Pilates und Feldenkrais sind weltberühmt. Die Männer hinter den Methoden sind es nicht. Ein Blick in ihre Biografien.
Joseph Pilates und Moshé Feldenkrais sind Männer mit Methode. Beide haben Bewegungsabläufe und Übungen entwickelt, mit denen der Körper trainiert und die Seele gestreichelt werden. Bewegungen bestimmen nicht nur die von Pilates und Feldenkrais - auch ihre Lebensgeschichten sind bewegt. Ein Blick hinein:
Joseph Pilates (1883-1967) und Moshé Feldenkrais (1904-1984) sind auf ähnlichen Wegen durchs Leben gegangen - wenn auch aus ganz verschiedenen Gründen. Beide sind Auswanderer: Pilates zieht es aus Mönchengladbach nach Amerika, wo er sich größere Freiheiten verspricht. Feldenkrais flieht aus Osteuropa vor dem Judenhass nach Palästina - um überhaupt in den Genuss von so etwas wie Freiheit zu gelangen. Beide sind erfolgreiche Kampfsportler: Pilates früh ausgeprägter Körperkult findet im Boxen eine biografische Zwischenstation, Feldenkrais ist begeisterter Judoka. Er engagiert sich auch in der zioniostischen Bewegung "Die Verteidigung" (Haganah). Beide haben Erfahrungen im Handwerk:
Pilates ist gelernter Bierbrauer, Feldenkrais hat auf dem Bau geschafft und Tel Aviv mit aufgebaut. Und beide haben eine Schwäche für schöne Frauen. Feldenkrais ist ein Mädchenschwarm, Pilates eher ein Schwerenöter, der seine Familie vernachlässigt und selbst im hohen Alter gerne mal seine Hände bei Schülerinnen dort hinlegt, wo sie - Übung hin, Übung her - nichts zu suchen haben. Und beide Männer suchen lebenslang danach, im Einklang mit sich und dem Leben zu leben. Während Feldenkrais zu innerer Ruhe und Gelassenheit findet, ist Pilates von einer inneren Unruhe getrieben, der an den eigenen, hohen Ansprüchen scheitert. Man könnte eine good guy, bad guy Geschichte über die beiden Männer schreiben, die mit ihren Bewegungslehren einflussreiche Bewegungen gegründet haben.
Das wäre allerdings zu undifferenziert. Deshalb ist es schön, dass mit sich mit Eva Rincke (Pilates) und Christian Buckard (Feldenkrais) zwei unabhängige Autoren den Männern mit Methode zugewandt haben. Keiner der beiden Biografen verheimlicht seine Verehrung für den jeweiligen Protagonisten. Bei Pilates scheint das schwerer zu fallen: Seinem beeindruckenden Lebenswerk, das er nahezu aus dem biografischen Nichts errichtet, ist überschattet von charakterlichen Schwächen, die Joseph Pilates nicht ins beste Licht setzen. Trotz mancher unsympathischer Eigenschaft vermittelt Eva Rincke ihre Begeisterung für Pilates - auch, indem sie lebhaft über ihre von persönlicher Neugier und Bewunderung getragene Recherche schreibt. So moderiert sie dann auch verständnisvoll und relativierend (manchmal zu sehr) über Pilates schwierige Persönlichkeit hinweg. Rincke ist eine Erzählerin, Buckard eher ein Berichterstatter. Bei ihm nehmen die außerbiografischen Erklärungen und Einordnungen größeren Raum ein, ohne dass der Text dadurch langweiliger wäre. Er ist verschiedenartig, aber gleichwertig. Beide Biografien sind gut gelungen und zeigen die Männer hinter der Methode.
Fazit: Zwei bewegende Biografien über Leben mit und für die Bewegung.