Am Samstag zog es mich ans andere Ende Deutschlands und zwar nach Saarbrücken zu einer Photo-Convention: Fotografie Pur - 7 Top Fotografen zeigen und erklären ihre Faszination an der Fotografie. Der Unterschied zu einem Workshop ist relativ schnell erklärt: Es geht nicht um “Wissen” sondern “Faszination”.
Dafür wurden vom Veranstalter “Luminanz” bescheidene 49 € aufgerufen – mit Flug und Hotel für mich zusammen etwa 250€. Nicht wenig – aber auch nicht sehr viel… doch wofür?
Als ich vor einigen Monaten zum ersten Mal von der Convention hörte, kalkulierte mein Kaufmannshirn völlig schräg sofort das Aufwand/Nutzen Verhältnis. Natürlich ist das totaler Unfug, denn das, was Du nach solchen Events im Kopf mit nach Hause bringst, ist keine Nutzen-Gleichung sondern die Frage “bringt es mich fotografisch weiter?”. Die Auseinandersetzung mit den Arbeiten anderer Fotografen und das Erfahren unterschiedlicher Herangehensweisen und Wege ist für mich fester Bestandteil der eigenen fotografischen Entwicklung. Umso gespannter war ich, was mich erwartete und was mir auf dem sonntäglichen Flug nach Hause wohl durch den Kopf gehen würde. 7 Fotografen aus völlig unterschiedlichen Bereichen für jeweils 1 Stunde an einem Tag. “Hardcore ” will man meinen, doch um es mal vorweg zu nehmen: Nein, es war kein Hardcore sondern purer Genuss!
Der ebenso junge wie talentierte Ben Hupfer startete die Convention mit seiner wirklich gelungenen “New York” Strecke und verriet, wie er sich persönlich der Stadt fotografisch näherte. Die Herangehensweise des Kölners verriet mehr über seine Fotos als Fragen aus dem Publikum zum eingesetzten Equipment. Diese beantwortete er mit der äußerst sympathischen Präsentation seiner beiden wichtigsten Tools: Ein paar ausgelatschte Turnschuhe und ein 29€ Stativ von HAMA. Nein, es ging hier nicht um Handwerkszeug sondern Fotografie…
Als zweiter Referent war WeddingPunk Kai Gebelan der Reihe. Kai war unter anderem einer der Gründe, warum ich die Convention gebucht hatte und ich versprach mir vor allem für mein eigenes Business als Hochzeitsfotograf ein paar “Brücken”. Er startete mit einem beeindruckenden 4 Minuten Video und brachte auf den Punkt, worum es ihm in der (Hochzeits-)Fotografie geht. Bereits nach diesen 4 Minuten hatte ich erhöhten Pulsschlag, denn was ich da sah, erreichte mich mehr als deutlich. Die darauf folgende Stunde brachte mir zwar mitnichten neuen “Brücken”, denn ich erfuhr weitestgehend eine Bestätigung meines Verständnisses von Hochzeitsfotografie. Doch die gewonnene (und für mich wichtigste) Erkenntnis: die Brücken sind gebaut – ich brauch nur drüber gehen – es liegt an mir wie lange ich dafür brauche. Danke Kai
Nach einer Mittagspause mit etwas Plauderei unter Kollegen verriet Panorama Experte Uwe Statz warum es für ihn eigentlich nie eine Frage “ob” sondern nur “wie” sich der Mainradweg komplett ablichten ließe. Ein witziger Vortrag der zeigte, dass es mitunter Biss und Standhaftigkeit bedarf um sein Foto zu machen. Uwe ist übrigens einer derjenigen, die sich ob der eigenen hohen Stromrechnung fragen, ob der Kühlschrank nach dem Schliessen wirklich das Licht abschaltet. Er beantwortete sich diese Frage mit dem Erstellen eines Innen-Panoramas seines geschlossenen Kühlschranks. Manchmal sind Lösungen so einfach!
Nicole und Thomas Schweizer gaben in der nächsten Runde einen faszinierenden Einblick in die People-Fotografie. Ich erfuhr ganz nebenbei, warum klassisches Licht von links kommt und wie Marlene Dietrich ihren eigenen Filmlook bekam. Die Beiden sind wahre Meister der Inszenierung, die ihre Shootings mitunter Wochen und Monate vorher akribisch planen und skizzieren. Ich hab bei den Ergebnissen mehr als einmal die Augenbrauen hochgezogen! Chapeau!
Nach diesem Feuerwerk an beeindruckenden Arbeiten der 5 Vor-Referenten habe ich mich ernsthaft gefragt, ob Objektfotograf Eberhard Schuy nun noch irgendwas zeigen konnte, was mich irgendwie wegfegt… und er konnte! Hallelujah! Seine Botschaft: Nicht das Machbare zählt sondern die Bild-Idee! Dass er für seine waghalsigen Bild-Ideen nicht mal Photoshop einsetzen muß, zeigt das große handwerkliche Können und den Einfallsreichtum dieses Mannes. Ein sich selbst raspelnder Rettich auf einer fliegenden Küchenraspel oder ein durch Sekt explodierendes Glas an einer zuvor klar definierten Bruchkante ohne Photoshop perfekt abzulichten ist machbar! Das hätte ich vor seinem Vortrag abgestritten!
Zum Schluß trat mein Lieblingsrumäne und Großmeister der Analog-Fotografie (am Bande) auf die Bühne: Vernon Trent. Ich kenne Vernon und seine Arbeiten ja nun bereits eine Weile und freute mich auf ein paar “How-To´s” seiner Fotografien. Vernon stieg mit einer 4 minütigen Slideshow ein und hinterließ das Publikum zunächst mit offenen Mündern. Seine Geschichten über Fotografie, Zyankali, Bromöl und Palladium wiesen den Großteil der Besucher auf die Plätze. “Ok, unerreichbar… Gott, warum schaue ich mir das an? Ich will nie wieder fotografieren…” Nun – das ist Fotokunst! “Ja – aber jetzt weis ich wo ich stehe…ganz hinten…” egal!
Der Tag ging superschnell vorbei. Überraschenderweise erdrückte mich die Fülle an Informationen und Präsentationen nicht, sondern beflügelte mich ungemein. Ich kann gar nicht sagen, welcher der Fotografen mich am meißten beeindruckte und wahrscheinlich nehme ich genau das mit allen anderen Eindrücken nach Hause: Fotografie ist so vielfältig, laut und leise, farbig oder schwarz/weiss, beobachtet oder Inszeniert – so lange Leidenschaft und Ideen dahinter stecken, ist sie gut. Und es gibt kein Foto, daß nicht möglich wäre…
So, und nun setze ich mich in den Flieger, lege meinen Kopf an das vibrierende Fenster und denke genau darüber nach…