Die Fotografie ist in der heutigen Zeit fast nicht mehr aus unserem Leben wegzudenken. Bilder. Wo man hinsieht begegnen sie einem. Sie zeigen auf, überraschen, sollen uns locken, überzeugen und bannen. Jeden Tag aufs Neue werden wir von Bildern um uns herum eingenommen und festgehalten. Aber wie viel Vertrauen dürfen wir dem Foto, vor allem aber der visuellen Berichterstattung, im Zeitalter der digitalen Bildbearbeitung überhaupt noch entgegenbringen? Im Anbetracht der immer wieder aufflammenden internationalen kriegerischen Auseinandersetzungen gilt es vor allem der Kriegsfotografie besondere Aufmerksamkeit zu schenken und uns dabei die Frage zu stellen: Wie manipulierbar sind wir?
Wege der psychischen Manipulation durch Bilder
Die Beeinflussung ist nicht etwas, das von einem Moment auf den anderen getan ist. Es ist eine Art Prozess, der durch mehrere Stufen der menschlichen Bedürfnisse führt. Das Wichtigste daran ist, es so zu gestalten, dass der Manipulierte sich dieses Prozesses nicht bewusst ist. Die Unkenntnis des Betroffenen ist hier also die Grundlage, wobei natürlich alles auf den Eigennutz des Manipulators hinausläuft.
Die Manipulation des Einzelnen ist deshalb ein so beliebtes Verfahren, da der bereits Manipulierte automatisch, aber dennoch unbewusst, versuchen wird seine Umwelt mit diesen Falschinformationen mit zu manipulieren. Das Ganze aus dem einfachen Grund, da er diese, durch schon vorhandene Manipulationen, für wahr hält. Ein ganz simples Beispiel dafür wären verfälschte Nachrichten. Der „Hast-du-schon-gehört“-Effekt ist so gut wie vorprogrammiert.
Die Funktion der Kriegsfotografie
Wo aber findet sich in der Manipulation die Rolle der Kriegsfotografie? Um diese Frage beantworten zu können, ist es notwendig sich erst einmal die wesentlichen Grundzüge für die Wirkung der Kriegsfotografie vor Augen zu führen. Was ist es also, das uns als Betrachter für diese Form der Fotografie so empfänglich macht?
Die wohl wichtigste Eigenschaft für die Kriegsfotografie ist das Suggerieren von Authentizität. Das Schaffen von Echtheit ist allesentscheidend für die Anerkennung dieser Fotografie durch den Betrachter. Dieser Effekt lässt sich durch das Anschneiden von abgebildeten Personen hervorrufen und schafft somit eine gewisse Dynamik im Bild, die den Verdacht auf Inszenierung für viele von uns ausschließt.
Desweiteren muss eine gute Kriegsfotografie immer mehrere Phasen einer Handlung zusammenfassen. Diese Eigenschaft nennt sich „zeitliche Verdichtung der Handlung.“ Das heißt, das abgebildete Leid muss zeitgleich zu der eigentlichen Handlung aufzeigen, wo die Ursache dieses Leidens liegt.
Die nächste nennenswerte Eigenschaft findet sich in dem emotionalen Ansprechen des Abgebildeten. Dies wird durch die Dominanz der Gebärdenfiguren, Körperhaltung, Gestik und Mimik vermittelt. Wirken diese Formen wie aus dem Affekt heraus, so lassen sie einen zusätzlichen Grad an Authentizität und vor allem Anteilnahme zu.
Abschließend prägt die Eigenschaft der Wahrnehmung das Betrachten einer Kriegsfotografie entscheidend. Mit Hervorrufen von Sinneseindrücken durch Reizung von Sinnesorganen, lässt die Imagination von z.B. Lauten entstehen.
Gebündelt bilden die eben genannten Eigenschaften für den Betrachter eine Art Raum und lassen ihn sich auf diese Weise in das Geschehen involviert fühlen.
An dieser Stelle wird klar, dass letztendlich unsere Sinne ausreichen, um uns als Betrachter für ein Bild empfänglicher zu machen. Das macht die Fotografie zur „leichten Beute“ für alle Manipulatoren.
Realität
Ein Beispiel für die einfachste, aber ebenso effektive, Form der bildnerischen Manipulation ist die Verfälschung durch einfache Beschneidung des Bildes.
Dieses Bild stammt aus dem Irakkrieg und zeigt im Folgenden deutlich, wie einfach das Bild je nach Intention verfälscht werden kann.
