Philomena

Kino Philomena-©-2013-Constantin,-SquareOne,-Universum(1)

Veröffentlicht am 26. Februar 2014 | von Karin Gasch

Wertung

Summary: spannende Story, mitreißend erzählt, mit Tendenz zur Rührsehligkeit, zu wenig drastisch, großartige Hauptdarstellerin

3

Drama

Der Britregisseur Stephen Frears erzählt die wahre Geschichte von Philomena Lee auf ihrer Suche nach dem verlorenen Sohn. Bereits mehrfach ausgezeichnet, gehört der Film auch zu den diesjährigen Oscar-Kandidaten.

Auf den ersten Blick ist Philomena Lee (Judi Dench) eine unscheinbare ältere Dame, die regelmäßig zur Kirche geht, schnulzige Schundromane liest und mit ihrer erwachsenen Tochter ein ruhiges Leben im Londoner Vorort führt. Die betagte Frau belastet aber ein Geheimnis, das sie schon seit Jahrzehnten hütet. In den frühen 50er Jahren brachte sie als Teenager, hinter Klostermauern versteckt, einen Sohn zur Welt, von dessen Existenz niemand erfahren durfte, da das uneheliche Kind eine Schande im erzkonservativ-katholischen Irland darstellte. Von den Nonnen zur Weggabe des Kindes gedrängt, hat Philomena ihren Sohn nie wieder gesehen. An seinem 50. Geburtstag beschließt sie endlich, ihr Schweigen zu brechen und macht sich gemeinsam mit dem Reporter Martin Sixsmith (Steve Coogan) auf die Suche nach ihrem verschollenen Sohn. Der frisch entlassene Politjournalist ist anfangs wenig begeistert von der Aussicht, die in seinen Augen belanglose Geschichte aufzuzeichnen, doch dann werden nach und nach die Dimensionen des scheinbaren Einzelschicksals erkennbar und der Reporter taucht nicht nur in Philomenas berührende Lebensgeschichte ein, sondern steht zudem vor der Aufdeckung eines dunklen Kapitels katholischer Kirchengeschichte.

Die wahre Geschichte der Philomena Lee, von eben jenem Martin Sixsmith aufgezeichnet, der im Film vom britischen Komiker Steve Coogan verkörpert wird, wurde von Stephen Frears mit viel Routine und Hang zur Dramatik in Szene gesetzt. Der Regisseur nimmt sich Zeit, die Gefühlslage seiner Protagonisten genau zu ergründen und bedient sich eines langsamen Erzähltempos, ohne jedoch viele Längen zuzulassen.

Was es in Philomena allerdings schon zur Genüge gibt, sind Auslassungen, die angesichts der Begrenztheit des Mediums natürlich unvermeidbar sind, im Gefüge der Geschichte jedoch teilweise unlogisch erscheinen. So stellt sich beispielsweise die Frage, warum Philomena und Sixsmith keinen Versuch unternehmen, mit anderen Frauen aus Philomenas Zeit im Kloster Kontakt aufzunehmen. Auch trägt der starke Fokus auf die beiden Hauptdarsteller dazu bei, dass Charaktere, die für den Handlungsverlauf nicht unwesentlich erscheinen, stark in den Hintergrund treten beziehungsweise kaum mit einbezogen werden, wie etwa Philomenas Tochter Jane. Überhaupt drängt sich zeitweise der Eindruck auf, dass versucht wurde, eine für sich schon spannende Lebensgeschichte in ein dramaturgisches Konzept einzugliedern, das die Schraube an Dramatik und Emotion wohl noch höher drehen sollte, sich letztendlich aber dann doch eher als einengendes Korsett erweist, das einen bemühten und unharmonischen Gesamteindruck zurücklässt.

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Für mitreißende Momente, in denen echte Emotionen transportiert werden, ist fast ausschließlich Judi Dench verantwortlich, die die Rolle der älteren Dame, zwischen kindlicher Naivität und nüchterner Abgeklärtheit schwankend, mit großartiger Hingabe verkörpert. Die restlichen zwischenmenschlichen Begegnungen bewegen sich, so wie der Film insgesamt, aber meist irgendwo zwischen heraufbeschworener Dramatik, bemühter Situationskomik und dezenter Rührseligkeit.

Philomena nimmt sich zwar eines Kapitels dunkler Kirchengeschichte an, das auch schon in Die unbarmherzigen Schwestern thematisiert wurde, lässt es im Gegensatz dazu aber an Explizität und damit an Drastik mangeln. Thematisch viel wichtiger scheinen Begriffe wie Annäherung, Verständnis und Vergebung zu sein, was sich auch in der Beziehung des zynisch-überheblichen Reporters und der warmherzig-naiven Philomena wiederspiegelt, deren unterschiedliche Lebenswelten und Weltanschauungen als Reibungspunkt eine große Rolle einnehmen.

Das alles macht Philomena zu einem versöhnlichen Film, der etwas zu zahnlos geraten ist und zeitweise droht, ins allzu Rührselige zu kippen, der aber dank der schauspielerischen Leistung von Dame Judi Dench trotzdem einen Blick wert ist.

Regie: Stephen Frears, Drehbuch: Steve Coogan, Jeff Pope
Darsteller: Judi Dench, Steve Coogan, Sophie Kennedy Clark, Mare Winningham, Barbara Jefford
Laufzeit: 98 Minuten, Kinostart: 28.02.2014, philomenamovie.com

Tags:

3 von 5

Constantin Film DramaJudi DenchRomanverfilmungStephen FrearsSteve Coogan

Über den Autor

Philomena

Karin Gasch Aufgabenbereich selbst definiert als: Zwielichtaufsuchende mit Twilight-Phobie. Findet "Ours is a culture and a time immensely rich in trash as it is in treasures" (Ray Bradbury) zeitlos zutreffend.


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