Wir treffen uns und fahren mit unserem Tuktuk in Richtung Flughafen Phnom Penh. Chris hat mir am Abend vorher den Floh ins Ohr gesetzt, mit einer AK-47 (Kalachnikov) zu schiessen. Ich bin definitiv kein Waffenfan, aber irgendwie kann man sich da als kleiner Junge kaum gegen die Versuchung wehren, so ein ekliges Ding mal in der Hand zu halten und abzudrücken. Kurz gesagt: Es war ein Spass, damit auf eine Kokosnuss zu schiessen. Und so widersprüchlich diese Aktion zum Rest des Tages sein wird, umso mehr wird mir bewusst, wie widerlich solche Waffen eigentlich sind.
Wir brechen gleich wieder auf, um uns durch den dichten Verkehr Phnom Penhs zu wühlen, jede Menge Staub und Abgase einzuatmen, dabei aber sehr viel von dem Leben zu sehen, welches man im Touristenzentrum eher wenig sieht. Hier in der Vorstadt wird deutlich, wie wenig die Menschen zum Leben haben. Wenn es ihnen gut geht, dann haben sie eine Wellblechhütte oder sogar ein Moped. Trotzdem ist das ein Leben im Schmutz.
Stufe Eins der Depression ist schon bald erreicht.
Ziel unserer Fahrt sind die Killing Fields Choeung Ek. Hier wurden von 1975 bis 1979 unter den Roten Khmer ca. 17.000 Menschen brutalst umgebracht und verscharrt. 17.000 nur auf diesem Killing Field. Es gab insgesamt mehr als 300 dieser abartigen Einrichtungen in Kambodscha.
Die “Gegner” der Roten Khmer, Intellektuelle, Ärzte, Akademiker, Menschen mit weichen Händen, Frauen und Kinder wurden hier totgeschlagen, enthauptet, gegen Bäume geschleudert oder schlicht erschlagen, weil man Munition sparen wollte. Dazu lief laute Musik, damit die frisch angekarrten Opfer nicht die Schreie der anderen hören konnten.
Man bekommt einen Audio-Guide, hat die Möglichkeit, sich grausamste Geschichten von Zeitzeugen anzuhören und erschaudert trotz der Hitze.
Stufe Zwei der Depression ist ganz schnell erreicht.
Wir setzen uns recht schweigsam ins Tuktuk, das uns zu S-21 bringt. So nennt sich das ehemalige Gefägnis und heutige Genozid-Museum Tuol-Sleng. Ganze Familien wurden festgenommen, hierhergebracht, gefoltert und zu Geständnissen gezwungen, die teilweise völlig irreal waren. Es gibt Geständnisse, auf denen Kambodschaner zugeben, Agenten des CIA und des KGB gewesen zu sein. Natürlich alles nur mit dem Zweck, diese armen Menschen dann auf den Killing Fields umzubringen.
Das Gebäude ist eine ehemalige Schule. Und da die Roten Khmer Bildung für unnötig und schädlich hielten, haben sie die Schulen zu Gefängnissen umfunktioniert, extrem kleine Zellen in die Klassenräume gebaut, Foltereinrichtungen untergebracht.
Als die Vietnamnesen das Gefängnis befreiten, fanden sie noch 14 Überlebende vor, von denen allerdings 7 starben. Von dieser Befreiung gibt es Fotos, die in den Räumen ausgestellt sind, in denen sie auch aufgenommen wurden. Ebenso haben die Roten Khmer Fotos von jedem Inhaftierten gemacht, die in einer sehr eindrucksvollen und traurig machenden Ausstellung gezeigt werden. Gesichter, die Angst haben, aber denen befohlen wurde zu lächeln.
Stufe Drei der Depression erreicht.
Wenn man sich bewusst macht, dass diese ganze unheimliche Geschichte bis 1979 existierte, wird sie umso realer, weil es nichts ist, was wie der zweite Weltkrieg z.B. schon solange her ist. Mir jedenfalls ging das Gesehene noch den ganzen Tag nach und wir alle brauchen erstmal ein paar Stunden für uns selbst.
Abends treffen wir uns wieder im FCC, sitzen vorn an der Balustrade, von welcher man schön auf den Fluss schauen kann. Bis die Bedienung kommt und uns bittet, nach hinten zu gehen, weil hier gleich spontan Leute der Regierungspartei kommen, die ein paar Tische reserviert haben. Erst nach ein bisschen Nachfragen gibt sie zu, dass sie Probleme bekommen würden, wenn die Parteigenossen nicht die volle Aussicht für sich haben sollten.
About Pommesgibtsimmer
Fotograf aus Berlin. Versucht es ab 01/2013 mal mit dem Reisen, weil es in Berlin langsam zu kalt wird. Wenn Dich das interessiert, dann abonnier den Blog oder folge mir auf Facebook/Twitter.
Tags: Kambodscha, Killing Fields, Phnom Penh, S-21, Weltreise 0 Comments/posted in Asien, Kambodscha