Im Grunde kann man heute, entgegen der Floskel „Ich glaube nur, was ich sehe.“, kaum noch etwas glauben, das einem fotografisch geboten wird.
An dieser Stelle ist jedoch zu betonen, dass es weniger von den Kriegsfotografen ausgehend ist, als mehr von der Auslegung dieser Fotografien durch die Massenmedien. Natürlich ist es immer eine Frage der Abwägung, ob ein Bild der völligen Verfälschung zum Opfer gefallen ist. Ist ein Bild erst dann manipuliert, wenn auch die Geschichte dahinter Fiktion ist?
Eine publizierte Abbildung beispielsweise zeigt den Tempel des Pharaos Hatschepsut in Luxor, Ägypten. Er wurde 17. November 1997 zum Tatort eines Terroranschlags, bei dem 62 Touristen ums Leben kamen.
Der ägyptische Tempep „Hatschepsuts“ in Luxor. 1997 wurde er Ort eines Terroranschlages, bei dem 62 Touristen ums Leben kamen.
Das Schweizer Blatt „Blick“ hatte infolgedessen ein Foto des Tempels mit ablaufenden Wasser (Bild unten) digital bearbeitet und aus dem Wasserstrom einen Blutstrom gemacht. Das oben gezeigte Foto erschien als Illustration zu den Berichten aus Ägypten. Es ist keine Frage, dass das was sich dort abspielte ein grauenhaftes Verbrechen war, doch aufgrund dieser bildhaften Dramatisierung erlitt der ägyptische Tourismus lange Jahre erheblichen Schaden. Laut Schweizer Bundespolizei heißt es: „Hauptziel dieses Massakers war es, die Tourismusbranche zu schädigen und damit die ägyptische Wirtschaft und Regierung zu schwächen.“ Die Täter haben demnach erreicht, was sie wollten.
Kameras, so wissen wir, halten das Leiden anderer fest. Sie berichten uns Tag für Tag, was in der Welt vor sich geht.
Abgesehen von dem Faktor Zeit; stellt man dem geschriebenen Bericht und das Foto einander einmal gegenüber, wird klar, dass es wesentlich leichter ist den komplexen Gedanken eines Textberichtes durch die Sprache der Fotografie zu entkommen. Der geschriebene Bericht hat zwar durchaus noch seine Anhänger in der Gesellschaft, aber handelt es sich bei diesen Anhängern nur um eine soziale Schicht und spricht demnach nicht alle Gesellschaftsschichten an. Ein Bild dagegen ist für alle bestimmt. Die Sprache der Fotografie ist eine „Hinweis-Sprache.“ Sie ist ein Vermittler und in ihrer Botschaft zu simpel, dass sie damit jeden erreichen kann. Die Werbung z.B. hat sich dieses Prinzip, zum Werben des eigenen Produktes, schnell zu Eigen gemacht.
So sagt auch die weltberühmte Autorin Susan Sontag in ihrem Werk „Das Leiden anderer betrachten“ diesbezüglich:
„Nonstop-Bilder (Fernsehen, Video, Kino) prägen unsere Umwelt, aber wo es um das Erinnern geht, hinterlassen Fotografien eine tiefere Wirkung.“
Was aber passiert mit diesen kostbaren, erinnerungsprägenden Kriegsfotografien beim Erreichen des Westens? – Sie werden in unsere abendliche Berichterstattung integriert. Das heißt mit anderen Worten, ein komplexer Themeninhalt wird in maximal 2 Minuten gepresst und als visuelle Unterstützung werden eben diese Kriegsfotografien herangezogen. Mit etwas Glück werden den Bildern noch vollmundige, dramatische Bildunterschriften hinzugefügt.
Wie aber kann man sich besser vor der täglichen Medienmanipulation schützen? Wie erlangt man den „kritischen Blick“?
Man sollte sich neben der ausgiebigen Recherche (nicht nur eine Informationsquelle, sondern mindestens 3 repräsentative Quellen) u.a. folgende Fragen stellen:
- Was sehe ich?
- Welche Gefühle löst es in mir aus?
- Was ist das Thema des Bildes?
- Ist die Bildaussage eindeutig, oder mehrschichtig?
- Was ist besonders auffallend?
- Was ist nur bei genauem Hinsehen zu erkennen?
- Wo könnte das Bild aufgenommen worden sein?
- Warum wurde das Bild publiziert?
Ob es den Kriegstreibern nun gefällt oder nicht, es ist an der Zeit sich für dieses Thema zu sensibilisieren, andernfalls brechen eventuell Zeiten an, die aufs Neue unsere Geschichtsbücher mit Grässlichem füllen.