Böse, fiese Nonnen, Unterdrückung und Keuschheit. Mit diesen Schlagworten hinterfragt "Philomena" die Ablagerungen religiöser Züchtigung in einer modernen Welt, der Welt von Selbstbestimmung, Entscheidungsfreiheit und Eigenverschulden. Von Smartphones, "Big Mamas Haus" als ablenkende Abendunterhaltung, Katastrophengier. Eine Mutter (Judie Dench spielt sie hervorragend schattiert) sucht ihren verschollenen Sohn. Sie ist eine temperamentvolle Irin, religiös gefestigt, wunderlich, willensstark. Hilfe erhält sie vom ehemaligen BBC-Reporter (und ehemaligen Katholik) Martin Sixsmith (Steve Coogan). Er ist ein auf die nächste Riesenstory mit Riesenworten riesiger Emotionen fixierter Sensationsschnüffler, Blasphemist, bohrend, zynisch. Anhand zweier divergierender Weltanschauungen, die "Philomena" in seinen zunächst gegeneinander abprallenden Protagonisten verankert, kristallisiert sich ein in seinen feinen Magenhieben und Spitzen gegen eingerostete Ideologien agierendes, geistreiches Drama heraus, bei dem Vorzüge, aber auch Nachteile eines als absolut gehaltenen Standpunktes hervortreten. Stephen Frears begleitet sein Traumduo, das sich mit verbundenen Augen abgeklärt die Bälle zuwirft, auf einem Weg der Antworten und Rückschläge. Rückblicke und Videoaufzeichnungen zeigen ein kontrastreiches Leben, reich an Schrecken und Schönheit. Und genau wie etwa auch "Die Queen" zeichnet sich "Philomena" aufgrund seiner britisch-lässigen Lakonie als pointiertes Haltestellenstück aus, das in seiner intimsten, verletzlichsten Nachdenklichkeit die entlarvende (Schaden-)Freude im Geiste zelebriert: Die Kirche hat es zum Schluss, immerhin, in den Merchandising-Vertrieb geschafft.
6 | 10