Mein heutiger Blog-Artikel kümmert sich um das Spannungsfeld zwischen Pornografie und Pikanterie. Ich vertrete die These: Pikanterie ist Kunst.
Ein Pfui-Wort unserer Gesellschaft ist „Pornografie“. Aber wir alle wissen, dass gerade Kunst in einigen Bereichen mit Pornografie Hand in Hand geht. Das mag damit zusammenhängen, dass viele Menschen (auch wenn sie es nicht zugeben wollen) stark an Pornografie interessiert sind. Vor dem Hintergrund ist es kein Wunder, dass sich Künstler auch mit der pornographischen Darstellung befassen. Dies bringt jedoch die Kunst auch immer wieder in Schwierigkeiten. Vor rund 100 Jahren war Pornografie sogar strafbar und Künstler mussten einen Weg finden, aus dieser Zwickmühle heraus zu kommen. So wurde der Begriff „Pikanterie“ erfunden. Diese Werke wurden unter dem Ladentisch gehandelt, waren top secret und galten als anrüchig. Letztendlich machte das die Pikanterie noch anziehender und interessanter. Aber es war (sowohl für Künstler, wie auch für Käufer) eine Wanderung auf einem schmalen Grat … zwischen Strafverfolgung und Liebe zur Kunst. Heute wissen wir, was vor 100 Jahren unter diesem Begriff gehandelt wurde, war (nicht immer, aber in den meisten Fällen) Kunst. Dies dürfte auch heute noch gelten: Pikanterie ist Kunst.
Unterscheidung zwischen Pornografie und Pikanterie
Ohne jetzt Kunstwissenschaftler zu diesem Thema zu befragen, kann man bei der Unterscheidung von Pornografie und Pikanterie zu einer einfachen Formel kommen. Pornografie ist die unmissverständliche Darstellung sexueller Handlungen und/oder Geschlechtsorganen … zumeist in höchstem Erregungszustand und Aktion. Pikanterie lässt daran auch keinen Zweifel, wobei das Zeigen doch eher verdeckt ist. Platt gesagt: Pornografie ist Dokumentation ohne jedwedes Verdecken. Bei der Pikanterie spielt sich vieles in der Fantasie des Bildbetrachters ab, weil es sich keineswegs um Dokumentation im eigentlichen Sinne handelt.
Zugegeben, auch hier die der Grat schmal und erfordert eine gewisse Toleranz der Gesellschaft und auch der Betrachter. Da ich in der Hauptsache auf meinem Bolg über die Fotografie schreibe, dreht es sich hier im Speziellen um fotografische Bilder.
Bilder sind Treibstoff der Pornografie
Nach über 175 Jahren Fotografie gibt es wohl keinen Bereich im menschlichen Leben, der noch nicht fotografiert wurde. Und ohne die Fotografie hätte sich die Pornografie auch nicht so stark verbreiten können. Heute ist sie überall anzutreffen. Der größte Verteiler für Pornografie ist das Internet. Man kann sagen, das fotografische Bild ist das wichtigste Verteilmedium für Pornografie geworden.
Pikanterie ist Pornografie für den Kopf
Jetzt ließe sich sehr lange diskutieren, warum und wieso es eine Unterscheidung zwischen Pikanterie und Pornografie gibt. Ist nicht beides ein Abbild der Sexualität? Wird nicht auf jeden Fall die primäre Sexualhandlung zum Gegenstand? Beim besten Willen werde ich diese Fragen nicht auf reine Objektivität zurück führen können. Auch werde ich nicht die verfeindeten Lager der Ablehner und Befürworter vereinen und für den großen Konsens sehe ich mich auch nicht in der Lage. Es bleibt mir nur das Schildern aus meiner Sicht.
Pikanterie zeigt und verdeckt gleichzeitig. Mit künstlerischen Mitteln wird ein Bild gestaltet und eine Botschaft mitgegeben. Künstler versuchen immer, die Gedanken (und Gedächtnisleistung) des Betrachters anzuregen. Es ist ein Versuch, einen Gedankenprozess anzuregen und Sehen neu zu vermitteln. Das ist eine Herausforderung und gleichzeitig ein Hauptaktionsbereich der Kunst. Ein Bild zum Ingangsetzen der Fantasie.
Selbstbefriedigung der Frau
Szenenwechsel. Wie sich Frauen selbst befriedigen, ist es immer währendes Thema. Männer haben daran viel Interesse. Schon Dr. Sommer wird vor Anfragen in dieser Richtung kaum noch Land gesehen haben. Frauen und Selbstbefriedigung. Selbst heute ist das noch ein Thema, zu dem die Gesellschaft eher schamvoll schweigt. Warum eigentlich? Eine Erklärung dessen geht an dieser Stelle zu weit und, ganz ehrlich, ich habe sie auch nicht parat. Was ich zeigen kann, sind Bilder und es geht um Pikanterie. Übrigens … das Internet ist voll mit Selbstbefriedigungsbilder von Frauen. Voll und übervoll. Reine, pure Pornografie. Dokumentation der in Szene gesetzten Eigenlustbereitung. Platt und bis ins Detail ausgeleuchtet, ohne Anspruch auf Kunst. Künstlerische Gestaltung dieses Aktes ist dagegen ein schwieriges Thema. Weibliche Selbstbefriedigung als Pikanterie darzustellen, der Fantasie ihren Raum einzuräumen und lustvollem Empfinden als gedanklichen Spielraum einzurichten, ist intim und gleichzeitig auch in der technischen Präsentation anspruchsvoll.
Pikanterie und Kunst. Oder muss es heißen „Pikanterie ist Kunst“? Auch hier will ich mich jetzt nicht als Oberlehrer produzieren. Eines weiß ich jedoch genau: Wenn ein Bild der allgemein erwarteten Form entspricht, wird es sofort erkannt. Wenn dem Bildbetrachter eine andere Form dargeboten wird, verändern sich die Spielregeln. Der Weg hin zur Pikanterie öffnet sich.
Pikanterie ist ein Spiel mit anderen Regeln
Bildbetrachtung folgt immer recht einfachen Regeln. Wenn ein Bild in der Form den bisher erlernten Erfahrungswerten entspricht, dann fällt es jedem Bildbetrachter leicht auch den Inhalt zu erkennen. Wenn die Form jedoch nicht den üblichen Regeln entspricht, gibt es für den Bildbetrachter nur zwei Möglichkeiten. Entweder er verliert sofort das Interesse, oder er versucht das Bild zu ergründen. Ergründung bedeutet eine längere Verweilzeit und es beginnt die Interpretation des Gesehenen. Kunst braucht Zeit, Kunst benötigt den Vorgang des Ergründens. Wir alle kennen den Spruch „was will uns der Künstler mit dem Bild sagen?“. Wer sich Zeit nimmt, wird diese Frage (zum Beispiel bei einer Pikanterie) beantworten können.
Pikanterie setzt das pikante Bildthema in eine andere, ungewohnten Form um. Das kann der Wechsel von eckig auf rund sein, eine farbliche Veränderung oder noch ganz andere Aufarbeitungsarten. Und selbstverständlich auch ein Emulsionslift, so wie ich es für dieses Bild gewählt habe. Veränderung der Form. Genau das ist es auch, was die Pikanterie so interessant und spannend macht. Die ungewohnte regt die Fantasie an. Ohne Fantasie wird Pikanterie zum Nichts, das Bild löst sich im Unverstehen auf. Genau das empfinde ich (als Künstler) als Herausforderung. Ein Spiel mit dem Thema und ein Spiel mit Bild und Präsentationsform. Aber ist Sexualität nicht immer ein Spiel?