Pinata, Shampoo und Yum Cha

In Europa kommen wohl höchstens die Finnländer am ersten Januar nach einer heißen Saune in den Genuss, in der freien Natur in ein Wasserloch zu hüpfen. Hier in Australien war das an einem solchen heißen ersten Tag des Jahres nur die logische Folge: Nachdem wir in unserem Camper (der immernoch schräg und in der Sonne stand, auch wenn wir Jimmy gebeten haben, ihn umzustellen) von der sich entwickelnden Hitze aufwachten, ließen wir den Tag ganz ruhig angehen. Anu und wir erzählten uns gegenseitig von unserem letzten Tag des Jahres und Anu fragte uns, ob wir am Nachmittag noch einmal Lust hätten, zum Wasserloch zu wandern. Erst dachten wir an den steilen Hang und was für eine Qual das bei der steigenden Hitze sein möge, aber das kalte Wasser und der natürliche Sprungturm waren dann doch zu verlockend. Außerdem freuten wir uns darauf, Sharon, die Kinder und die Franzosen wieder zu sehen. Es stellte sich heraus, dass die Franzosen zuhause geblieben waren und das ihr letzter Tag bei Chris und Sharon war.

Also kletterten „nur“ wir Helfer (Caro, Freddy, Lena, Carina, Tina, Anja und Katrin(?), Harry, Jere und ich) zusammen mit Sharon, Tommy, William, Jimmy, Anu und Will (Jimmys Sohn) den steilen Hang zum Wasserloch hinunter und erfrischten uns in dem kühlen Nass. Das Wasser war viel wärmer als beim letzten Mal, was dem Genuss jedoch nicht schadete. Ein paar Mal sprangen wir außerdem von der Klippe, ich probierte einen Salto und kam heil unten an, was Jimmy sehr beeindruckte und ihn in seinen scherzhaft gemeinten Machosprüchen etwas einschränkte. Nach genug Abkühlung kletterten wir den steilen Hang wieder hoch. Diesmal ging es erstaunlicherweise schon viel einfachen.

Am Abend versammelten sich noch mal alle Helfer zusammen mit Will, der eine Beziehung mit einer der Helferinnen angefangen hatte, im „Beeshed“. Das Beeshed war ein geräumiger Schuppen, in dem auf der einen Seite der Honig verarbeitet wird, auf der anderen steht ein Bett, ein Schreibtisch und eine Couch. Diesen Raum nutzt Will als sein Zimmer, wenn er seinen Vater Jimmy besucht. Der Raum war sehr gemütlich und wir zeigten uns auf Wills riesen Fernseher einige Bilder von Neuseeland, Australien und insbesondere Silvester. Jere ließ das Feuerwerk noch einmal laufen. Die anderen hatten es von ihrer Position im botanischen Garten der Bäume wegen nicht ganz gesehen und staunten nun über die Aussicht, die wir hatten. Am nächsten Tag reisten Anja, Tina, Lena und Carina ab, ebenso gingen auch Katrin und Harry, so dass wir Helfer nur noch zu viert waren und Jere und ich unser altes Zimmer wieder beziehen konnten.

Die Arbeit war eher locker. Wir versuchten zwar jeden Tag 4 Stunden zusammen zu kriegen, aber letztendlich merkt ja eh niemand, ob wir gearbeitet hatten. Zumindest kam nie irgendein Kommentar. Was wir alles so gemacht haben:
Haus aufgeräumt (fast jeden Tag, denn die Familie lässt alles überall stehen. Lustigste Episode: Dan, 18 jähriger Sohn von Anu kommt in die Küche, als ich dort grad putze, holt alle Teeboxen aus dem Schrank, macht sich einen Tee und lässt alles so stehen. So ungefähr könnt ihr euch unser hinterhergeputze vorstellen. Die Familien steht vom Essenstisch auf und setzt sich vor den Fernseher, wir machen sauber. Am nächsten Morgen räumen wir die jeden Tag ausnahmslos auf dem Klavier stehenden Weingläser weg.), Tomaten und Kartoffeln geerntet (Kistenweise!) und geputzt, Nägel aus Planken gezogen, Honig abgefüllt (sehr klebrig, sehr lecker! Heißes Wasser wirkt Wunder), Honigproduktionsumgebung sauber gemacht, Sand geschaufelt, Toilette installiert (Jere, der Handwerker), gekocht und vieles mehr.

