Die westböhmische Metropole Pilsen will in den nächsten Jahren verstärkt um internationale Touristen werben – im Zentrum des Interesses: Gäste aus Deutschland, bereits heute die wichtigsten ausländischen Besucher in der Stadt
Pilsen (ce-press - internet-zeitung) – Pilsen, die Wiege der europäischen Bierkultur und Heimat der weltbekannten Skoda-Werke, will sein Image als „Transitstadt“ ablegen. Noch zu oft, so belegen die Statistiken, lassen Ausflügler und Urlauber aus Deutschland die westböhmische Biermetropole Pilsen auf ihrem Weg nach Prag, in die Berge der Hohen Tatra oder weiter in den Osten Europas auf der Autobahn links liegen oder stoppen maximal für ein kurzes Mittagessen in den legendären Bierkellern des Pilsner Urquells. Das soll sich in den nächsten Jahren ändern. Mit neuen Konzepten wollen die Tourismusverantwortlichen in Tschechiens viertgrößter Stadt – nur rund 45 Autominuten von der bayerisch-tschechischen Grenze gelegen – neue Märkte erschließen.
Die Voraussetzungen könnten kaum besser sein: Die neue Autobahn Nürnberg-Prag spült die internationalen Besucher in großer Zahl direkt vor die Tore Pilsens. „Viele aber fahren noch immer daran vorbei“, weiß Zdenek Muzik, der Präsident der Bezirkswirtschaftkammer Pilsen. Er sitzt auch in einer städtischen Kommission, die die zukünftige Präsentation Pilsens im Ausland auf den Weg bringen soll. „In der zweiten Jahreshälfte 2011 wollen wir eine Strategie vorbereiten, die den Wandel Pilsens von der Durchgangsstadt zur touristischen Zieldestination auf den Weg bringen soll“, sagt Kristina Stepanová von der Abteilung für Präsentation und Marketing bei der Pilsner Stadtverwaltung. Erste Eckpunkte zeichnen sich bereits jetzt ab.
Den Gästen aus Deutschland kommt auch in Zukunft eine Schlüsselrolle zu. Die Nachbarn aus Bayern und Sachsen stellen heute bereits die wichtigste ausländische Gästegruppe. Jeder fünfte der rund 80.000 Kunden in der Pilsner Tourismusinformation kam nach Angaben der Stadtverwaltung im vergangenen Jahr aus dem deutschsprachigen Ausland. Gerade die offiziellen Stadtführungen durch die pittoreske und mit Millioneninvestitionen sanierte Pilsner Altstadt liegen bei deutschen Gästen im Trend: Zwei von drei Teilnehmern an einer Tour durch die Stadt kamen im letzten Jahr aus der Bundesrepublik. Rund 5.400 Gäste aus der Bundesrepublik (und Österreich) ließen sich insgesamt auf Deutsch in die Geheimnisse der schmalen Gassen und großen Plätze einführen.
Insgesamt zählten die Beherbergungsbetriebe in Pilsen im vergangenen Jahr rund 700.000 Übernachtungen, im Vergleich zum Vorjahr ein leichtes Plus von zwei Prozent. Nach Nationalitäten unterscheidet die Erhebung nicht, die Tendenz ist aber klar: „Bei den ausländischen Gästen liegen die Deutschen auch hier klar auf Platz 1“, sagt die Tourismusexpertin im Pilsner Rathaus. Zu den Hauptattraktionen gehörten auch 2010 traditionell der Pilsner Zoo, Tschechiens zweitgrößter Tierpark, mit rund 460.000 Besuchern sowie das Brauereigelände von Pilsner Urquell mit knapp 230.000 Gästen. Neben Deutschland sind die Niederlande und Polen weitere wichtige Quellmärkte für die westböhmische Stadt.
Pilsen hat sein touristisches Angebot in den vergangenen Jahren stark erweitert: Im Zentrum oder in Sichtweite der historischen Altstadt – unter anderem mit Tschechiens höchstem Kirchturm, der drittgrößten Synagoge der Welt und vielen idyllischen Straßencafés – sind mehrere neue Vier-Sterne-Hotels von internationalem Standard entstanden. Unter anderem haben „Courtyard by Marriott“ und „Angelo Vienna International“ neue Häuser eröffnet, die böhmische Gastfreundschaft mit internationalem Charme verbinden.
Der Imagewandel Pilsens beginnt, erste Früchte zu tragen. „Deutsche Reiseveranstalter beginnen, nach und nach mehr Angebote für mehrtägige Reisen nach Pilsen ins Programm zu nehmen – mit Übernachtungen, einer Stadtführung und weiteren touristischen Angeboten“, sagt Ludmila Navratilová von der Abteilung für Kultur, Denkmalpflege und Fremdenverkehr bei der Pilsner Bezirksregierung, die zu großen Teilen für die Tourismusvermarktung in der Region zuständig ist.
„Europa honoriert, dass Pilsen sich verändert“, sagt Martin Baxa, der neue Oberbürgermeister der Stadt Pilsen und meint mit diesem Satz die erfolgreiche Bewerbung Pilsens um den Titel „Europäische Kulturhauptstadt 2015“. Die Ausweitung und Aufwertung des kulturellen Angebots sieht Baxa als Schwerpunkt seiner Amtszeit. Geplant sind der Bau eines neues Theaters, eines neuen Kunstmuseums und die finanzielle Unterstützung eines internationalen Folklorefestival – ganz im Sinne des Pilsner Kulturhaupstadt-Bewerbungsmottos: „Otevri si Plzen!“ – „Pilsen – öffne Dich!“. Auch der neue Oberbürgermeister hofft, dass der neue weltoffene, kosmopolite Geist viele derjenigen überzeugt, die heute an Pilsen einfach vorbeifahren.
Weil Bayern und Böhmen immer enger zusammenwachsen, steht an Ostbayerns Schulen Tschechisch immer häufiger auf dem Stundenplan. Ab Mai können Tschechisch-Schüler in der Oberpfalz sogar ein Zertifikat der Karlsuniversität in Prag erhalten.
Pilsen poliert sein Image auf
Autor des Artikels : urzeit
Zum Original-ArtikelErnst Probst ist Autor von mehr als 100 Büchern, Taschenbüchern, Broschüren, Museumsführern und E-Books