Pichler: “Mit denen kannst nicht über Doping sprechen…”

Von Muellerbloggt @muellerbloggt

Interview mit Trainerlegende Wolfgang Pichler:

Pichler über Druck, Doping und Russland.

Herr Pichler, wie läuft die WM bisher für Sie?
Pichler: In der Mixed Staffel hätte ich mehr erhofft. Mit der Bronzemedaille von Vilukhina bin ich sehr zufrieden. Sie hat bisher noch keinen Podestplatz gehabt, ich hab’ also gar nicht an sie gedacht. Aber man kann nie mit Medaillen rechnen, die müssen kommen.

Wie kommen Ihre Athletinnen mit dem WM-Druck klar?
Pichler (schüttelt den Kopf): Überhaupt kein Problem.

Weil sie so abgezockt sind?
Pichler: Na, aber du musst sie richtig einstellen. Ich hab von Haus aus gesagt,: Geht’s rein und habt Spaß! Wenn du da als Trainer rumspinnst, dann übertragt sich das. Meine erste Aufgabe war, die russischen Medien zu attackieren. Ich habe auf der ersten Pressekonferenz gleich richtig Gas gegeben, um Selbstbewusstsein zu zeigen. Meine Mädels haben dadurch gemerkt, dass ich voll hinter ihnen stehe.

Wie sehen die Vorgaben aus der Heimat aus?
Pichler. Die gibts nicht. Aber die Medien sind brutal, die wollen einfach Sieger. Eine Medaille passt, aber als Vierter bist du schon der erste Verlierer. Die haben teils unrealistische Vorstellungen. Deswegen ist dea hier eine wichtige Probe für Sotschi, weil solche Situationen kannst du nicht simulieren. Ich sehe hier, wer dem Druck standhält.

Würde mit einer guten WM mehr Ruhe einkehren?
Pichler: Ruhig ist es nie. Aber ich müsste nicht so viel argumentieren, wenn ich im Sommer hart trainieren lasse.

Wie groß ist der Stellenwert von Biathlon in Russland?
Pichler: Groß. Als ich in Moskau als Trainer vorgestellt worden bin, waren 17 TV-Stationen da. Ich bin aber auch eine gewisse Reizfigur für die Russen.

Wieso habe Sie diesen Schritt überhaupt gewagt?
Pichler (grinst verschmitzt): Das war einfach ein Abenteuer. Ich bin ein Mensch, der gern zockt. Manchmal mache ich Sachen, die sind nicht real nachzuvollziehen. Russland ist nicht Freiburg, sondern Barcelona. Du sitzt im Haifischbecken und bist zum Erfolg verdammt.

Wäre Sie auch nach Russland, wenn Alexander Tichonow noch an der Macht wäre?
Pichler: Dann hätte ich wahrscheinlich kein Angebot bekommen.

Woher haben Sie die Garantie, dass die alten Bande alle zerschnitten sind?
Pichler (lacht): Die habe ich nicht. Aber mein Ziel ist, meine Damen sauber nach Sotschi zu bringen.

Dafür trainieren Sie auffällig oft in Deutschland. Warum nicht daheim in Russland?
Pichler: Das hat praktische Gründe. Ruhpolding ist viel näher an Moskau als jeder Ort in Sibirien. Chanty Mansijsk zum Beispiel ist viel weiter weg und der Zeitunterschied ist größer. Außerdem sind die Trainingslager in Ruhpolding billiger als in Chanty. Und auch für meine dopingfreie Philosophie ist es nicht schlecht in Mitteleuropa zu sein.

Was wäre eigentlich gewesen, wenn neben Russland auch Alfons Hörmann bei Ihnen angerufen hätte?
Pichler (überlegt kurz und grinst): Eine gute Frage, da habe ich noch nie drüber nachgedacht. Dann hätte der Minister entschieden, ob er mir den Sonderurlaub, ohne Bezüge selbstverständlich, gewährt.

Also ist ein zukünftiges Engagement beim DSV kein völlig absurder Gedanke?
Pichler: Mei, ich hätte im Leben nicht gedacht, dass ich mal nach Russland gehe. Meine Lebenserfahrung sagt mir, dass alles möglich ist. Wenn mir vor einem Jahr jemand gesagt hätte, du gehst nach Russland, dann hätte’ ich gelacht.

Haben Sie den Schritt nach Russland schon mal bereut?
Pichler: Bis jetzt nicht. Ich stehe jeden Tag mit einem Lächeln auf und denk mir: was kommt heute? Langweilig wird’s nie. Russland hat mir in meinem Leben zu einer total neuen Sichtweise verholfen, des kann man sich nicht vorstellen. Ich habe mal das Buch „Reise nach Sowjetrussland“ von Oskar Maria Graf gelesen. Des hat mich fasziniert, jetzt erlebe ich das alles selber.

Unter anderem auch die Wiederwahl von Wladimir Putin. Haben Ihre Damen auch gewählt?
Pichler: Ja, das war lustig. Des Konsulat ist extra gekommen und ich war der Wahlbeobachter. Bei mir gibt’s übrigens keine Demokratie, ein Trainer muss immer Diktator sein.

Welche Ziele hat der Diktator Pichler?
Pichler: Ich will die Deutschen attackieren.

Bei den Damen attackiert derzeit vor allem Darya Domracheva. Wie schätzen Sie ihre bisherige Leistungen ein?
Pichler (lässt sich Zeit): Die Frage beantworte ich nicht, sonst müsste ich lügen.

Ihre Ergebnisse in der Loipe sind beeindruckend…
Pichler (grinst): Genau das ist der Punkt.

Sie kennen ihren Trainer Klaus Siebert schon knapp 30 Jahre. Haben Sie ihn mal darauf angesprochen?
Pichler: Nein, der ist Ostdeutscher, der ist verbohrt in der Hinsicht. Du kannst mit einem Ostdeutschen nicht über Doping sprechen, die fühlen sich immer gleich angegriffen.