Caros Geburtstag rückte näher und Freddy, Jere und ich zerbrachen uns den Kopf, was wir dafür vorbereiten könnten. Anu bot an, ein paar Lebensmittel für Caro einzukaufen und sie entschied sich, dass wir griechisch grillen sollten. Freddy, Jere und ich ließen uns im Einkaufszentrum von herumstehenden (allerding hässlichen und überteuerten) Pinatas inspirieren. Wer nicht weiß, was das ist: Figuren aus Pappmaché, die mir Süßigkeiten gefüllt und aufgehangen werden. Das Geburtstagskind rennt dann mit einem Knüppel in der Hand und verbundenen Augen herum wie beim Topfschlagen und muss versuchen, das Ding zu zerstören, um an die Süßigkeiten zu kommen. Wir beschlossen also, eine eigene Pinata zu bauen und kauften nur die Süßigkeiten zum Füllen. Zuhause angekommen, machten wir uns gleich ans Werk und bauten eine Hunde-Drachen-Ungeheuer-Pinata. Wir versteckten sie in Freddys Zimmer und hofften, das Caro es dort nicht entdeckt.

Am Tag von Caros Geburtstag bereiteten wir ein Festessen zu: Gemüse mit Guarkamole- und Sauercremekräuterdipp, Knoblauchbrot (die Pizza Bar Version), Tsaziki, gegrilltes leckeres Fleisch und Gemüse und vieles vieles mehr. Wir hängten noch ein Happy Birthday Schild mit Lustballons auf und die Party konnte beginnen. Caro fand ihre Piniata auch mit zugebundenen Augen, wobei verbundene Augen und ein Knüppel in der Hand nicht bei jedem eine gute Idee wären. Anu und Jimmy genossen das gekochte Mahl und Jimmy aß fast alle Knoblauchbrötchen alleine.

Am selben Tag, der nachts mit Brownies angefangen hatte und mit viel Essen aufhörte, stieß Ronja zu unserer Gruppe hinzu, die später mit Caro weiter reisen wollte. Sie war ebenfalls ein Scheidungskind, wie wir schnell rausfanden, so dass wir alle fünf „Therapiegespräche“ abhielten, wie wir sie scherzhaft nannten. Dazu saßen wir, wenn Anu und Jimmy einmal wieder ausgeflogen waren, alle in den bequemen Sesseln und redeten über unsere verschiedenen Geschichten. Wir entdeckten viele Gemeinsamkeiten, manches war traurig, aber wir hatten auch einigen Spaß.

An einem Tag hieß es dann, dass wir in Jimmys Shampoofabrik mithelfen sollten. Wir standen alle früh auf, doch Jimmy war schon weg und so beschäftigten wir uns an dem Tag anders. Am nächsten standen wir noch früher auf und diesmal klappte alles und wir fuhren zusammen mit Will und Dan in die Fabrik. Die sah aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen. Wir hatten das schon ein wenig erwartet, denn: Zum einen hatten und Caro und Freddy vorgewarnt, die schon einige Tage dort verbracht hatten, zum anderen haben Jimmy und Anu mal bei einer Reality Show mitgemacht und uns die DVD davon gezeigt: Die Fernsehshow war über Paare, die sich im Alter kennen- und liebenlernen. Wie alle Realityshows wurden die zwei ganz schön fertig gemacht, was sie aber anscheinend nicht so richtig wahrgenommen haben. Jimmy wurde als der planungslose, schnarchende, faule Messi dargestellt und Anu als die naive vorsichtige Opferfrau, die versucht, ihren Mann zu ändern. An einer Stelle wurde dann die Fabrik gezeigt und eine Hilfsaktion der Familie gestartet, dort etwas Ordnung reinzubringen.

