Pintip Dunn – Forget Tomorrow

Pintip Dunn - Forget Tomorrow

Pintip Dunn – Forget Tomorrow

Ich bin nicht der Typ für intensiven Kontakt mit Autor_innen. Ich weiß selten, was ich sagen oder fragen soll. Daher gebe ich normalerweise nie an, dass ich Austausch mit den Schriftsteller_innen wünsche, wenn ich mich für ein Rezensionsexemplar bewerbe. Keine Ahnung, wieso es bei Pintip Dunn und ihrem Debütroman „Forget Tomorrow" anders war. Wie auch immer es dazu kam, hätte mich Pintip nicht angeschrieben und gefragt, was für eine Zusammenarbeit ich mir vorstelle, hätte ich wohl kein Exemplar des Buches erhalten. Meine Bewerbung wurde vom Verlag nämlich nicht berücksichtigt. Als ich Pintip zurückschrieb, dass ich an einem Interview mit ihr interessiert wäre, dafür aber das Buch bräuchte, hat sie sich sofort darum gekümmert. Sie war reizend zu mir. Wir einigten uns, dass ich „Forget Tomorrow" lesen und ihr anschließend meine Fragen für das Interview zuschicken würde.

Zum 17. Geburtstag erhält jeder Mensch ein besonderes Geschenk: eine Erinnerung ihres zukünftigen Ichs, die ihnen zeigt, wer sie eines Tages sein werden. Für die meisten ist es ein freudiges Ereignis, denn die Vision gibt ihrem Leben Sicherheit. Für Callie jedoch ist er ein Albtraum, denn in ihrer Erinnerung ermordet sie ihre kleine Schwester Jessa. Sofort wird sie von der Regierung verhaftet und eingesperrt - in einem speziellen Gefängnis für zukünftige Kriminelle. Callie kann nicht glauben, dass sie zur Mörderin ihrer Schwester werden soll. Es muss eine Möglichkeit geben, ihrem Schicksal zu entgehen. Als eines nachts überraschend ihr Schwarm Logan in ihrer Zelle auftaucht und ihr hilft, zu fliehen, folgt sie ihm in der Hoffnung, dass er ihr ein Leben zeigen kann, in dem sie keine Gefahr für Jessa darstellt. Doch das Schicksal ist ein mächtiger Gegner und die Regierung ist ihr dicht auf den Fersen. Wird Callie stark genug sein, um ihre Zukunft zu ändern?

Es fiel mir sehr schwer, mir einzugestehen, dass ich „Forget Tomorrow" nicht mochte, obwohl die Autorin Pintip Dunn so freundlich und zuvorkommend zu mir war. Ich habe mir Mühe gegeben und mich angestrengt, doch letztendlich hat es einfach nicht gereicht. Natürlich enthält der Roman einige gute Ansätze; mir gefiel das grundsätzliche Thema des Konflikts zwischen Schicksal und freiem Willen und auch die Andeutung eines Zeitreise-Aspekts weckte mein Interesse. Trotzdem denke ich, dass Pintip Dunn einerseits noch ein paar Jahre mit der Veröffentlichung ihres Manuskripts hätte warten sollen und ich andererseits vermutlich zu alt für ihr Werk bin. Es fehlt die Raffinesse, die Feinheit und Sorgfalt in der Konstruktion, die Ausgewogenheit der verschiedenen Elemente, die eine gute Geschichte für mich ausmachen. Auf mich wirkte „Forget Tomorrow" grobschlächtig und eindimensional. Es bot wenig Abwechslung, weil es sich fast ausschließlich auf die Protagonistin Callie konzentriert. Ich fühlte mich beim Lesen, als wäre ich mit ihr in ihrem Inneren eingesperrt. Von der Außenwelt bekam ich so wenig zu sehen, dass ich mir einige Szenen nur bruchstückhaft und unzureichend vorstellen konnte. Ich habe so gut wie kein Verständnis von der Gesellschaft, in der Callie lebt, da diese skizzenhaft und oberflächlich blieb, trotz der faszinierenden Ausgangssituation. Wir sprechen hier über eine Gesellschaft, in der jedes Leben durch eine Erinnerung aus der Zukunft bereits vorbestimmt ist. Die Vision ist nicht privat, sie ist öffentlich. Das bedeutet maximale Förderung, aber auch maximale Einschränkung. Niemand darf einen Weg beschreiten, der die Erinnerung gefährden könnte. Die Regierung setzt alles daran, dass die Menschen ihre Vision erfüllen, notfalls auch durch Zwang. Wie viel hätte Dunn aus dieser Idee herausholen können! Sie schreit ja geradezu nach der beklemmenden, bedrückenden Atmosphäre, die mit einem Übermaß an Sicherheit und einem Mangel an Freiheit einhergeht. Leider verpasste oder verkannte sie diese Chance und richtete all ihre Aufmerksamkeit auf Callie. Ich glaube, sie sieht etwas in ihrer Protagonistin, das ich nicht sehen kann. Ich empfinde Callie als schwach, nervig, egoistisch und kurzsichtig. Sie ist eine im Selbstmitleid badende Heulsuse, deren Stimmung häufig von einem Extrem ins andere wechselt. Ihr Horizont ist winzig; selten beschäftigt sie sich mit etwas anderem als ihren ach so komplizierten Gefühlen für Logan. Immerhin gibt es keine Dreiecksgeschichte, doch das ändert nichts daran, dass ihr verliebtes Geblubber heftig an meinen Nerven zerrte. Logan selbst hätte unter Umständen sympathisch sein können, da ich ihn aber ausschließlich durch Callies Augen sah, erschien er viel zu perfekt, um lebendig und echt zu wirken. Sie stellt ihn auf ein Podest - kein Wunder, dass sie sich ständig unzureichend fühlt und sich bereitwillig von ihm abhängig macht. Ihre kleine Romanze steht mehr im Fokus als die Handlung selbst; „Forget Tomorrow" hinterließ daher bei mir den Eindruck, eher die Geschichte einer kitschigen, kleinlichen Teenager-Liebelei zu sein als die des Kampfes gegen eine totalitäre, dystopische Gesellschaft.

„Forget Tomorrow" konnte mich nicht überzeugen. Ich lese Young Adult Dystopien gern, habe aber gewisse Ansprüche an das Genre. Pintip Dunns Debüt erfüllt diese leider nicht und ich kann mir nicht vorstellen, dass die Nachfolger die Mängel ausbügeln werden. Ich werde daher nicht weiterlesen und auch das Interview mit Pintip wird unter beiderseitigem Einverständnis nicht zu Stande kommen, denn eine solche Situation wäre wohl für uns beide reichlich unangenehm.
Ich rate euch von„Forget Tomorrow" ab, weil es meiner Meinung nach unausgereift ist. Der Geschichte fehlt es an Balance und Glaubhaftigkeit. Vielleicht entwickelt sich Pintip Dunn im Laufe der Zeit zu einer beachtenswerten Autorin und ich möchte nicht ausschließen, dass ich ihr eines Tages noch einmal eine Chance gebe. Im Augenblick hat das Genre jedoch weit besseres zu bieten als „Forget Tomorrow".


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