Kürzlich ist ein Band mit kürzeren Texten erschienen: "Innerschweiz fürs Handgepäck. Rund um den Vierwaldstättersee" (Unionsverlag). Gut gefällt mir darin Peter von Matts gewitzigte Betrachtung zum Pilatus, den er als Labor modernen Denkens porträtiert. Wie das? Nun, der Pilatus galt im Mittelalter und noch in der frühen Neuzeit als Hort des Bösen und der Geister. Der Jesusrichter Pontius Pilatus gehe dort oben um; störe man ihn in seinem Weiherchen, richte er Unwetter an, hiess es in Luzern, das die Besteigung des Berges verbot. Doch gerade das Tabu reizte den menschlichen Geist zum Widerspruch, so von Matt. Er schreibt:
Die entscheidende Tat unternahm 1585 der Luzerner Stadtpfarrer Johann Müller. Er vollzog endlich am Pilatussee den Grundakt der modernen Naturwissenschaft: das Experiment. Im Beisein vieler Zeugen warf er Steine in das Sumpfwasser, beschimpfte den Geist in mehreren Sprachen, rief schallend: "Pilat! Pilat! Wirf us din Kaat*!" - und nichts geschah. Dann liess er ein paar mutige Burschen durch den Tümpel waten. Von einem Abgrund keine Rede! Jetzt zog auch die Stadtregierung die Konsequenz. Sie liess die kleine nasse Senke abgraben, und der Mythos versickerte zusammen mit dem fauligen Wasser. (*Kaat = Kot)