Als wir die Fabrik betraten, sah alles wieder so zugemüllt aus, wie vorher. Den ganzen Tag über beschäftigten wir uns mit dem Aufräumen des Eingangsbereiches. Ich spülte hundert große Shampoo- bzw. Conditionerbehälter, was ziemlich schweißtreibend bei der Hitze war. Das Shampoo schäumte wie verrückt und war deswegen schwer aus dem Container zu gießen und der Conditioner hatte aufgrund seines Alers schon eine waxähnliche Struktur und war nur mit heißem Wasser und viel Schütteln zu lösen gewesen. Die anderen schrubbten Regale, Böden und räumten auf, so dass ein Teil der Fabrik wirklich toll aussah…fragt sich nur, wie lange.

An einem Tag beschlossen Jere und ich, die Stadt etwas besser kennen zu lernen. Mit einem Studententagesticket (eigentlich nur für Studenten aus New South Wales, aber man kommt beim Kontrolleur wohl davon) fuhren wir in die Stadt und besuchten „Paddys Market“, eine riesige Markthalle mit ganz viel asiatischem Billigkram, aber auch einigen Schnäppchen wie Australische Lederhüte, preiswertes Obst und Haarverlängerungen. Anschließend liefen wir noch durch „Chinatown“ und setzten uns in das erste Restaurant hinter dem kunstvoll verziertem Tor. Was wir nicht mitbekamen und auch noch nicht kannten: Hier herrscht das Yum Cha Prinzip. Und so waren wir erst mal verwirrt, als Kellner mit Tablettes voll Teller mit den kleinen Speisen durch die Gegend liefen, jedes Mal an unserem Tisch stoppten und fragten, ob wir etwas davon haben wollten. Erst fühlten wir uns mächtig gestört und dachten, wir seien in eine Touristenfalle getappt. Doch dann bekamen wir mit, wie es funktionierte: Man nimmt sich einfach das, was einem zuspricht, und Kellner machen einen Stempel neben dem entsprechenden Preis auf einem Zettel, der auf unserem Tisch lag. Am Ende hatte wir vier kleine Teller mit gebratenen Nudeln und verschiedenem Fleisch in Soße. Mir hat es nicht besonders gut geschmeckt, weil an dem Fleisch noch alle Sehnen und Fett hing und manches etwas muffig schmeckte. Doch die Erfahrung an sich war ganz witzig, als wir uns dran gewöhnt hatten.

Nach dem Essen trafen wir uns mit Freddy, die in einem Hotel zwei Tage in der Woche putzte, um etwas Geld zu verdienen. Wir schlenderten noch über den Markt an „The Rocks“, einer bei Touristen beliebten Einkaufsstraße mit netten kleinen Lädchen. Anschließend liefen wir etwas auf der Harbour Bridge herum und genossen die Aussicht auf Sydney. Bevor Freddy zu Anu und Jimmy zurück fuhr, um noch etwas zu arbeiten, schlürften wir noch einen leckeren Fruchtdrink auf einer Bank am Wasser und schauten den Booten zu. Jere und ich hatten noch nicht genug von der Stadt und sprangen auf eine Fähre, die diesmal in die andere Richtung, nämlich unter der Harbour Bridge hindurch fuhr in Richtung Darling Harbour, so dass wir die andere Seite Sydneys auch einmal vom Boot aus sahen. Wir könnten jeden Tag hier auf den Fähren herumkurven und hätten immernoch Spaß daran, die Häuser der Reichen, die Yachten und die Skyline zu bestaunen.

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