theater…und so fort
Eine alltägliche Situation: vierzehn sehr verschiedene Menschen warten auf einen Zug, der sie in die Innenstadt bringen soll. Die Stimmung ist sehr gereizt, wieso weiß der Zuschauer zunächst nicht. Nur zwei junge Frauen unterhalten sich friedlich miteinander, scheinbar unbeeindruckt von den anderen.
Es ist nicht ganz einfach, das neue Stück des Theaterchefs Heiko Dietz zusammenzufassen. Es hat eine mitreißende, interessante und stellenweise auch recht lustige Handlung… nur läuft diese rückwärts. Zu Beginn jeder Szene bekommt man eine rätselhafte Situation vor Augen gestellt, doch erst später erfährt man, wie es dazu kam. Dies ist unglaublich spannend, ich persönlich konnte nie vorher erraten, was zuvor geschehen ist. Dabei hat die Geschichte nichts allzu Absurdes oder Unglaubwürdiges. Die Charaktere sind sehr realistisch gezeichnet: die streitsüchtige Therapeutin, die sich beinahe zwanghaft in fremde Angelegenheiten einmischen muss; der verschmitzte ältere Herr, der sich über die Streitereien sehr amüsiert; die gestresste Anwältin, die einen sehr ausgeglichen wirkenden Geistlichen zu einem Gerichtsprozess begleitet; das betrunkene aber glückliche Paar; ein geheimnisvoller Fremder… Es geht jedoch nicht nur um die Probleme oder Ansichten der Einzelpersonen, sondern vor allem auch, wie die Menschen in bestimmten Situationen miteinander umgehen können. Und dabei stellt sich im Laufe des Theaterabends heraus, dass selten etwas oder jemand so ist, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Die einzelnen Szenen stellen auch immer wieder eine andere Figur in den Mittelpunkt.
Lustig sind vor allem die Szenen, in denen die Figuren durcheinander und aneinander vorbei reden und dadurch die ein oder andere Verwirrung entsteht. Die Dialoge sind allgemein sehr natürlich geschrieben. Die Versprecher wirken ungewollt, stehen aber durchaus im Text.
Dietz inszenierte sein Stück selbst und spielt neben elf hervorragenden Kollegen eine kleine Rolle, deren Bedeutung man erst am Ende des Stücks erfährt. Das Ensemble ist durchweg sehr sehr gut und überzeugend. Besonders beeindruckt haben mich Florian Weber als der geistig behinderte Stefan, der die Figur sehr natürlich spielte, ohne in Klischees zu rutschen, und Winfried Hübner als der „Wartende“.
Das Bühnenbild ist schlicht, erinnert an eine gewöhnliche Münchner S-Bahn-Station mit einer Fototapete. Zeitweise wird sogar der gesamte Theaterraum zum Bahnhof umfunktioniert, was eine der wirklich witzigen Szenen dieser „unerfreulichen Komödie“ ist. Im Hintergrund ist eine Bahnhofsuhr zu sehen, die die Zeitsprünge auch sichtbar macht. Auch die Musik von Tobias Bosse passt perfekt zum Stück.
Alles in allem ein ungewöhnliches, aber sehr sehenswertes Stück. Zwar sind Geschichten, die in der Zeit zurückreisen, keine absolute Neuheit, doch allzu oft bekommt man so etwas auch nicht zu sehen. Und die Handlung dieses Stücks zieht einen in seinen Bann.
„Bitte zurückbleiben!“ wird noch bis 18. Mai gezeigt. Karten und Infos gibt es unter