Philosophie-Stunde in Triathlon

Von Wonseong

Ich kann selbstverständlich nur sinngemäß wiedergeben, was der Kollege da sagte. Aber auf die Frage, was er denn für Rennen vorhätte dieses Jahr kam „Keine. Null!“ Nun geht es mir so, dass ich immer mit einer gehörigen Portion Skepsis an den Start gehe, wenn Menschen nichts besseres an einem Sonntag-Nachmittag einfällt, als in einem hässlichen, kleinen Hallenbad tausende von Metern zu kraulen und solch eine Aussage tätigen.

Gestern hatte ich eine interessante Unterhaltung mit einem Sportfreund. Weil es mir beim Schwimmtraining nach einiger Zeit des Rumstehens und Diskutierens dann doch etwas frisch wurde und ich nicht einschätzen kann, wie viel Wahrheit der Kollege ertragen kann, stieg ich nicht tiefer ein. Erst hinterher dachte ich daran, wie verschiedene Menschen die Welt (natürlich!) verschieden wahrnehmen, verschiedene Ziele haben und diesen unseren ach-so herrlichen Triathlon-Sport aus komplett verschiedenen Motiven betreiben. Und ja, als Trainer & Coach kam mir der Gedanke, dass das alles auch etwas „mit dem Rest des Lebens“ zu tun hat…

Nach einigen Minuten der Konversation kam dann final die Aussage, dass ihn die Langdistanz zum Triathlon geführt habe, er aber irgendwann feststellen hätte müssen, dass er nie die Hawaii-Quali schafft und dann… äh… lieber gar keine Rennen macht. Klingt irgendwie total logisch und nachvollziehbar. Daher hier ein paar philosophische Gedanken…

In meiner Welt ist der obige Spruch nicht nur ein Spruch. Ich glaube tatsächlich fest daran, dass dieses Leben vor allem daraus besteht, glücklich zu sein und uns zu entwickeln. Und am besten unser volles Potenzial zu entfalten und damit die Welt zu beglücken. Kapitulation ist dabei die schlechteste aller Optionen. In dem Moment, wo ich aufgebe, wo ich mir eingestehe, dass ich etwas nicht schaffe, habe ich verloren. Innerhalb eines Rennens habe ich schon öfter etwas zu dem Thema geschrieben. Aber das Gleiche gilt eben auch analog für eine „Sport-Karriere“ und den „Rest des Lebens“.

In dem Moment, da ich das Handtuch werfe, ist alles vorbei. Geschlagen. Am Boden. Aus. Aber nicht, weil es per se nicht möglich wäre, sondern nur, weil ich nicht die richtigen Fragen stelle und mein Mindset, meine Einstellung nicht stimmt. In der schwachen Sekunde des Aufgebens liegt die ganze Welt. Hier trennt sich die Spreu vom Weizen, die Buben von den Männern, die Mädchen von den Kämpferinnen.

Statt lapidar festzustellen, dass ich eben zu schwach oder zu schlecht bin, könnte ich mir die Eine Million Euro-Frage stellen:

Was müsste ich TUN, um mein Ziel zu erreichen?

Wer müsste ich SEIN, um mein Ziel zu erreichen?

Was müsste ich HABEN, um mein Ziel zu erreichen?

Okay, das sind dann doch drei Fragen… Aber was braucht es denn wirklich? Der Triathlon (wie jeder andere Sport, ja wie im Grunde jedes andere Unterfangen auf dieser Welt) ist nur ein Spiegel. In diesem Spiegel erkennen wir uns. Mit allem. Mit Haut und Haaren, aber eben auch mit meiner Identität (wer glaube ich zu sein), mit (meist begrenzenden) Glaubenssätzen, mit Werten, mit Fähigkeiten und meinem Verhalten innerhalb eines bestimmten Umfelds. Das alles kann ich beeinflussen. Die nächste Frage muss daher lauten:

Bin ich bereit, alles zu tun, was ich tun muss, um mein Ziel zu erreichen?

Spätestens hier kommen die üblichen Ausreden:

  • Ich bin einfach nicht gut genug.
  • Ich habe nicht genug Talent (immer gern genommen).
  • Ich habe nicht genug Zeit.
  • Ich habe nicht genug Geld (kam gestern auch als Argument = Ausrede).
  • Meine Familie, Frau, Kinder, etc.
  • Und so weiter… (diese Liste wird sehr schnell sehr lang, wenn man sich umhört – die Menschen werden hier deutlich kreativer, als bei der Suche nach Antworten, wie es gehen kann).

Ich sehe in meinem Beruf ganz deutlich den Unterschied zwischen den High-Performern und den Under-Performern. Und dabei geht es noch nicht einmal um die vergleichbare Leistung (die es bräuchte, um beispielsweise die Kona-Quali zu schaffen), sondern nur um die Bereitschaft, das Beste aus sich und den eigenen Möglichkeiten herauszuholen. Warum würde ich überhaupt Langdistanz-Triathlon betreiben, wenn ich das nicht für mich ausloten möchte? Nur so ein paar Gedanken…

Am Ende des Tages ist das alles nur ein Spiel. Und es ist weniger interessant, ob ich gewonnen habe oder nicht, als vielmehr, wer ich geworden bin auf dem Weg.

Advertisements