhalationen, wie sie seit einigen Jahren empfohlen wird.
Bis dahin waren die großen klobigen und lauten Geräte, die mittels Wasserdampfinhalationen die Medikamente in die Lunge des Patienten transportierten, das Maß aller Dinge. Wer als Eltern etwas auf sich hielt, hatte ein Gerät zuhause. Wer keines hatte, konnte sicher sein, dass ihn die Nachbarin darauf hinwies, dass ein solches zur Standardausrüstung der Familie gehört. Man ging zum Doktor, bekam ein Rezept, und war gleich danach stolzer Besitzer eines Blubbergerätes. Schon damals waren die Geräte chronisch Kranken oder Asthmatikern vorbehalten, aber die Verschreibung wurde großzügig gehandhabt.
Das ganze änderte sich, als Studien ergaben, dass die Feuchtinhalation überhaupt keinen oder zumindest wenig Benefit für den Husten oder eine Bronchitis hatte. Bei manchen Kindern mit einer Spastik – einer akuten Enge – in den Bronchien konnte das sogar eine Verschlechterung bedeuten. Es wurde mehr Wert auf das Inhalieren von Pulvern oder Dosieraerosolen gelegt. Da hierfür aber ein koordiniertes Atmen des Patienten Grundvoraussetzung ist – denkbar schwierig bei Kindern – erfand die Industrie so genannte “Spacer”: Reservoirs mit Masken, in die das Medikament hineingesprüht wurde.
Und siehe da: die Kinder inhalierten gut, die Medikamente kamen gut in die Lunge, der Medikamentenverbrauch sank, und die kleinen Patienten wurden schneller gesund. Pech für die Industrie, die mit einem Mal weniger Feuchtinhalatoren verkaufte, da die Ärzte sie nicht mehr verordneten.
“Ich habe Ihnen wieder ein paar Masken mitgebracht, nicht wahr”, er schiebt die Mitbringsel in meine Richtung, “die hat man doch immer im Verschleiss, nicht wahr?”
Ich nicke.
“Naja, so viele Vernebler verordnen wir nicht mehr”, sage ich vorsichtig.
“Weiß ich doch, weiß ich doch”, er nickt, “deswegen gibbet ja nun auch die Spacer von der Firma Pirat. Sehen Sie hier, nicht?”, jetzt hält er etwas blau-gelb-gestreiftes hoch, “wieder mit unserem bekannten Logo, dem Pirat Jack Flöto.”

“Jack Flöto…”, sage ich, “ahja. Jack Sparrow, Jack Flöto, sehr nett.”
“Ja, nicht wahr, da hat die Marketing wieder richtig gute Arbeit geleistet.” Er ist wirklich sehr begeistert.
“Da gibbet dann auch so Heftchen für die Kinners, nicht wahr”, es folgt ein Stapel Buntgedrucktes, “und auch so Augenklappen, finden die Jungens immer ganz gut, nicht wahr”, ein Bündel Augenklappen wechselt die Tischseite.
“Und was macht ein Pirat so beim Asthma?”, frage ich.
“Asthma. Ja…”, überlegt er, “naja, geht ja nicht immer nur um Asthma, nicht wahr, geht ja auch um die Kleinen, so unter zwei, nicht wahr, die wollen auch inhalieren. Finden die wohl gut.”
Er blättert in der Broschüre mit Jack.
“Ah doch hier, ja klar, nicht wahr, Jack Sparrow, äh, Flöto, der Tapfere, also, der kämpft dann hier gegen die anderen Seeräuber um die Herrschaft der Meere, nicht wahr, also wegen dem Wind und so, geht ja sonst nicht mit den Segelschiffen, nicht wahr?”
Ich denke mir, Seeräuber haben selten gegeneinander gekämpft, lasse ihm aber seinen Spass.

Fortsetzung folgt



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